Archiv:Die älteste geschichtliche Zeit (1913)
Die älteste geschichtliche Zeit.
Das erste Auftreten unseres Gebietes fällt in die Zeit Vicelins und zwar ist es ein Fürstenmord, der Anlaß zur Erwähnung gibt. Die im Osten unseres Landes wohnenden Wenden hatten seit 1066 die Uebermacht gewonnen. Sie durchstreiften unaufhörlich unser Land. Kirchen und Dörfer gingen in Flammen auf. Die Einwohner irrten in Wäldern und Brüchen umher und verwilderten. Erst das Jahr 1111 machte diesem trostlosen Zustande ein Ende. Herzog Lothar von Sachsen, der spätere Kaiser, schickte in dem Grafen Adolf von Schauenburg einen tüchtigen Regenten ins Land, und bald war Ruhe und Ordnung hergestellt. Der Wendenkönig Heinrich war dem Christentum geneigt. Vicelin, der 1126 durch holsteinische Edelinge aus dem Falderagau nach Wippentorp (Neumünster) gerufen war, dehnte bald seine Missionsarbeit ins slawische Gebiet aus. Heinrich starb aber schon 1126. Seine Söhne Knud und Zwentepolch stritten sich um die Herrschaft. Knud wurde 1127 zu Lütjenburg umgebracht und Zwentepolch hatte die Alleinherschaft. Er war auch dem Christentum geneigt und hielt Freundschaft mit den Holsten. Mit ihrer Hilfe unternahm er einen Zug ins Obotritenland (Mecklenburg). Doch auch seine Herrschaft nahm ein jähes Ende. „Zwentepolch wurde bald hernach (1128 oder 29) durch die Hinterlist eines gewissen Daso, eines sehr reichen Holsteiners, ermordet[1]. Dieser Daso wird uns nicht näher bezeichnet. Wir dürfen aber annehmen, daß es sich um den 1149 in der Urkunde Heinrichs des Löwen von Heikenbuttle erwähnten Daso de Ennige handelt[2]. Er war damals eine so angesehene Persönlichkeit, daß ein Hinzufügen seines Wohnsitzes, ebenso wie beim Overboden Markrad, füglich unterbleiben konnte. In der erwähnten Urkundes[3] wird gleich nach dem Overboden Markrad genannt: Vergotus filius Dasonis de Ennige cum fratribus suis. (Vergotus, Sohn des Daso von Innien mit seinen Brüdern). Schon aus der Stellung gleich nach dem Bannerträger und Oberrichter dürfen wir auf die angesehene Stellung jener schließen, denn „rangmäßig folgen die Namen und Würden der Zeugen in den Urkundenschlüssen. Das war Freude des Zeitalters[4] Daso war auch Stifter einer angesehenen Adelsfamilie, der Dasoniden, wie die „visio Godescalcii“ Kap. 21 berichtet. Diese berichtet traumähnliche Erscheinungen, die ein Bauer Gottschalk aus Horche (Harrie) hatte. Sie sind um 1190 im Kloster zu Neumünster aufgezeichnet. Heinrich der Löwe war von seiner Verbannung nach England zurückgekehrt. Um wieder in den Besitz von Wagrien zu gelangen, belagerte er die Burg Segeberg, die sein Großvater Lothar auf Vicelins Rat angelegt hatte. Die Holsteinischen Kirchspiele mußten ihm der Reihe nach Mannschaften stellen. So traf die Reihe auch das Kirchspiel Neumünster, und Gottschalk mußte mit, obgleich er schwächlich war. Vor Segeberg verfiel er einem todähnlichen Zustand, in welchem er in die unsichtbare Welt versetzt wurde. Er sah Himmel und Hölle und in letzterer in besonders großer Qual einen verstorbenen Gottschalk, den Sohn des älteren Daso aus dem Kirchspiele Nortorf. Es wird dieser Gottschalk, Dasos Sohn, ein Bruder des Vergotus gewesen sein. Ein dritter Sohn des Daso wird den Namen Daso (der jüngere) geführt haben, da der Vater als der ältere Daso bezeichnet wird.
Der Dasonide Gottschalk verbündete sich mit einer slawischen Bande, den Bakariden, deren Stammvater Tributus im Gau Faldara (Kirchspiel Neumünster) gewohnt hatte. Sie selbst wohnten, wie Gottschalk, im Kirchspiel Northorp. Vielleicht ist ihr Sitz nördlich Nortorf an der Langenwedeler Scheide zu suchen, wo der Wennbeck die Grenze zwischen Deutschen und Wenden gebildet haben mag. Die Bakariden raubten und plünderten, wo sie nur konnten und machten die ganze Gegend unsicher. Auf Gottschalks Anraten unterstanden sie sich sogar, Kirchenraub zu begehen, „denn in einer Nacht schlichen sie durch ein niedriges Fenster in die Kirche zu Nortorf und nahmen alles Kirchengerät samt dem Schrein, in welchem die Reliquien des heiligen Martinus (welchem die Kirche geweiht ist) enthalten waren, mit sich fort.“ Auch raubten sie die hölzerne Kirche zu Givenstede (Jevenstedt) aus.
