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Die Reformationszeit
Über die Einführung der Reformation in unserer Gegend ist sehr wenig bekannt. Während in Süderau schon 1522, in Dithmarschen 1524, in Husum 1522 und fast gleichzeitig in anderen schleswigschen Städten die Reformation Eingang fand, stand Mittelholstein noch zurück. 1529 trat in Kellinghusen Hinrich Fischer als erster lutherischer Pastor seinen Dienst an. Gleichzeitig soll Westensee evangelisch geworden sein.
In Nortorf ging es damals recht bunt her. Ein flüchtig geschriebener Bericht des Verbitters (1) Jürgen Wulf oder Claus Rantzau von 1528 veröffentlicht in Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Beiträge und Mitteilungen Bd. 7, S. 290 gibt Nachricht darüber. Nach dieser Aufzeichnung war die Nortorfer Kirche kurz vorher abgebrannt. Der Verbitter hatte den Rendsburger Amtmann Hinrich Rantzau zu Helmsdorf (1522-1528), den Besitzer von Nienhof Tönnies Rantzau und den Klosterpropst von Bordesholm zu einer Besprechung nach Nortorf geladen, um über den Wiederaufbau der Kirche zu beraten. Diese verlangten vom Kloster, als dem Patron der Kirche, den Wiederaufbau zu bezahlen. Der Verbitter lehnte diesen Vorschlag ab, da der Brand nicht bei Klosterleuten, die an der Niedernstraße nördlich der Kirche wohnten, entstanden war, sondern bei Amtsuntertanen. Das Kloster war dazu auch nicht in der Lage, da die Klöster in der Zeit große Abgaben an den König zu leisten hatten. Die Herren gelangten doch „zu einem Handel". Der Verbitter bewilligte, daß für zwei Jahre alle Hebungen der Kirche dafür zur Verfügung gestellt werden sollten. Dazu kamen noch Häuergelder für drei Jahre in Höhe von 7 Mk und die 28 Mk (2), die das Kloster jährlich von den Einkünften der Pfarrstelle zu beziehen hatte. Die Kirchspielseingesessenen sollten je Besitz 1 Mk geben.
Die anderen Herren verpflichteten sich, dies Geld zu einer bestimmten Zeit zusammenzubringen, „dar doch nychtes affschach", also, es geschah nichts.
Der Verbitter hatte ihnen einen Karckherrn (Priester) mitgebracht. Das Kirchspiel bat aber, ihnen den Küster als Priester zu lassen, damit die Einkünfte der Pfarre für den Wiederaufbau mit verwendet werden könnten. Der Verbitter bewilligte dies für zwei Jahre.
Die Messe (Gottesdienst) wurde in der Vogtei (der Herren Krog) gehalten. Das behagte dem Verbitter nicht. Er bat das "Kirchspiel, in der Kirche „eine Schuryngk", eine Schauer oder ein Notdach zu machen. Das geschah. Als der Verbitter im Herbst wieder nach Nortorf kam, pfiff der Wind durch die Ritzen, so daß kein Licht in dem Raum brennen konnte, auch regnete es durch, „dat my dar inde entbarmede". Die Messe sollte nun in der Wedem, dem Pastorat, gehalten werden.
Das Kirchspiel hatte nachher das Kloster beim König verklagt, „dat se dar nyenn prester hebben, dede ene dat wort gades secht." Auf Anordnung des Königs brachte der Verbitter einen Priester nach Nortorf. Den lehnte das Kirchspiel ab. Es scheint so zu sein: Das Kloster hing noch am alten Glauben, das Kirchspiel Nortorf neigte zur Reformation. Es hatte selbst einen Prediger angenommen, doch mit dem waren sie nicht zufrieden. Der Verbitter berichtet, daß sie diesen täglich schlugen, ihn von einem Haus ins andere jagten, und selbst in der Wedem ließen sie ihn nicht in Ruhe. „Sodat ick my befurchte, ere se nycht gesturet wardt, me dar nimmer eynen karckheren krycht".
Im letzten Absatz des Schreibens beschwert sich der Verbitter über die Kirchenjuraten. Sie sollen über die Kircheneinnahmen dieser turbulenten Jahre Rechenschaft ablegen, "so dat unser gadeshus mochte nycht vorstoret werden, und muchten brynigen de hure, dede se dar noch schuldig tho synt".
Das Schriftstück ist 1528 abgefaßt. Aus dem letzten Absatz ergibt sich, daß der Brand vor wenigstens zwei Jahren stattgefunden haben muß, wahrscheinlich sogar schon 1525.
Wann die Kirche wieder gebaut ist, geht aus den Akten nicht hervor. 1530 kam der erste evangelische Pastor nach Nortorf. Es war Johann von Acken. Von seiner Hand liegt im Klosterarchiv zu Itzehoe (3) ein Einkommenverzeichnis der Nortorfer Pfarrstelle von 1539, in dem er berichtet, daß er diese Einkünfte neun Jahre lang bezogen habe. Ihm folgte 1548 Cornelius Volquardus (4) bis 1555. Dann kam Samuel Meigerius (Meyer).
