Archiv:100 Jahre Streit um die Weide in Nortorf
100 Jahre Streit um die Weide in Nortorf
von Georg Reimer, Böken[1]
Vor der Feldaufteilung, d.h. der Überführung des Grundbesitzes in das alleinige Eigentum des einzelnen Bauern, um 1780 bestand die Feldgemeinschaft. Das Ackerland war nur zur Zeit der Bebauung Eigentum des Bauern. Zur Weide gehörte das Ackerland, das nur 4 Jahre bestellt wurde und dann 4 Jahre im Dreesch ohne Graseinsaat unbestellt liegen blieb, der Dorfgemeinschaft zur gemeinschaftlichen Weide. Zu dieser gehörten auch die Heideflächen, die Moore und Hölzungen. Ausgeschlossen von dieser gemeinschaftlichen Nutzung blieben die Wiesen und das sogenannte „Weichlose Land“, das alle Jahre zum Kornbau benutzt wurde. Nortorf hatte seit 1440 einen königlichen und einen klösterlichen Teil (Kloster Itzehoe). Ersterer umfaßte ursprünglich 2 Vollhufen und 8 alte Katen, letzterer 2 Vollhufen und 3 alte Katen. Nach und nach waren auf dem Gelände der Kirchspielsvogtei, der Gemeinheit und dem Pastoratland neue Katen entstanden, die sich dauernd vermehrten und auch durch Dorfbeschluß gewisse Weidegerechtigkeiten erhalten hatten. Auch die alten Katen hatten anfangs keine oder nur ganz geringe Ackerländereien, wohl aber Weidenutzung. Die Einzelheiten der Nutzung regelte eine „Beliebung oder Willkühr“, ein von der Dorfgemeinschaft beschlossenes und von’ der Obrigkeit bestätigtes Ortsstatut. Leider ist uns keines von Nortorf erhalten.
Die Kätner, die wohl sich recht kümmerlich durchschlagen mußten, versuchten nun häufig, ihre Rechte zu überschreiten. So entstanden dauernde Streitigkeiten, besonders um das Weiderecht auf dem Bülten und dem Heisch (Flurnamen). Die Akten beginnen 1584.
Die Hufner hatten einen Teil vom Bülten aus der Gemeinheit genommen und als Wiesenland eingegraben. Dadurch fühlten sich die Kätner geschädigt, denn dieses Land entging ihnen als Weide. Es war natürlich gerade das beste Stück der Weide. Der Streit kam vor das „Ding und Recht“ des Kirchspiels (Kirchspielsgericht). Hans Rantzau, Amtmann zu Rendsburg, und Claus Rantzau, Verbitter des Klosters Itzehoe, schlugen vor, acht Männer aus den beiden Rechten (klösterlich und amtlich) zu erwählen, die den Streit schlichten sollten. Es wurden gewählt: Jens Matthießen, Hans Harders (Oldenhütten), Ratke Barenbeck (Langwedel), Marquart Möller (Timmaspe), Jakob Staven, Hennecke Sievers (Gnutz), Johann Staven und Hinrich Grev (Langwedel). Sie entscheiden am 17.6.1584:
„Dat nachdeme sick de Hövener mit den olden Wordtsedelen (Kätnern) des ingenamenen landes nicht verdragen könen, dat de schölen in Weide liggen blive, wen idt endbültet und so dat afgemyet is, na wo vorher, idt schölen de olden Katener nicht mehr den 4 Köhe holden, desülvigen nicht allene höden, weder up den bülten, edder wischen, und blangen dem Korne, sondern vor den Harder driwen, nicht mehr den Söß Schape und twintig Göse holden, de Göse ock nicht up den bülte driven, edder jemand tho schaden int Korn gahn laten, schölen ock nicht mehr den twee perde hebben, de se op den bülten gahn laten, ock schölen de olden Kätener neen Macht hebben, de neen perde holde wil, einen andern nien Kätner se tho holde in sine Stede erlöfen. Idt mögen olde und nie Kätener so vele schwine hebben, alse jeder h einen gelegen, und he föden kan. Idt schole ock olde und nie Kätener Schweine, Köye und Göße von dem Heische laten, un de Hövener den busch allermaten in den bülten unverhauen laten. De dawedder handele, in billiger Bracke seiner Herrschop vorfallen sin, den alße deme beide gestettede Vögede up schriven, und jeder siner obrigkeit schal verständigen laten. Schall ock nemand op de stoppel schlan, ehe de Acker gantz bloß und de latesten Garfen darvon geführet. De nien Kätener scholen holden henvörder twe Köye, mit der Hövener Volbort veer olde schape, tein göse vor den Harder driven, twischen den Korn nicht höden edder op den Bülten nene perde holden ohne allene den idt de Hövener samptlich vergünstiget und tho late willen. So hierjegen de Kötener sick wurden vernehmen laten und handeln, schölen de Höfener schütten, dat geschüttede in beider Voigte verwahringe stellen, daruth nit laten, bet se recht dohn vor unrecht und unlick, und so mothwillig verlopen wurde, ein jeder siner obrigkeit sothanes weten laten. Diese Handel iß vam Vorgeschreven achte Männer beschlaten, schriftlick vorfattei und ein theil beleget in der Herren Kroge (Vogtei), dat ander by der wurdigen Abtißinne Vaget.
