Archiv:Die erste kirchliche Nachricht über den Aukrug (1913)
Die erste kirchliche Nachricht
Über den Aukrug ist uns aus der Zeit um 1140 überliefert. Es ist das etwa 15 Jahre, nachdem Vicelin von Meldorf durch holsteinische Adelige nach Neumünster berufen wurde (1126). Zur Reise hat er wohl den später als Lübsche Trade bezeichneten Weg über unsere Dörfer benutzt. Es ist anzunehmen, daß er auf seiner Durchreise überall gepredigt, besonders aber da, wo Markrad, der Führer jener Adeligen, Freunde hatte, zur Gründung von Bethäusern oder Kapellen Anregung gegeben hat. So mögen die später genannten Kapellen in Glüsing und Innien entstanden sein, vielleicht sind sie, wenigstens die letztere, späteren Ursprungs.
Die von Ebo von Rheims und Ansgar um 817—860 ausgestreute Saat des Christentums war durch die Wendenstürme gänzlich vernichtet, fast ganz Holstein war wieder heidnisch geworden, und in Hainen und an Quellen wurden wieder die alten Götter verehrt und ihnen blutige Opfer gebracht. Alles kirchliche Leben war vernichtet. Nachdem Graf Adolf l. seit 1111 Holstein die Ruhe wiedergegeben hatte, bekam 1123 das Hamburg- Bremer Erzbistum, zu dem auch Holstein gehörte, in Adalbero (Adalbert Il.) einen tüchtigen Erzbischof, der mit kräftiger Hand die kirchlichen Angelegenheiten des Landes ordnete. Eine um 1140 ausgestellte und vor 1168 von Adelberos Nachfolger Hartwig bestätigte Urkunde[1] bezeugt uns, daß er das Hamburger Domkapitel wieder herstellte und ihm Zehnten aus holsteinischen Dörfern überwies. Zu diesen Dörfern gehören Ennege, Bunzinge und Berchvelde (Innien, Bünzen und Bargfeld). Sie werden ausdrücklich als zum Kirchspiel Heiligenstedten gehörig bezeichnet.
Bald nachdem ist das große Kirchspiel Heiligenstedten in kleinere Kirchspiele geteilt. 1164 wird in Wilster eine Kirche gebaut. 1154 war in Kellinghusen, wo schon Ansgar eine Kapelle errichtet haben soll, eine Kirche entstanden. Um diese Zeit finden wir auch in Nortorf eine Kirche[2], die aber von Schenefeld aus gegründet sein soll. Zu ihr kamen auch unsere von Heiligenstedten losgelösten Dörfer. Ich möchte annehmen, daß die Entstehung der Nortorfer Kirche in die Zeit des Heerlagers Heinrichs des Löwen bei Heikenbuttle (1148) fällt. Schröder und Biernatzki vermuten darin einen Ort nördlich Kellinghusen, Hasse: Schlesw.- Holst. Urkundensammlung[3] dagegen Egenbüttel im Kirchspiel Rellingen. Viele Forscher, z. B. Seestern- Pauly, nennen Heinkenborstel als den Ort. Ich möchte mich auch für die letztere Annahme entscheiden, oder, da Nindorf früher an anderer Stelle lag, wie Flurnamen beweisen, mag dieses den verschwundenen Namen getragen haben. Die Gegend von Nindorf- Heinkenborstel stimmt jedenfalls auch zu Schröders Angabe. Ich möchte glauben, daß Heinrich der Löwe, der aus Ditmarschen kam, über Hohenwestedt nach Nortorf ziehen wollte, seine Macht den dort wohnenden unruhigen Wenden zu zeigen und dann über Neumünster und Segeberg seinen Weg durch das neue Siedelungsland der Holsten nahm. Einen so günstigen Augenblick zur Kirchengründung finden wir nicht in anderer Zeit.
Nortorf war ein Grenzkirchspiel, Wenden und Deutsche stießen aneinander, ja wohnten durcheinander, sind doch Klein-Vollstedt und Krogaspe unzweifelhaft als wendische Dörfer anerkannt. Nortorf wurde nun für kurze Zeit Mittelpunkt kirchlicher Propaganda, soweit sie nicht vom Neumünsterschen Kloster und dem Bornhöveder Adel ausging, sondern, auf Schenefeld fußend, mehr westholsteinischen Ursprungs war. Nicht lange blieb es in dieser Vorpostenstellung. In das menschenarme Gebiet bis an die Eider drangen die Holsten vor und bald wurde die Reinoldsburg (Rendsburg) gegründet. Damit war für das weitere Vordringen der deutschen Kultur und des Christentums ein fester Stützpunkt gewonnen; Nortorf hätte einen solchen nach seiner ganzen ungeschützten Lage nicht geben können. „Nur eins ist Nortorf aus dem Jahrhundert seiner größten Bedeutung geblieben; hier liefen im Norden der Grafschaft die wichtigsten Straßen zusammen, von Rendsburg nach Neumünster, von Itzehoe nach Kiel, und selbst über die Königsfurt von Eckernförde her[4].
Ein weites, aber dünn bevölkertes Gebiet umfaßte dies Kirchspiel. Es stimmten die Kirchspiele durchweg mit den weltlichen Verwaltungsbezirken (Vogtei, Gobezirk, Hundertschaft) überein. „Auch das große Nortorfer Kirchspiel scheint nicht mehr als 120 (ein Großhundert) Hufen umfaßt zu haben[5]). Die weiten Heide- und Waldgebiete und der magere Boden bedingten eine geringe Bevölkerung. Der Anteil des Einzelnen an der Feldmark, die Hufe, mußte dafür von bedeutendem Umfang sein. In die Hufenzahl nicht eingerechnet wurden von vornherein die Teilhufen, Halbe, Drittel u. s. w., die bei der Nutzung der Dorffeldmark stark beschränkt waren. Soweit aber keine Beschränkung stattfand, zählten auch diese Besitzungen bei Berechnung der Hundertschaft mit. Die weiterhin erwähnte Urkunde über die Einkünfte der Nortorfer Kirche gibt 138 zehntpflichtige Hufen an. Sie zeigt uns, daß das Kirchspiel in katholischen Zeiten sich noch weiter nach Norden erstreckte und auch Pohlsee, Blocksdorf und Emkendorf, die jetzt zu Westensee gehören, sowie die Bordesholmischen Dörfer Rumor und Blumenthal umfaßte.
Die Kirche war dem heiligen Martin geweiht, dessen Bild auch das heutige Kirchensiegel zeigt, das von 1631 stammt. Ein erst kürzlich entdeckter Abdruck des älteren Siegels zeigt das Bild in etwas anderer Form.