Archiv:Schweinezucht- und Absatzgenossenschaft
Schweinezucht- und Absatzgenossenschaft
Die in Innien um die Zeit der Jahrhundertwende gegründete Schweinezucht- und Absatzgenossenschaft stand in enger geschäftlicher Verbindung mit der Geschäftsstelle der Landwirtschaftskammer am Hamburger Schlachtviehmarkt, durch die schon 1897 erstmalig Schlachtvieh gemeinschaftlich am Hamburger Markt verkauft wurde. Der Genossenschaft oblag die Durchführung einer einheitlichen Zucht, durch die den besonderen Anforderungen des Hamburger Marktes weitestgehend entsprochen werden sollte. Es sollte ein möglichst gleichartiges Mastprodukt dem Käufer angeboten werden. Man hoffte, auf diesem Wege einen besseren Preis zu erzielen. Das waren die ersten Anfänge eines größeren geschlossenen genossenschaftlichen Angebots - wie es heute über Erzeugergemeinschaften für Ferkel und Mastschweine in engster Zusammenarbeit mit der genossenschaftlichen Viehzentrale / Nordfleisch Hamburg sichergestellt wird. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn der Begründer der Hamburger Schlachtviehverkaufsstelle der Landwirtschaftskammer, Ökonomierat Carl Petersen, Eutin, am 4.1.1900 in einem Rückblick auf die Entwicklung des gemeinschaftlichen Schlachtviehverkaufs folgendes schreibt:
„In Innien hat sich schon seit längerer Zeit eine Schweinezucht- und Absatzgenossenschaft gebildet, die auch den günstigsten Absatz der Schweine zu fördern, in ihre Tätigkeit aufgenommen hat. Mit dieser Genossenschaft steht unsere Geschäftsstelle in direkter Verbindung. Die Bildung solcher Genossenschaften ist überall dort, wo die Verhältnisse einigermaßen günstig dazu liegen, zu empfehlen. Durch die einheitliche Zucht und die anschließende gemeinschaftliche Absatzvermittlung über die Geschäftsstelle der Landwirtschaftskammer erhalten die Mitglieder der Genossenschaft erst den vollen Lohn ihrer Zuchtbestrebungen. Dieser Wechselwirkung wegen sollten Produktions- und Absatzbestrebungen bei den Landwirten stets Hand in Hand gehen."
Darüber hinaus hat die Zucht- und Absatzgenossenschaft den Versand von Schlachtschweinen an Märkte außerhalb Schleswig-Holsteins und Hamburgs frühzeitig organisiert und mit Erfolg durchgeführt. Dieser sog. Versand nach dem Süden führte zu einer Entlastung des Hamburger Marktes. Auch die Hamburger Geschäftsstelle der Landwirtschaftskammer bediente sich dieses Absatzweges. Da sie aber als eine Einrichtung der Landwirtschaftskammer nur als Vermittlerin tätig werden durfte, - ohne Übernahme eines eigenen Risikos - hatte sich die Zucht - und Absatzgenossenschaft Innien, die die Verhältnisse an den fremden Märkten durch ihre langjährigen Geschäftsbeziehungen bestens kannte, bereit erklärt, das für die Kammergeschäftsstelle aus diesem Schweineversand resultierende Delkredere zu übernehmen. Ökonomierat Petersen schloß seinen Bericht wie folgt:
"Auch um diesen direkten Versand von Schweinen an fremde Märkte weiter zu fördern, ist die Bildung von Absatzgenossenschaften erforderlich, da der einzelne Produzent sich auf ein solches Risiko nicht einlassen kann.“
Auch Claus Gloy nimmt in einem seiner Vierteljahresberichte an die Landwirtschaftskammer auf die Arbeit der Zucht- und Absatzgenossenschaft Bezug. Er schreibt unter dem 8.1.1899 wie folgt:
„Die Schweinepreise sind immer noch recht niedrig. 34 M per Ctr . Lebendgewicht wird hier von den Händlern gezahlt; während aber die meisten Schweine von der Genossenschaft hier durch die Verkaufsstelle der Landwirtschaftskammer in Hamburg abgesetzt werden.“
Die Schweinezucht - und Absatzgenossenschaft Innien hat bis in die jüngste Zeit hinein als „Viehverwertungsgenossenschaft Innien“ bestanden und erfolgreich gearbeitet, bis ihr Aufgabengebiet von dem für die genossenschaftliche Viehzentrale / Nordfleisch tätigen Vertrauensmann übernommen wurde .
