Archiv:Die Moore (1913)
Die Moore.
Während Homfeld und Innien in den großen Wäldern eine gute Einnahmequelle hatten, war Böken durch seine ausgedehnten Moore mit solchen versehen. Eine Uebersicht über die Moore[1] aus dem Jahre einer zeigt uns das Verhältnis in den einzelnen Dörfern.
Böken, 7⅜ Pflüge.
1. Rethbrocks Mohr hat etwa eine viertel Meile im Umkreis, 5—6 Fuß (tief), ist unbegraben und in gutem stande, hat guten schwartzen Torf. Hieselbst ist eine Glas=Hütte angelegt auf 10 Jahren. Dieses Mohr konte an andere viel abgeben.
2. Winkelsteins Mohr 500 schr. lang 150 schr. breit 5—6 Fuß tief.
3. Schaer Mohr 600 schr. lang 400 schr. breit, unbegraben.
4. Twisbel Mohr 150 schr. lang 150 schr. breit 4—5 Fuß tief.
5. Viert Mohr 200 schr. lang 200 schr. breit 4—5 Fuß tief, sind beide unbegraben.
6. Hadensberg Mohr 50 Ruthen lang 24 breit. Diese Mohre konnten zum Theil an andere abgeben. Die Weyde gehört der Dorfschafft.
Indigen, 4½ Pflüge und 3¼ Pflüge Clösterlich.
1. Heßel Mohr 12 Ruthen lang 12 Ruthen breit, ist unbegraben.
2. Söhren Mohr 30 Ruthen lang 30 Ruthen breit.
Büntzen.
1. Rubenskamp Mohr 60 schr. lang 60 schr. breit, ist vergraben.
2. Hadenbarg Mohr 30 Ruthen lang 24 breit, ist annoch nicht begraben. Die Weyde gehöret der Dorfschaft von diese Mohre.
Homfeldt, 8½ Pflüge 3 Katen.
Homfeldt Mohr 50 schr. lang 50 schr. breit 4 Fuß tief, ist ein gut Mohr, welches sich Johann Ratgen allein zu eignet.
Bargfeldt, 5 Pflüge 2 Katen.
Bargfelder Mohr 700 schr. lang 436 breit, 3 Fuß tief, hat mittelmäßigen Torf und ist wenig begraben.
Somit besaßen alle Dörfer Moor, aber Homfeld, Innien und Bünzen nur in sehr geringer Menge. Heute ist auf diesen Feldmarken nichts mehr davon vorhanden. Auch an den Bökener Mooren sind die verflossenen 175 Jahre nicht spurlos vorüber gegangen. Das Winkelsteinsmoor nehmen heute die Schulkoppeln und die anliegenden Ländereien ein. Das Scharmoor ist ebenfalls abgegraben und in Ackerland verwandelt. Auch das Twisselmoor ist kaum mehr zu erkennen. Auch vom Rethbrocksmoor, oder wie die jetzige Flurkarte sagt „Großen Moor ist ein großer Teil am Rethbrocksweg längst abgegraben. Er wäre mit geringer Mühe in Weide oder Ackerland zu verwandeln. Nicht genannt ist das heutige Kallhornsmoor, das damals jedenfalls noch Sumpf war.
Durch diese Moore war für Böken der Mangel an Wald ausgeglichen. Sie boten eine gute Einnahmequelle. Ihre Nutzung geschah durch Viehweide und Torfgraben. Torfbacken ist hier eigentlich nie von Bedeutung gewesen, sondern man stellte nur Stichtorf her. Die Torfsoden wurden im eigenen Haushalt als Feuerung benutzt, oder auch nach den benachbarten größeren Orten, Neumünster und Itzehoe, zum Verkauf gefahren. Um 1850 fuhren fast alle Bauern aus Böken am Freitag, die kleineren Besitzer im Herbste aber fast jeden Tag, mit einem Fuder Torf nach Neumünster. Heute würde es sich freilich nicht lohnen, aber in jenen genügsamen Zeiten war doch Verdienst dabei. Der Torf war in der arbeitslosen Zeit des Vorsommers von den eigenen Leuten hergestellt, „kostete also fast nichts“ und Fuhrwerk war auch „umsonst“, also erschien der Erlös fast als Reinverdienst. Es ist mir mehrfach von alten Leuten versichert worden, daß die kleineren Besitzer nur durch Torfverkauf die schweren Zeiten nach dem Kriegsjahr von 1814 und die Mißernten in den dreißiger Jahren überstanden hätten. Wer nicht Torf grub und verkaufte, sei bankerott gegangen.
Eine weitere Nutzung des Moores geschah durch das Brennen von Torfkohlen. Noch heute beweisen die vielen ringförmigen Hügel am Südrande des Moores bei Viertshöhe, auf deren Grund noch jetzt Torfkohlen zu finden sind, wie stark der Betrieb gewesen. Es ging dabei ähnlich zu, wie bei der Holzverkohlung. Der trockene schwarze Torf wurde in Haufen aufgeschichtet, mit Soden bedeckt und angezündet. Unter geringem Luftzutritt ging die Verkohlung vor sich. Die gewonnenen Torfkohlen wurden in Säcke gefüllt und gewöhnlich nach Itzehoe und später auch nach Neumünster verkauft. „In allen Schmieden wird mit Torfkohlen gearbeitet. Ja Schmiede, Rothgießer und Juweliere versichern, daß sie lieber mit Torf= als mit Holzkohlen arbeiten“[2].
