Archiv:Briefe meiner Mutter 1951

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BRIEFE MEINER MUTTER 1951


14.8.51

Gedenkstein

„Liebe Hermine,

mit dem Briefschreiben ist es mit mir nichts mehr, keine Zeit! Gestern pflanzte ich Erdbeeren, wurde aber lange nicht fertig.[1] Walter half mir wie ein Oller. Er wird überhaupt ein vernünftiger Kerl, leicht zu haben; ein richtiger, kleiner Mann! Ich habe auch schon mal dran gedacht, hier einen (Gedenk-) Stein für Karl zu setzen; aber es kennt ihn hier in der Stadt ja niemand. Bei Euch ist das viel angebrachter.[2] ..... Die Ferien sind schnell und ohne Ereignisse vergangen. Bei Blöckers verdarb Wiebke sich den Magen und mußte 4 Tage zu Bett.[3] Heute sollte ihr Wiegenfest hier groß gefeiert werden und wurde nun abgeblasen. Sie kann keine Schlagsahne vertragen.

Du wunderst Dich immer über ihre Erkältungen. Die Kinder meiner Freundinnen sind alle so anfällig und viele Kinder hier in der Stadt. Du vergißt, daß sie „Normalverbraucher“ waren jahrelang und dazu 5 1/2 Jahr schlecht wohnten![4] Sie sind gerade eben an der Tbc vorbeigewutscht. Da fehlte doch nicht viel; die Erkältungen mit Fieber blieben ihnen jedoch nicht erspart und werden sie lange behalten ... Walter kann gar nichts an Regen, nassen Füßen u. dergl. vertragen. Wiebke ist nicht viel besser ... Allein deswegen lasse ich sie schon gar nicht „aus der Hand“.

Karla muß sich schon noch gedulden; es ist ja schade, daß wir kein Bett für Karla haben; hier könnte sie nur auf die Erde.[5] Und 2 Jahre habe ich auch kein Geld für Besuch... Für heute viele Grüße!

Claudia“

21.12.31

„Liebe Hermine, herzliche Weihnachtsgrüße von uns allen! Ich liege krank, im Bett, auch übers Fest. Mittendrin schleppt man mich per Taxe zum Spezialarzt; Walter hat Mittelohrentzündung, liegt neben mir, Oma ist bald am Ende. Also alles in allem ein schönes Fest!

Herzlichst

Claudia“

Fussnoten

  1. Meine Mutter hatte inzwischen einen Bauplatz gekauft, den sie in monatlichen Raten abbezahlte und der von uns als Garten genutzt wurde.
  2. Meine Tante Hermine ließ auf dem Schätzendorfer Friedhof, im benachbarten Sahrendorf gelegen, einen Gedenkstein für meinen in Italien begrabenen Vater setzen, den das Foto auf der folgenden Seite zeigt.
  3. Bei der Familie Blöcker in Homfeld hatte Wiebke einen Teil der Sommerferien verbracht.
  4. Die Lebensmittelkarten der Nachkriegszeit waren nach verschiedenen Kategorien gestaffelt. Die mit den geringsten Rationen waren die für „Normalverbraucher“. Diesen setzte im Film „Berliner Ballade“ von 1948 der damals noch dünne Schauspieler Gert Fröbe als „Otto Normalverbraucher“ ein bleibendes Denkmal. Bessere Rationen als „Normalverbraucher‘ erhielten „Normalarbeiter“. Es folgten „Teilschwerarbeiter“, „Mittelschwerarbeiter“ und „Schwerstarbeiter“, bei denen der besonders wichtige Abschnitt der Lebensmittelkarte, nämlich die „Fettmarken“, eine größere Menge davon enthielt.
  5. Offensichtlich war ein Ferienaufenthalt Wiebkes auf dem Hof der Familie Voss in Schätzendorf oder ein Besuch von deren Tochter Karla bei uns geplant.