Unterlagen über die Geschäftstätigkeit dieser Schweinezucht- und Absatzgenossenschaft sind leider nicht mehr vorhanden. Über ihr verdienstvolles Wirken erfuhren wir lediglich aus dem Bericht des Verbandssekretärs Jipp (Seite 61 ), den Ausführungen des Ökonomierats Carl Petersen und unseres Amtsvorstehers Claus Gloy.
Zusätzlich wissen wir noch aus einem Protokollvermerk des Bauer Jhs. Harder, Bargfeld, daß Detlef Ratjen, Bargfeld, von 1896 - 1946 - also runde 50 Jahre - Vorsitzender und Geschäftsführer der Schweinezucht- und Absatzgenossenschaft Innien" war.
1946 schied er aus Altersgründen aus beiden Ämtern aus. Mit diesem Hinweis vollzieht sich für uns ein Brückenschlag aus der Zeit vor der Jahrhundertwende bis in die jüngste Vergangenheit: Detlef Ratjen, Bargfeld, als Veteran d~s genossenschaftlichen Viehabsatzes - Mitarbeiter und Weggenosse des alten Ökonomierat s Carl Petersen, Eutin, - Vorsitzender und Geschäftsführer jener Viehverwertungsgenossenschaft für Innien und Umgebung", die 1928 in die Fußstapfen der früheren "Schweinezucht- und Absatzgenossenschaft" trat, deren Geschäftsgrundlagen modernisierte und das in Aukrug genossenschaftlich erfaßte Schlachtvieh (Schweine, Rinder und Kälber) einheitlich und geschlossen am Hamburger Markt verkaufte. Am 6. November 1928 gründeten 18 Bauern aus dem Aukrug und den benachbarten Dörfern die vorgenannte Viehverwertungsgenossenschaft , die fast ein halbes Jahrhundert den Viehabsatz der angeschlossenen Mitglieder maßgeblich beeinflußte.
Über den Gründungsvorgang fügen wir eine Ablichtung des vom Oberrevisor des Verbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften, Kiel, verfaßten Protokolls bei. Detlef Ratjen wurde zum Vorsitzenden gewählt; ihm wurde gleichzeitig die Geschäftsführung übertragen. Sein Name steht auch unter der Lfd. Nr. 1 der ebenfalls beigefügten Liste der Gründungsmitglieder. Als wenige Monate später in Kiel die Hauptviehverwertungs-Genossenschaft e. G. m.b.H. , Kiel, als zentralgenossenschaftlicher Zusammenschluß aller schleswig-holsteinischen Viehverwertungsgenossenschaften gegründet wurde, wählte man Detlef Ratjen in den Vorstand dieser Zentrale.
Er war von der Notwendigkeit einer umfassenden Selbsthilfe für eine Verbesserung des Viehabsatzes so sehr überzeugt, daß er seinen Mitgliedern im Aukrug bei der Beratung der Satzungsbestimmungen sogar die Annahme und Anerkennung eines Lieferzwanges empfahl, über den im § 14 Ziffer 7, 8, 9 und 10 folgendes vereinbart wurde:
"Jedes Mitglied hat die Pflicht:
...7. alle bei der Genossenschaft angemeldeten Tiere auch tatsächlich zu liefern;
8. das von der Mitgliederversammlung festgesetzte Strafgeld für Verstöße gegen Ziffer 7 und gegen die Geschäfts- und Lieferungsordnung sofort zu entrichten;
9. alle Schlachtschweine, soweit sie nicht im eigenen Haushalt verwertet werden, durch die Genossenschaft verwerten zu lassen;
10. je ha landwirtschaftliche Nutzfläche einen verlorenen Baukostenzuschuß in Höhe von 5 RM einzuzahlen, der zur sofortigen Abschreibung auf die Anlagewerte Verwendung finden soll."