Die Zeit der Reformation war also eine Zeit, in der in Nortorf alles darüber und darunter herging. „Die Reformation ist nicht nur eine auf geistlichem Gebiet vollzogene Umwälzung. Es traten von vielen Seiten Bestrebungen hervor, aus dieser Umwälzung Nutzen zu ziehen, und so wirkten von verschiedenen Seiten weltliche Interessen mit. Fürsten und Edelleute, Bürger und Bauern suchten vielfältig, sobald es sich als unzweifelhaft herausstellte, daß die alten Zustände einer neuen Ordnung Platz machen würden, diesen Übergang zu ihrem Vorteil auszubeuten. Das Kirchengut bot einen Gegenstand dar, welches für nicht wenige sehr anlockend und verführerisch wurde“. So zogen die Landesherren die reichen Klöster ein, so hoben Edelleute die von ihren Vorfahren gegebenen Stiftungen auf. Auch manche Kirchenjuraten (= Kirchenälteste) suchten und fanden ihren Vor- teil. Das zeigte eine im Kloster Itzehoe (5) liegende Klageschrift des Kirchspiels Nortorf gegen den Juraten Marquard Vaget vom 3. Februar 1540.
Die neuerwählten Karckswaren (Kirchengeschworene = Juraten = Kirchenälteste), die schon einige Zeit im Amte waren, beklagten sich bei König Christian III. über den früheren Kirchgeschworenen Marquart Vaget zu Nortorf, der unverantwortlich mit dem Kirchengut und kirchlichen Einnahmen gehandelt habe. Zu seiner Zeit seien Äcker, Wiesen und Weiden, die der Kirche vorzeiten gegeben und seit vielen Jahren in ihrem Besitz gewesen, durch ihn von der Kirche abgekommen. Das ganze Kirchspiel könne dies bezeugen. Sie haben Vaget vor das letzte Goding auf dem Jahrschen Balken bei Hohenwestedt, dem Gericht der sieben Kirchspiele (6) gefordert. Dort war als Recht erkannt, daß Vaget alle Güter, die der Kirche vormals gehörten und bei seinen Zeiten von ihr gekommen waren, zurückbringen sollte. Vaget hat sich um das Urteil nicht gekümmert, und die Kirchengeschworenen waren nicht in der Lage, ihn zur Erfüllung des Urteils zu zwingen. Sie baten deshalb den König, Marquart Vaget zu zwingen, Rechenschaft über die zwölf Jahre seiner Kirchengeschworenenzeit abzulegen und die verlorenen Kirchengüter wieder zu beschaffen. Sie unterzeichnen: (6a)
Juwer ko Durchl. Clawes van der Wysk. Arme undersaten und gehorsame karckswaren und gantze karspel der karcken to Nortorp
In der Anlage gaben die Geschworenen eine Aufstellung dessen, was Vaget bei der Kirche veruntreut hatte:
“Dyt is, dat Marquart Vaget van der karcken to Nortorp gebrocht heff:“
- Er ist zwölf Jahre Rechenschaft über die Kornhebungen der Kirche schuldig. Sie betrugen alle Jahr vier Last Roggen (= 96 Tonnen). Der Scheffel (= 1/3 Tonne) galt im Durchschnitt der zwölf Jahre 10 ß.
- Er ist Rechenschaft schuldig über den Verbleib von vier Hufen Landes, die er verkauft hatte. Drei Hufen lagen in Lütkenwerder (Hennecke Ruskman) und eine Hufe hatte Gotzke Rantzau (7).
- Zwei weitere Hufen hatte er ebenfalls verscheuert, aber „mit der karcken sulver wedder to syck gekofft", wozu ihm jeder im Kirchspiel 1 Marck gegeben hatte.
- Die „Eyne Wisch" hatte er sich angeeignet und behauptet, sie sei ihm verkauft. Für diesen Kauf wollte er vier Zeugen bringen und dazu noch vier Kirchgeschworene, die „den Zel und wynkop" d. h. die Auflassung, bezeugen sollten. Er brachte aber nur einen Geschworenen und zwei andere Leute, die aber nichts von diesem Kauf wußten.
- Die Wiese zu Barckhorn (später heißt sie Brookhorn) hatte er sich auch angeeignet. Auch dafür behauptete er, sie sei ihm verkauft. Er konnte den Kauf aber durch keinen Zeugen beweisen.
- Er soll für die Jahre, in denen er Kirchengeschworener war, Rechenschaft ablegen.
- Auch ist er die Abrechnung über die Hebungen von Sunte Ewaldes lene schuldig. Das waren für die zwölf Jahre 5 Drömpt 2 schepel 1 Himpten Roggen.
- Vaget hat in zwei Jahren alle Hebungen und Opfer, die der Kirchherr (Priester) zu bekommen hatte, also alles, was die Äbtissin zum Wiederaufbau der Kirche zur Verfügung gestellt hatte, an sich genommen. Dafür ist er die Abrechnung schuldig.
