Datei:Kriegsgefangene Rund um NMS Courier 19890107 Seite13.jpg

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Beschreibung

Holsteinischer Courier vom 7. Januar 1989, Für jeden Gefangenen fünf Kubikmeter Luft, Tausende russische Kriegsgefangener arbeiteten im Ersten Weltkrieg rund um Neumünster, Seite 13, von Christian Trutschel

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Seite 12 NEUMÜNSTER Sonnabend, 7. Januar 1989 — Nr. 6

Tausende russischer Kriegsgefangener arbeiteten im Ersten Weltkrieg rund um Neumünster Für jeden Gefangenen fünf Kubikmeter Luft viele Spuren haben sie nicht hin-terlassen. Von den Tausenden russischer Kriegsgefangener, die während des ersten Weltkrieges und im Jahr danach rund um Neu-münster Schwerstarbeit verrichtet ha-ben, ist nicht viel mehr übrig geblieben als ein paar Gräber und ein paar Na-men, die an sie erinnern. So heißt auch nach der offiziellen Umbenennung Das Lager Wittorferfeld befand sich etwa dort, wo heute der ausgedehnte Rast- durch Neumünsters Ratsversammlung platz an der B 4 zwischen Neumünster und Brokenlande liegt. der Padenstedter Weg zwischen der B 4 und der Gemeinde Padenstedt bei den ' Bewohnern der Gegend Russenweg —wie schon die Jahrzehnte davor. Es gab zwischen 1915 und 1919 min-destens drei Kriegsgefangenen-Lager in der Umgebung von Neumünster, in denen Russen untergebracht waren. Eines lag in Wittorferfeld, etwa an der Stelle, wo sich heute der Rastplatz an der B 4 nach Brokenlande ausdehnt. Von hier aus wurden die Gefangenen vor allem zu Feldarbeiten eingesetzt. „Russengräben" nannte der Volks-mund die vielen Dränagegräben, mit denen die Gefangenen den nassen Bo-den in der Gemarkung Wittorf trok-kenlegten. Alle drei Lager um Neumünster ent-„Meliorationsarbeiten” hieß die Tätigkeit der Gefangenen. Immer unter Aufsicht standen schon im Frühjahr 1915, sie-wurden sie besonders in der Landwirtschaft zur Kultivierung zukünftiger Anbauflä- ben Monate nach Beginn des ersten chen eingesetzt. Auch die Forstwirtschaft setzte kriegsgefangene Russen ein. Von Weltkieges. So auch das größte in Was-ihnen wurde zum Beispiel der Forst lloo bei Neumünster aufgeforstet. bek. Am 5.März meldete die „Kreiszei-tung" dort die bevorstehende Ankunft ittorterteld von 3000 Kriegsgefangenen: „Viele Handwerker sind gegenwärtig mit der Herstellung der Unterkunftsräume in Anspruch genommen. Für die Unter-bringung der Kriegsgefangenen wer-den sechs Baracken bereitgehalten. Weitere Gebäude dienen zum Auf ent-i halt der Vorgesetzten und Mannschaf-ten, die die Bewachung und Beaufsich-tigung der Kriegsgefangenen zu über-nehmen haben. Ferner werden gebaut ein Wachlokal, Kantine, Küchen usw.."

Baracken für 500 Mann hielt das Lager Wittorferfeld bereit. Von hier aus bearbeite-ten vorwiegend russische Gefangene die Felder zwischen Neumünster und Bro-kenlande. Russenweg, Russenbrücke und Russengräben sind Begriffe, die die Er-innerung bis heute bewahrt haben. Kriegsgefangenlager Wasbek

Im Frühjahr 1915 wurde das Kriegsgefangenenlager Wasbek errichtet. Sechs Ba-racken für die Kriegshäftlinge, zahlreiche Gebäude für die Wachmannschaften und eine Kantine befanden sich auf dem Gelände.