Dabei ließ sich der Vorstand der neuen Genossenschaft von der Auffassung leiten, daß der Bauer im Kampf um den sicheren Absatz seiner Erzeugnisse nicht nur Rechte fordern darf, sondern auch Pflichten zu übernehmen bereit sein muß, wie es hinsichtlich der Milchlieferungspflicht seit mehr als 10 Jahren in den Meiereigenossenschaften der Aukrugdörfer satzungsmäßig in gleicher Weise geordnet war. Zwei Beispiele standen dem Vorstand als nachahmenswert vor Augen:
1. Im Jahre 1928 hatte die Landwirtschaftskammer über ihre Verkaufsstelle am Hamburger Markt, mit der die Aukrugbauern über ihre alte Zucht- und Absatzgenossenschaft seit Jahrzehnten verbunden waren, 9,4 % des Gesamtauftriebes = 62.000 Schweine in fester Hand ; eine gute Leistung - und doch nicht ausreichend.
2. Die vor wenigen Jahren gegründete mit Lieferverpflichtung ausgestattete Viehverwertungsgenossenschaft Meldorf verwertete im gleichen Geschäftsjahr allein mehr als 33.000 Schweine = 4.760.000 RM. Es lohnte sich schon, an den Grundsätzen einer geschlossenen und straffen Marktorganisation festzuhalten, wenn es gilt, den Auftrieb und Verkauf auf großen preisbestimmenden Märkten unter die Kontrolle der Landwirte zu bringen.
Im Gründungsprotokoll steht ausdrücklich vermerkt, daß die Pflichtlieferung einstimmig beschlossen wurde. 1936 wurde erneut über diese Satzungsbestimmung verhandelt. Sie blieb in vollem Umfang in Kraft.
Leider fehlen aus den ersten Jahren der Entwicklung der Genossenschaft nähere Angaben über die jährlichen Umsätze. Erst nach 1935/36 kann fortlaufend über die Umsatzentwicklung berichtet werden. Beachtlich sind die jährlich an die Mitglieder ausgeschütteten Rückvergütungen.
Umsätze und Rückvergütungen
Jahr | Umsatz: RM/DM | Rückvergütung: DM |
---|---|---|
1935 | 265.838 | |
1936 | 284.664 | |
1951 | 714.560 | 4.466 |
1953 | 640.700 | 3.710 |
1955 | 781.448 | 1.710 |
1956 | 974.999 | 1.593 |
1957 | 1.004.000 | 1.004 |
1959 | 1.058.231 | 2.420 |
1961 | 843.465 | 1.896 |
1965 | 856.000 | 1.832 |
1967 | 240.000 | 488 |
1968 | 380.000 | 625 |
1946 wurde Detlef Ratjen nach 50jähriger erfolgreicher und mühevoller Tätigkeit verabschiedet. Joh. Harder, der Vorsitzende des Aufsichtsrates, dankte ihm für seine Arbeit: für den Aufbau in den Jahren um die Jahrhundertwende und für die Neugestaltung des Viehabsatzes nach 1928. Auf der von ihm geschaffenen Grundlage war es wenige Jahre später möglich, den genossenschaftlichen Viehabsatz so zielstrebig auszubauen, daß schon 1957 ein Umsatz von mehr als 1 Mill. DM gegeben war; d. h. im genossenschaftlichen Viehabsatz erreichten die Bauern der Aukrugdörfer einen Umsatzwert, der der Summe der jährlich von den Meiereien Homfeld, Bargfeld und Innien ausbezahlten Milchgelder entsprach. Bei diesem Vergleich bleiben die Viehumsätze der Bauern außerhalb des Aukrugs unberücksichtigt. Diese Leistung verdient schon deshalb besonders hervorgehoben zu werden, weil sie in engem Verbund mit der Viehzentrale in Hamburg-Altona (ursprünglich Hauptviehverwertungs-Genossenschaft; dann Schleswig-Holsteinische Viehverwertung) auf der Basis einer stärkeren Zusammenfassung der Angebotsmengen ohne besondere Anlagewerte und mit niedrigstem Kostenaufwand sichergestellt werden konnte. Im Landesdurchschnitt war es erst 20 Jahre später (1977) möglich, die Umsatzwerte des genossenschaftlichen Viehabsatzes auf die Höhe der jährlichen Milchgeldauszahlungen der schleswig-holsteinischen Meiereigenossenschaften zu steigern.
