Archiv:Briefe meiner Mutter 1953

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BRIEFE MEINER MUTTER 1953

31.5.53

„Amor“ auf der Pirsch

„Liebe Hermine,

Deine Karte will ich gleich beantworten ......

Donnerstag kam Wiebkes Gast eine Woche, das war mir glatt zuviel. Wieder sind alle Schmerzen da und ich kaputt. Ich kann also nur das Geringste leisten; es ist scheußlich. Wiebke fuhr Freitag für 9 Tage ins Schullandheim; so ist hier Ruhe. Frau Knauf hatte gestern große Wäsche und soll Dienstag + Mittwoch kommen, um sie ganz fertig zu machen, damit ich die ruhige Zeit auch genießen kann ...

Wiebke geht es sonst recht gut. Im Deutschen hat sie nun die Englischlehrerin und schrieb bislang den besten Aufsatz und das beste Diktat. Die Mädel sagen, daß sie doch immer noch als Zweite der Klasse gilt... Aber sie ist... anstrengend, da sie keine Zeiteinteilung hat und so langsam ist.

Walters Radfimmel legt sich etwas. Jetzt spielt er mit Pfeil und Bogen auf dem Wiesenrest. Er sieht aus wie Amor! Mit großem Köcher und vielen Pfeilen, alles mit Liebe gemacht .....[1] Wenn die Pensionserhöhung kommt, werde ich das alles für die Reise 1954 sparen, denn so geht es mit mir ja auch nicht.[2] Ich bin zu kaputt ... Hoffentlich kommt nichts dazwischen und hilft sie auch. Ich freue mich schon so drauf.

Wenn Du in der Stadt bleiben mußt, kann Wiebke sicher allein nach Schätzendorf.[3] Ich bin sehr dafür, daß sie mal wieder das Dorf ihrer Väter besucht. Jetzt ist sie Ja schon groß, und den Unsinn, den sie treibt, oder die Unvernunft werde ich ihr Ja nie austreiben können.

Damit muß sie selber fertig werden. Ich kann und darf ja ...nicht immer neben ihr stehen und sagen, was sie tun muß. Sie ist ... oft noch ohne Vernunft und Verstand, wie man so sagt. Aber bald ist sie erwachsen, sie muß ja nun lernen, selbst fertig zu werden. Und sicher wird sie sich von der besten Seite zeigen. Dann hat sie ja Charme genug, die kleine Hexe!

Zum Schluß viele Grüße ...

Deine Käthe“

Fussnoten

  1. Der „Wiesenrest‘ war eine Koppel genau gegenüber unseres Hauses, die uns Kindern einen Platz für alle möglichen Spiele bot.
  2. Die Reise im Jahr 1954 führte uns Kinder samt Mutter ins Nordseebad Büsum, wo wir bei Privatleuten wohnten. Es war die erste gemeinsame Erholungsreise, die wir uns leisten konnten.
  3. Anscheinend war ein Aufenthalt Wiebkes bei unserer Tante Berta in Schätzendorf geplant.