Über dem hölzernen Eingangstor zum Wasbeker Lager weht die scharz-weiß-rote Flagge des deutschen Kaiserreiches. Das gröfttc L.taer: Wasbek . „ Am 19. März 1915 schreibt, die „Kreiszeitung": ,Vergangenen Don-nerstag fand in Wasbek eine Versamm-lung von Landleuten aus Wasbek, Ehndorf, Bünzen, Büken statt, an der auch Landrat Freiherr von Heintze (Adolf Freiherr von Heintze war königlicher Landrat von Bordesholm zwischen 1906 und 1918, Anm. d. Red.) teilnahm zur Besprechung über die Ar-beiten, die demnächst durch 3000 in Wasbek eintreffende Kriegsgefangene aufzunehmen sind. Projektiert ist die Kultivierung von Wiesen-, Heide- und Moorländereien." Und dreimal die Woche einen Hering Auch zur Verpflegung der russi-schen Kriegsgefangenen erließ das Kriegsministerium genaue Anwei-sungen. Zum Frühstück waren für jeden Gefangenen 0,75 Liter dicke Suppe aus Reis, Graupe oder Steckrüben vorgeschrieben: „Zur Bereitung sind zu verwenden 90 Gramm Roh-gewicht Reis, Gries, Grütze, Ger-sten- oder Haferflocken oder 90 Gramm Graupen." Die Mittagskost „bestehend aus einem guten, kräftigen, zusammen-gekochten Gericht in einer Menge von einem Liter" mußte enthalten: 120 Gramm Fleisch Rohgewicht, davon höchstens 15 Prozent Kno-chen, oder 80 Gramm Dauerfleisch, Speck oder Wurst. Bei der Verwen-dung von Schweinekleinfleisch, -kopf, -schnauzen, -pfoten, -ohren oder -schwänzen mußte das Fleisch 240 Gramm Rohgewicht haben. Abends gab's dann wieder das gleiche wie zum Frühstück plus 100 Gramm Kartoffeln oder Gemüse. Statt der Kartoffeln und des Gemü-ses sollte dreimal in der Woche je-dem Gefangenen ein Hering oder ein Harzer Käse gegeben werden. Die tägliche Brotportion pro Kopf sollte 300 Gramm betragen, „zu dessen Bereitung höchstens 175 Gramm Roggenmehl verwendet werden dürfen." Außer kriegsgefangenen Russen wurden auch Belgier und Franzosen zum Arbeitseinsatz nach Schleswig-Holstein deportiert. Sie waren aller-dings nach strengen Anweisungen des Kriegsministeriums stets getrennt von-einander unterzubringen. Russen wurden isoliert Die dem Ministerium untergeordne-te Behörde, Inspektion der Kriegsge-fangenen-Lager mit Sitz in Altona, wies über den Regierungspräsidenten in Schleswig die einzelnen Landräte wiederholt an: „Die zu stellenden Kommandos müssen nach Nationali-täten getrennt gehalten werden, der-gestalt, daß Russen und Ukrainer nicht mit Gefangenen anderer Nationalitä-ten zusammen arbeiten und unterge-bracht werden dürfen. Das dritte Lager — es dürfte etwa so groß wie das in Wittorferfeld gewesen sein — befand sich in Wiedenborstel, heute mit sieben Einwohnern der kleinste Ort der Bundesrepublik. Es wurde sehr schnell errichtet: Noch im April 1915 teilte der Landrat in Bordes-holm dem Erbauer, der Firma Jürgen Brandt, Eisenbahn-Hoch- und Tiefbau in Rendsburg, die vorgeschriebenen Einrichtungen mit. Schon am 12. Mai 1915 belegten 500 gefangene Männer das Barackenlager. Komfortabel kann es nicht gewesen sein. 500 Mann für eine Chaussee Wiedenborstel war ein typisches Zwecklager, um das sich die Gemein-de bemüht hatte, damit auf schnelle Art ihre sogenannte Rendsburger Chaussee nach Sarlhusen fertiggestellt würde. In Kriegszeiten waren S00 Mann nicht so leicht zu bekommen. Da das Gesamt-Lager mit dem La-gergarten und den Baracken genau auf der Grenze der Kreise Steinburg und Rendsburg — heute Rendsburg/Eckernförde — lag, entbrannte schon im Juli 1915 ein Streit um die Lage eines dringend benötigten Begräbnisplatzes. Vom Lager, das 1918 vom Arbeitsla-ger zu einem Krankenlager für Tuber-kulosekranke umfunktioniert wurde, und von dem riesigen Denkmal (Fotos S. 13), das die Wachmannschaft von Wiedenborstel errichtete, fehlt heute jede Spur. Aber den Begräbnisplatz gibt es noch. Er liegt versteckt im Wald an der linken Straßenseite der Chaussee von der LVA-Klinik Tönsheide nach Henn-stedt und wird auf Anweisung des Bundes von der Gemeinde Aukrug ge-pflegt, unterhalten und saniert. Zum Wohle der Volkswirtschaft Die Kriegsgefangenen wurden schnell zum bedeutenden Wirtschafts-faktor im Deutschen Kaiserreich. Und sie wurden, wie fast alles im wilhelmi-nischen Deutschland, aufs gründlichs-te verwaltet. In den „Grundsätzen für die Be-schäftigung von Kriegsgefangenen in Handwerk, Gewerbe, Bergbau und in der Industrie — gültig ab 3. 10. 1915", die das Kriegsministerium in Berlin herausgab, heißt es: „Der Allgemein-heit, insbesondere der deutschen Ar-beiterschaft muß aber zu Bewußtsein gebracht werden, daß die Verwendung der Kriegsgefangenen zu Arbeiten nur als Aushilfe zum Wohle der gesamten Volkswirtschaft geschieht (...)." Die Bestimmungen sahen vor, daß Kriegsgefangene nur beschäftigt wer-den durften, „wenn geeignete deut-sche Arbeitskräfte nicht vorhanden §ind." Güsät2lick mugte jeäer Regie-rungsbezirk zur Prüfung der Arbeits-marktlage die Reichszentrale der Ar-beitsnachweise in der Berliner Wil-

Der Großvater von Heinrich Dahmke, erinnert sich der Landwirt und CDU-Ratsherr in Neumünster, stammte aus Wasbek und, beaufsichtigte dort im Ersten Weltkrieg zeitweise als Hilfswachmann russische Kriegsgefangene. Ein Instrument, das die-se vor mehr als 70 Jahren häufig benutzten, um Heide und Gras umzupflügen, hat Dahmke bis heute auf seinem Hof behalten. Sie heißt nach ihren Benutzern Russenhacke.

Im Schnitt kam auf zehn bis 15 Gefangene ein Wachmann, der möglichst Soldat sein sollte. Gegen Ende des Krieges wurden immer mehr Hilfswachmänner aus der Zivilbevölkerung rekrutiert.

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