Die gestohlenen Reliquien kaufte die Kirche später für 20 Mark der Bande wieder ab. Die Uebeltaten konnten nicht ungestraft hingehen. Graf Adolf Il. berief eine Volksversammlung nach Lachstide (Lockstedt) und lud zu dieser Gottschalk und den Hauptdieb Hubico, damit sie durch Ueberschreiten glühender Pflugscharen ihre Unschuld erhärten sollten. Die Angeklagten erschienen aber nicht. Auf Vermittelung der Neumünsterschen Geistlichkeit verschob der Graf, wenn auch widerwillig, das Urteil, und auch später, als sich Gelegenheit zum Urteil bot, ließ er sie in Ruhe. Auch angesehene und mächtige Holsten, die anfangs gegen Gottschalk losziehen wollten, beruhigten sich. Die Dasoniden waren eben zu mächtig, und so lebten sie unbehelligt in ihrem Wohnort weiter.
Gottschalk beteiligte sich dann an der Vertreibung der Bakariden, als die Bewohner des Kirchspiels Jagd auf die Räuberbande machten, ja, er tat sich dabei besonders hervor und suchte so die Holstenherren wieder als Freunde zu gewinnen. Leider ist uns die Jahreszahl der Volksversammlung zu Lockstedt nicht überliefert. Sie fällt in die Zeit von 1143—1164. Der Wohnsitz der Herren de Ennigge ist verschollen. Ich möchte ihn an der Bünzau suchen und zwar in der südöstlichsten Ecke von H. Gloys Koppel am Steig nach Böken. Die Ecke bildet einen kleinen Hügel, der durch eine allem Anschein nach künstliche Vertiefung, die aber später wieder etwas eingeebnet ist, von der Koppel abgeschnitten wird. Südlich stößt der Hügel an ein schmales Wiesental, welches vom „Burbek“ durchflossen wird. Bünzau und Burbek waren ehedem viel wasserreicher, so daß der Hügel allem Anschein nach ganz von Wasser umgeben war. Die Annahme, daß hier der Burgplatz zu suchen ist, erfährt ihre Bestätigung dadurch, daß der „Burbeck“ noch 1759 als „Borgbek“ bezeichnet wird[5].
Auch in Bünzen wird eine Ritterfamilie ansässig gewesen sein. Es liegt dort am Fußsteig von Innien auf der Koppel „Bori“, die früher „Borgkamp“, genannt wurde, am Wiesental der Bünzau ein Hügel. Die eine Seite des Hügels begrenzte der Kapellenbach, bevor man ihm eine andere Richtung zur Speisung des Bünzener Mühlenteichs gab, eine Seite stößt an das Tal der Bünzau; die dritte Seite wird von einem bogenförmigen Graben begrenzt. Der Hügel ist bedeutend höher als die anliegende Koppel, was wohl dadurch entstanden ist, daß die Erde aus dem Graben dorthin geworfen wurde. Von der Burg ist heute keine Spur mehr zu entdecken, zumal an der Auseite Erde zur Besserung der Wiesen abgefahren ist. Man will dort Kohlen, Knochenreste und Scherben gefunden haben. Erhalten ist davon nichts. Kleine Nachgrabungen, die ich ausführte, haben auch keine Ergebnisse gehabt. Das Gebäude ist jedenfalls ein Holzbau gewesen. Es hat bei kleinen Ueberfällen den Bewohnern des Dorfes Schutz bieten können, ist vielleicht auch durch seine Lage an der damals wohl schiffbaren Au in der Lage gewesen, eine etwas längere Belagerung auszuhalten.
Solche Adelssitze, wenn man sie so nennen darf, gab es in sehr vielen Dörfern. Sie umfaßten wohl meistens nur einen Bauernhof, der mit besonderen Vorrechten ausgestattet war. Die Bauern mußten zur Instandhaltung hilfreiche Hand leisten und etwas Getreide dorthin liefern, damit im Falle der Not die Burg sich länger halten konnte. Dafür genossen sie zu Zeiten eines Ueberfalles den Schutz, den die Burg bieten konnte.
Ein Adelssitz war auch Bucken. Im Güterverzeichnis des Klosters Neumünster[6], das um 1200 aufgestellt ist, wird ein Nenno von Bucken erwähnt, von dem das Kloster einen Acker in Einfeld gegen einen andern in Remmels (Rameslah) eingetauscht hatte. Man glaubt, daß aus dem letzteren die Besitzung Papenau bei Remmels entstanden ist.
Adelige werden uns aus jener Zeit weiter genannt aus: Geresthorp (Jahrsdorf), Kerleggehusen, Hanstide (Hennstedt), Langwedele, Erpestorpe Godeland, Padenstede, Enenthorpe, Werzebecke (Wasbek), (Arpsdorf), Withorpe, Holtorp u. a.