Klein Paris

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Auf dem Boxberg wurde nach dem Zweiten Weltkrieg getanzt

Nicht nur Fuchs und Hase sagen sich am Boxberg Gute Nacht, in der Nachkriegszeit wurde hier die Nacht auch zum Tage gemacht. Von 1948 bis 1954 befand sich östlich des Gipfels an einer Weggabelung, die damals noch nicht bewaldet war, eine Tanzfläche.[1]

Diese wurde als Klein Paris oder Boxberghalle in einer Zeit bekannt, als die Jugend sich nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges nach unbeschwerten Vergnügen und Amüsement sehnte. Der Geheimtipp am Boxberg wurde schnell zu einem beliebten Treffpunkt für junge Leute. Hier gab es Musik, Platz zum Tanzen und natürlich auch den passenden Ausschank.

An den Wochenenden schwang man das Tanzbein zu den damals üblichen Rhythmen: Swing, Samba und Tango waren inspirierende Neuerungen neben den üblichen traditionellen Standardtänzen und die älteren Bäume könnten sicher die eine oder andere Geschichte hierzu erzählen. Im Sommer 1949 fand das jährliche Homfelder Vogelschießen auf dem Gelände der Boxberghalle statt.[2]

1954 nahm das Vergnügen dann ein jähes Ende: Das Lokal flog auf und wurde von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß stillgelegt. Seitdem herrschte wieder Ruhe im Wald.

Walter Isernhagen (Jahrgang 1941) beschreibt die Geschichte 2003 in seinen Kindheitserinnerungen: Mit dem Bau der Boxberghalle hatten die durch die DM entfesselten Kräfte der wiederbelebten Wirtschaft auch das abgeschiedenen Homfeld erreicht. Als einer der Höhepunkte unternehmerischen Schaffens und Gründungsdrangs wuchs, landschaftlich schön auf dem Boxberg am Waldrand gelegen, aus Fichtenholz eine Bude, deren Bezeichnung als "Halle" über die Ausmaße hinwegtäuschte. Aber immerhin, hier konnte man an den Wochenenden auf Holzbänken an Holztischen sitzende, endlich wieder frei verfügbare Getränke wie Bier, Brause und Korn genießen und die Waldluft mit dem Duft deutscher Zigaretten Marke "Juno" (lang und rund), "Eckstein" oder "Overstolz" anreichern. Die Boxberghalle lockte mit bis dahin ungeahnten Lustbarkeiten: Einer Tanzfläche aus Holzbohlen unter freiem Himmel, bunten Lichterketten und schmissiger Tanzmusik, die einem Grammophon mit Trichter mit Hilfe von Stahlnadeln und Schellackplatten entlockt wurde. Dabei kam man sich menschlich näher, und waren sich die Paare einig, das man handgemein werden sollte, schlugen sie sich seitwärts in die nahe Heide oder den Wald. Kurzrum: Es entstand ein Sündenbabel auf verträumten Homfelder Dorfboden, das seine Anziehungskraft auch auf die Bewohner der umliegenden Dörfer ausübte. Der aus Ostpreußen stammende Kantinenwirt Liedtke betrieb die Boxberghalle, ein ertragreicher Claim in den Goldgräberjahren der jungen Bundesrepublik, bis Anfang der 50-er Jahre, bis der Neid der Gastwirte der umliegenden Dörfer, kaum erfüllbare Auflagen der Behörden nach gesonderten sanitären Einrichtungen und der zu häufige Griff zur eigenen Flasche dem munteren Treiben ein Ende setzten.

Einzelnachweise

  1. Detlef Ratjen begeistert von Natur und Artenvielfalt ©2021 sh:z
  2. Walter Isernhagen. Das Tal der Osterhasen - Bericht einer Kindheit auf dem Lande, Seite 79