- Was in der Kapelle zu Innigen gewesen an Geld,Silber, Leuchtern und Opfergaben, hat er dort weggenommen.
- Für den Wiederaufbau der Kirche hat er Schmiedearbeiten geleistet. Dazu hatte er soviel altes Eisen von der Kirche genommen, als ihm beliebte, alles hatte er der Kirche aber so berechnet, als wenn sie kein altes Eisen geliefert hätte.
Zu dieser Beschwerde sind einige Erklärungen notwendig.
Zu 1: Die Last Roggen hatte 32 Tonnen. Die Kirche, nicht der Pastor, dessen Einkünfte in der Klageschrift nur in Punkt 8 berührt werden, hatte also jährlich 128 Tonnen Roggen zu erheben. Da die Tonne drei Scheffel hatte, sind das 384 Scheffel. Das 1574 beginnende Nortorfer Kirchenrechnungsbuch verzeichnet die Einkünfte der Kirche mit 121 Tonnen 3 Spint. Das sind 384 1/2 Scheffel, also etwa 20 Scheffel weniger. Dies Minderung kann durch den Übergang der Dörfer Pohlsee, Blocksdorf und Enkendorf an Westensee erfolgt sein. Der Wert dieser 384 Scheffel je 10 ß war 3840 ß = 240 Mark. Die Mark von 1540 hatte nach Waschinski: „Währung, Preisentwicklung und Kaufkraft des Geldes in Schleswig-Holstein von 1226 bis 1884" die Kaufkraft von 70 RM von 1938. Die jährliche Einnahme der Kirche aus der Roggenhebung würde nach der Kaufkraft von 1938 also 16 800 RM betragen haben, die Summe, über die Vaget Rechenschaft abzulegen hatte, also 201 800 RM sein.
Zu 2: Von den vier verkauften Hufen lagen drei in Lütkenwerder. Nun nennt die Liste des 20 Pfg vom Seyegude in der Amtsrechnung 1540 dort nur einen Besitz, den Claus Gette besaß (8). Der in der Klageschrift genannte Hennecke Ruskman kann Besitznachfolger oder -vorgänger gewesen sein. Die Hufe zu Lütkenwarder ist niedergelegt und zu Mühlendorf gekommen. Mühlendorf gab nach dem Nortorfer Kircheninventar von 1738 an den Pastor für zwei niedergelegte Hufen. Daß in Lütkenwarder ein Besitz drei Hufen zählte, weist auf eine alte Hufenzählung hin, in der ein Bauernhof mehrere Hufen haben konnte, die Hufe also nicht, wie später, gleich Bauernhof zu setzen ist (9).
Die Hufe, die Gosche Rantzau von Nienhof erworben hatte, wird die eine Emkendorfer Hufe in Großenvollstedt sein, von der man bisher nicht wußte, wie sie an Nienhof gekommen war. Gosche Rantzau hatte 1535 die Westenseer Kirchenlansten im Kirchspiel Nortorf, die bei der Teilung des großen Gutes an Emkendorf gekommen sind, gekauft.
Zu 3: Wo diese beiden Hufen lagen, ist unbekannt. Die eine Mark von jedem Besitz, die Vaget zum Wiederkauf brauchte, werden die vom Kirchspiel zum Wiederaufbau der Kirche bewilligten Gelder sein.
Zu 7: Sunte Ewaldes lene. Es muß sich hierbei um eine Stiftung für Messelesen an einem dem heiligen Ewald gestifteten Altar handeln, die, wie die Klageschrift angibt, in 12 Jahren 5 Drömpt = 20 Tonnen Roggen brachte, also mit etwa 5 Scheffel Roggen dotiert war. Über diese Stiftung ist nichts bekannt. Das Register der Einkünfte des Hamburger Domkapitels (10) um 1540 besagt, daß Nortorf eine Vikarie hatte, die dem Domkapitel jährlich 1 Mk zu geben hatte. Diese wird das erwähnte Sunte Ewaldes Lene sein.
Diese Klageschrift zeigt, wie unverantwortlich ein Kirchgeschworener in seine Tasche gewirtschaftet hatte. Vaget scheint wenigstens einen Teil seiner Schwindeleien wieder ins Lot gebracht zu haben. Es sind die beiden genannten Wiesen nachher wieder im Besitz der Kirche. Die beiden Hufen, die an Mühlendorf gekommen sind, blieben verloren. Gosche Rantzau wird ebensowenig wie sein Landesherr bereit gewesen sein, seine Erwerbungen herauszugeben.
Diese Klageschrift wird mit Veranlassung zum Rendsburger Landtagsbeschluß von 1540 gewesen sein. Es wurde da „von Prälaten, Ritterschaft etc. bewilliget und nachgegeben, dat all datjenige, dat von der Karcken verrücket wär, edder enen vorgeholden wurden, wedderumb gefördert und von den Inhabern derülvigen ingemahnet etc. werden schöle"(11).