Archiv:Pflichtjahr und Flakhelferinneneinsatz der jungen Mädchen
Pflichtjahr, RAD- und Flakhelferinneneinsatz der jungen Mädchen
von Liesbeth Asmus
Der Jahrgang 1926 hatte die Schule im März 1943 beendet. Am 1. April mußten wir entweder zum Bauern oder in eine kinderreiche Familie ins Pflichtjahr gehen. Danach hätte man eine Lehre beginnen können. Bei der Berufsberatung wurde mir gesagt, man würde mich nach meinem 18. Geburtstag zum Reichsarbeitsdienst einziehen. Ich bin freiwillig ein halbes Jahr früher gegangen.
Am 15. 04. 1944 mußten wir uns in Dömitz an der Elbe zum Reichsarbeitsdienst melden. Unser RAD-Lager war eine alte, mit einem Wassergraben umzogene Festung. Wir wurden im Außendienst eingesetzt. Morgens fuhren wir mit dem Fahrrad in die Umgebung. Wir haben unter an derem den Bauern bei der Heuernte oder im Kindergarten geholfen. Alte und kranke Personen mußten betreut und gepflegt werden. Da Brennmaterial knapp war, durften immer sechs Mädchen in den Wald, um Holz und Busch zu sammeln. Um den Ziehwagen schneller vollzubekommen, wurden auch mal kleine Bäume abgesägt. Den Rest des Tages haben wir dann in der Sonne gesessen und die Freizeit genossen.
Am 15. Oktober wurden wir zum Flakstützpunkt Buchholz bei Hannover versetzt. Hier waren wir ein halbes Jahr als Flakhelferinnen tätig, aber es kam nie zu einem Einsatz. Jeden Tag gab es Fliegeralarm. Unsere zusätzliche Ausrüstung war ein Helm und ein viel zu großer Wehrmachtsmantel. Das Angriffsziel der alliierten Bomber war die einige Kilometer entfernte Öl-Raffinerie Hannover-Miesburg.
Auf den zugefrorenen Bombentrichtern in unserer Nähe haben wir geglitscht. Am 29. November gingen um die Mittagszeit 12 Bombenteppiche auf die Flakstellung nieder. Es gab Tote und Verwundete. Wir hatten Glück. Den Rest des Nachmittags haben wir in der Sonne gestanden und uns Gedanken über diesen sinnlosen Krieg gemacht. Wir hatten begriffen, daß die Bombenangriffe auf die Bevölkerung ebenso gefährlich waren wie die Kampfhandlungen der Soldaten in den Frontstellungen.
Am späten Nachmittag durften wir wieder in unsere Unterkunft. Wir haben unsere persönlichen Sachen in den Koffer gepackt und sind nichts wie weg aus diesem Ort. „Aber wohin?" Wir sind in einer Gaststätte in Isernhagen gelandet. Ich erinnere mich, daß hinter dem Haus eine Mühle stand. Nach so einem Angriff standen uns acht Tage Urlaub zu, den wir uns erkämpfen mußten, weil die Führung ihn nicht gewähren wollte. Aus dem Urlaub zurück, kamen wir in eine Baracke nach Kirchrode.
Im Januar 1945 mußten wir wieder unsere Koffer packen. Diesmal ging es mit dem Zug über Prag nach Wien. Baden bei Wien war unser neues Domizil. Bei Fliegeralarm durften wir im Waldgebiet des Helenentals spazierengehen.
Im April hieß es zurück nach Hannover. Wir fuhren über Wien, Prag, Berlin. In Berlin fuhr kein Zug mehr. Dann ging es nach Dresden zurück, doch umsonst, also ging es wieder nach Berlin. Das war ein großes Durcheinander. Unterwegs waren wir zu dem Entschluß gekommen, nicht nach Hannover zu fahren, sondern gleich nach Hause. In Berlin hatte ich Glück, erwischte einen Zug über Ludwigslust nach Hamburg.
„Gott sei Dank, zu Hause!" Da man Lebensmittelkarten brauchte, habe ich mich in Itzehoe gemeldet, doch da verwies mich die Meldestelle nach Stade. Mein Vater und ich haben uns nicht darum gekümmert, und so bin ich eben ohne Lebensmittelkarten zu Hause geblieben, und das war richtig so. Der Krieg war endlich aus!