Doch nun zurück zu den geschäftlichen Verhältnissen d er V.V.G. Innien:
Nach dem Ausscheiden von Detlef Ratjen wurden Hans Behrens, Bargfeld, zum Vorsitzenden und Rud. Carstens, Bünzen, zum Geschäftsführer gewählt. Als Vertrauensmann der Viehverwertung war schon seit einigen Jahren Heinr. Wiese Innien tätig.
1954 wurde die Einrichtung eines Notschlachtbetriebes in Verbindung mit der Viehzentrale Hamburg-Altona geplant. 1957 wurde darüber berichtet, daß die Preisgestaltung am Hamburger Markt Sorgen bereitete. Die Schweinenotierungen schwankten zwischen 0, 95 DM – 1,02 DM je 100 Pfd. Schwierigkeiten entstanden dadurch, daß Preisabsprachen der Käufer bereits vor Marktbeginn vorgenommen wurden. Um das zu unterbinden, müßte der Marktanteil der genossenschaftlichen Viehverwertung über die bisher erreichte Quote von 30 % hinaus noch weiter steigen. Es wurde dringend empfohlen, nicht nur zweitklassige Ware an den Hamburger Markt zu bringen und die besten Tiere etwa dem Viehhändler zu verkaufen; - ein Hinweis, der zu der Randbemerkung Anlaß gibt, daß zu dieser Zeit die Bestimmungen über die Pflichtlieferung (§ 14, Ziff. 7) nicht mehr mit letzter Konsequenz praktiziert wurden.
1968 mußte der verdienstvolle alte Vertrauensmann der V.V.G., Heinrich Wiese, aus Krankheitsgründen ausscheiden. Einstimmig wurde sein Sohn, Hans Wiese, zu seinem Nachfolger gewählt. 1970 wurde dann die Auflösung der Genossenschaft beschlossen, da im Bereich der genossenschaftlichen Viehverwertung unseres Landes grundlegende strukturelle Veränderungen durch die genossenschaftlichen Schlachtanlagen der Nordfleisch AG in Bad Bramstedt, Lübeck, Schleswig und Husum eingetreten waren, so daß nunmehr eine direkte Zusammenarbeit der Landwirte unserer Aukrugdörfer über die von der Schleswig-Holsteinischen Viehzentrale eingesetzten Vertrauensmänner mit dem Schlachthofbetrieb möglich war.
Als Liquidatoren der Viehverwertungsgenossenschaft wurden die Mitglieder Heinrich Voß, Heinkenborstel, und Christian Grafe, Mörel, gewählt.
Unsere Aukrugdörfer haben durch ihre jahrzehntelange vorbildliche Arbeit auf dem Gebiet der genossenschaftlichen Verwertung von Schlacht- und Nutzvieh mit dafür Sorge getragen, daß aus der zusammengefaßten wirtschaftlichen Macht der Viehzentrale und Nordfleisch AG die vorerwähnten Schlachthofbetriebe entstehen konnten. Sie sind heute der sicherste Garant für eine marktgerechte Verwertung des Schlachtviehs unserer einheimischen Landwirtschaft.
In diesem Zusammenhang nur noch ein kurzer Hinweis auf die derzeitigen Leistungen der genossenschaftlichen Viehverwertung im erweiterten Raum des Aukrugs: Der Erfassungsbezirk des Vertrauensmannes Hans Wiese deckt sich mit dem Raum der früheren Viehverwertungsgenossenschaft Innien. Er umfaßt die Aukrugdörfer mit den Nachbardörfern Heinkenborstel, Nindorf, Bucken, Rade, Mörel, Arpsdorf, Sarlhusen, Hennstedt, Padenstedt und Wasbeker Moor. Es wurden erfaßt und über die Schleswig-Holsteinische Viehzentrale bzw. die Nordfleisch AG verwertet:
Jahr | Schweine | Rinder | Futtervieh | Kalbtiere | Kälber |
---|---|---|---|---|---|
1967 | 7.115 | 1.400 | |||
1977 | 10.000 | 2.000 | 1.400 | 100 | 370 |
Der letztjährige Umsatz von 13.870 Tieren entspricht einem Wert von mehr als 7 Millionen DM.