Actum Norttorp Anno 1584, d. 17. Juni in der Herren Kröge.
Diese Handel dho he den vorsammelden Norttorper iß vorgelesen worden, hebben Se em sämtl. approberet und angenommen, densülven nach tho leven sich anbaden.
testor manu pp. Ego Samuel Meigerius hos Scripsi ex.
1596 beginnt ein neuer Streit um die Weide auf dem Heisch. Die Hufner behaupten, da die Kätner dort weder „Land noch Sand“ haben, stünde ihnen dort auch kein Weiderecht für ihre Pferde zu. Es wird ein Urteil zu ihren Gunsten gefällt, das nicht bei den Akten liegt. 1615 flackert der Streit um dieses Weiderecht wieder auf. Wieder sollen acht Männer entscheiden: Hans Hayefelt zu Oldian (Oldenjahn), Marret Möller zu Timmaspe, Claus Sievers und Hans Pahl zu Jevenstedt von königlicher, Steffen Fock zu Bockhorst (Hohenwestedt), Hans Staven zu Langwedel, Eler Holm zu Henstedt und Carsten Warenßholt zu Inningen. Jost Immeken fordert im Namen der Kätner die Verlesung des Urteils von 1584 mit der Bitte, daß dieses gelten möchte. Der Kirchspielsvogt und die Hufner behaupten, daß die Kätner auf dem Heisch kein Weiderecht haben können, da sie dort weder „Land noch Sand“ hätten. Die Kätner sagen dagegen durch Claus Voigt, daß sie neun Jahre nach 1584 ihre Pferde auf dem Heisch gehabt hätten, je zwei Pferde. Dann hätten die Hufner das nicht mehr wollen und im Gericht ein obsiegendes Urteil erreicht. Die Kätner seien aber nicht bei dem Gericht zugegen gewesen und wären deshalb mit ihrem Gegenbericht nicht gehört worden.
Die Achtmänner bestätigen die Urteile von 1584 und 1596. Gefunden zu Norttorff in der Carspel Voigtei im Beisein des Hausvoigten zu Rendsburg Jürgen von Parkentin und des Klosterhofmeisters Hansen Kileman. Unterschrieben vom Amtschreiber Matthias Timmermann und dem Klosterschreiber Lorentz Langerman.
1624 verbot Amtmann Balthasar von Ahlefeldt den Kätnern, Kälber auf den Bülten zu treiben, weil sie keine Gerechtigkeit dazu hatten. Betroffene Kälber verfallen der Obrigkeit, ihre Besitzer haben dazu noch Herrenbrüche zu zahlen. Die Kriegszeit verhinderte die Durchführung der Rechtsansprüche. 1630 klagt Marx Reimers im Namen der klösterlichen Kätner, daß die königlichen Hufner ihnen vier Kälber acht Tage eingeschüttet hätten. Am 28. Oktober 1630 kam ein Vergleich zustande:
Jeder Kätner soll zwei Kälber, welche binnen Jahres seien, auf den Bülten weiden lassen und nichts mehr. Die Hufner dürfen auch nur Kälber bis zu einem Jahr auftreiben, aber soviele als sie haben und aufzichen.
Unterschrift Jacobus Stohlius (Kloster) und Johannes Faker, Amtsschreiber.
Am 10. Juni 1652 wurde in Gegenwart der Itzehoer Äbtissin ein Vergleich zwischen den beiden klösterlichen Hufnern und den drei alten klösterlichen Kätnern geschlossen. Die Kätner sind nach dem alten Vertrag berechtigt, zwei Kälber auf dem Bülten zu weiden. Nun wird dieses dahin ergänzt, daß ein Kätner, der keine jährigen Kälber hat, ein jähriges Fohlen, aber kein zweijähriges aufzutreiben. Zeugen sind die Äbtissin, der Hofmeister Johann Stahlrodt und der Dingvogt Hans Bötern.
Unterschrift: Adam Jäger in fidem Subser.
Schon im Jahr vorher lag der Streit wieder vor dem Ding und Recht. Die 32 Gerichtsmänner erkennen: Der 1584 errichtete Vergleich soll bestehen bleiben und beide Teile selben in allen Punkten zu geleben schuldig sein (Hans Woldenberg, Amtsschreiber). Ebenso wird das Urteil von den 32 Gerichtsmännern am 5. Okt. 1677 bestätigt. Seitdem scheint Ruhe eingetreten zu sein. (Landesarchiv Gottorp. Abt. 104, 219.)
Einzelnachweise
- ↑ Veröffentlicht im Heimatkundlichen Jahrbuch 1951 für den Kreis Rendsburg, Seite 89ff