Die Kohlensäcke wurde zu zwei Salztonnen gerechnet. Ein Sack Kohlen kostete 1800 in Böken 20—32 ß[3], während die Holzkohlen etwa 1 Rthlr. kosteten. Das Verkohlen des Torfes war viel einfacher als die Holzköhlerei. Es waren dabei weniger Mann erforderlich und die Gefahr des Verbrennens bestand kaum dabei. Die Torfverkohlung bildete somit eine nicht zu unterschätzende Einnahme für die Bökener Bauern, und es wird uns berichtet, daß um 1790 ein Bauer über hundert Mark jährlich daraus gewonnen habe[4].
In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde hier noch Torf verkohlt. 1856 hat der 1910 verstorbene Johann Steuermann noch einen Weiler abbrennen lassen. Die Preise waren aber bedeutend gesunken, sodaß nur 5—6 Schilling für den Sack Kohlen bezahlt wurden. Die Steinkohle war auch Herr über diesen Industriezweig geworden. Nach 1860 sind hier keine Torfkohlen mehr gewonnen.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts machte man einen Versuch, das große Moor bei Viertshöhe industriell auszubeuten. Es wurde damals auf dem sogen. Glasviert eine Glashütte errichtet. Die Stelle der Brennöfen ist noch heute deutlich im Ackerboden erkennbar und befindet sich hinter den Gärten der Viertshöher Arbeiterwohnungen. Glasschlacken und grünliche Glasscherben bezeichnen die Stätte, und auch am dunkleren Boden erkennt man sie sofort. Glasschlacken waren dort früher so häufig, daß man sie in Böken vielfach zur Einfriedigung von Blumenbeeten in den Gärten benutzte. Auf dem Torfmoorviert“ und auf Reimers „Rühmlandsbarg“ sollen die 12 Katen, die Gärten und Brunnen der Glasbläser gewesen sein. Alte Leute haben dort noch die mit Wällen eingefriedigten kleinen Gärten gesehen[5].
Die vorstehende Uebersicht über die Moore erwähnt die Glashütte und ebenso nehmen die Schulakten um 1740 Rücksicht auf ihr Vorhandensein. Sie hatte auf 10 Jahre die Berechtigung zur Nutzung des Moores. Die Bökener Bauern hatten Anteil an der Glashütte. „Anlangend die zu Böken belegen Glaß=Hütte so hat Käuffer seinen Antheil daran, was nach diesen davon kömbt, es sei Gewinn oder Verlust“[6]. Die Glashütte heizte ihre Oefen nur mit Torf, und sie ist wohl in jener Zeit die einzige gewesen, die das tat.“[7] Sie beschränkte sich auf die Herstellung grüner Glaswaren. Diese waren von guter Beschaffenheit[8] und standen, wie die Scherben zeigen, umserm heutigen Weinflaschenglas nicht nach.
„Die Glashütte dauerte indessen nur wenige Jahre, nach deren Verlauf der Glasermeister Schulden halber davon ging. Hieran war aber nicht der Mangel an Feuerung, oder des Absatzes der Waaren, auch nicht die zu kostbare Anschaffung der zur Betreibung des Werks nöthigen rohen Materien, sondern lediglich (wie mich bereits vor vielen Jahren alte Leute, die der Sache kundig waren, versicherten) die schlechte Aufsicht des Glasenmeisters über seine Leute und die verschwenderische Lebensart derselben die Schuld und Ursache. Hiervon ließe sich freilich noch vieles vorbringen"[9]. Leider hat Domeier es versäumt, mehr davon aufzuzeichnen. Die mündliche Ueberlieferung berichtet dazu, daß die Glaser von den Bauern vertrieben seien[10], und das ist wohl möglich. Ihren Aerger über die Glashütte kann man sich vorstellen, wenn man bedenkt, daß sie statt erhofften Gewinn zu erhalten, für nichts und wieder nichts ihr schönes Moor hingegeben und wohl auch noch bar Geld zugesetzt hatten.
Fußnoten
- ↑ Staatsarchiv zu Schleswig. Acta B. III 2. 37.
- ↑ Prov. Berichte. 1812.
- ↑ Langhein, a a. O.
- ↑ Domeier in Prov. Berichten. 1790.
- ↑ Mündl. Mitteilung v. * Jürg. Lobsien.
- ↑ Hufenkontrakt von 1754.
- ↑ Altes Kontraktenbuch von Nortorf.
- ↑ G. Hansen: Das Amt Bordesholm. S. 123.
- ↑ Domeier in Prov. Berichte. 1787. IV. 454.
- ↑ Domeier in Prov. Berichte. 1787. IV. 454.