Archiv:Die Reformationszeit (1913)
Die Reformationszeit.
Ueber die Einführung der Reformation in unserer Gegend ist sehr wenig bekannt. Während in Süderau schon 1522, in Ditmarschen 1524, in Husum 1522 und fast gleichzeitig in anderen schleswigschen Städten die Reformation Eingang fand, so stand Mittelholstein noch zurück. 1529 trat in Kellinghusen Hinrich Fischer als erster lutherischer Pastor den Dienst an. Gleichzeitig wurde Westensee evangelisch. In Nortorf scheint es in jener Zeit recht bunt hergegangen zu sein. Ein mir schlecht leserliches Aktenstück des Klosters zu Itzehoe von 1528 berichtet von Streitigkeiten über des Pastors Predigt. Ob er schon evangelisch predigte, bleibt mir zweifelhaft. Aus der nachfolgenden Klageschrift gegen den Kirchenjuraten Marquart Vaget scheint sich zu ergeben, daß die Reformation damals einsetzte, denn Vaget ist 1540 die Rechnungsablage für 12 Jahre rückständig. Allerdings finden wir „unter den Kirchherrn, die am 9. Februar 1538 zur Besprechung der Reformation eingeladen waren, keine aus Nortorf und Neumünster. Ob sie noch katholisch waren? schreibt Ztschr. 12, S. 263. Für Nortorf möchte ich das nach obigem verneinen. Bisher glaubte man allerdings, daß der erste lutherische Geistliche in Nortorf der von 1555—1610 amtierende Samuel Meigerius (Meyer) war, auf den ich noch zu sprechen komme. Sein Vorgänger ist Johann von Acken, von dem ein Verzeichnis einiger Zehnten aus den Dörfern des Kirchspiels vom Jahre 1539 im Kloster zu Itzehoe liegt. Auf diesem bezeichnet er sich ausdrücklich als Pastor zu Nortorf. Wäre er noch katholisch gewesen, so hätte er nicht diese evangelische Amtsbezeichnung gewählt. 1544 fertigte er eine Verkaufsurkunde über einen Acker in Gnutz aus. Die Urkunde ist wohl nicht mehr vorhanden, aber eine andere Urkunde im alten Nortorfer Kontraktenbuch nimmt Bezug auf diese. Johann von Acken wird m. E. als der erste lutherische Geistliche in Nortorf anzusehen sein und bis 1555 amtiert haben.
Die Zeit der Reformation war eine Zeit, in der alles drüber und drunter herging. „Die Reformation ist nicht nur eine auf geistlichem Gebiet vollzogene Umwälzung. Es traten von vielen Seiten Bestrebungen hervor, aus dieser Umwälzung Nutzen zu ziehen und so wirken weltliche Interessen von verschiedenen Seiten mit. Fürsten und Edelleute, Bürger und Bauern suchten vielfältig, sobald es sich als unzweifelhaft herausstellte, daß die alten Zustände einer neuen Ordnung Platz machen würden, diesen Uebergang zu ihrem besonderen Vorteil auszubeuten. Das Kirchengut bot einen Gegenstand dar, welches für nicht wenige sehr anlockend und verführerisch wurde. So zogen die Landesherrn die Klöster und ihre reichen Besitzungen ein. Die Kirchenjuraten (heute Kirchenältesten), denen die Verwaltung des Kirchengutes oblag, suchten daraus ihren Vorteil zu ziehen. Das zeigt die nachfolgende Klageschrift des Kirchspiels Nortorf gegen den Juraten Marquart Vaget vom 3. Februar 1540. Sie ist ein so wichtiges und bezeichnendes Zeugnis für die damaligen Zustände, daß ich sie im Wortlaut folgen lasse:
„Durchluchtigeste grothmechtigeste Konigk: Hochgeboren Fürste ond Here: Vuse arme: vnuordraten: stede bereytes wyllige Denste Syn Juwer koniglichen Durchl. alße vußem gnedigsten Heren: ond landes Fürsten stedes touoren an bereyt: Gnedigster Konigk: Dewyle wy alse nu itzender der karken to Norttorp to karckswaren erwelet: ond ock etlicke tyde rede gewesen ond dat beste der karken darsulnest gesocht: Konnen wy in onderdeniger meynunge: Juwer Kongl. Durchl. Denstlick nicht bargen: Wet mathe eyner myt namen Marquart Vaget wanhafftig to Norttorp: Vud vormals eyn karcksware darsuluest gewesen: Welckes vorgemelten Marquart Vagedes sick in eyn gantzs carspel: nevenst ons indessen auergegeuen Supplication: hochlick besweret ond beclaget: Nach deme by synen tyden: nicht allene Acker wysche ond weyde: So der karcken gegegeuen: ond to velen jarenn dar by gewesen: Aeuerst nu doch eme dar van gekamen ond gebracht: Vud doch nicht moegelick dat eyn gantzs carspel: densuluigen vaken gemeltem Marquard: dar heu wyßen konnen: ofte forderen He das bewyß bringen moege: wat mathe He desse guder: So der karcken gegeuen, onder sick geslagen hebbe: ofte ock wat Orsacken: He hyr to gehat hebbe: he eyn Deyl gantzs dar van vorkoft wo eynen gantzen carspel alle bewußt is: Vund ock rede: dyt suluige myt rechte: vor den Soeuen carspelen gefordert vud gehat: don dat lethe guydinge geholden: ond dorsuluest: erkant ond van eme gefurdert myt rechte dat de gudere So der karcken vormals gehoeret ond gegeuen ond by synen tyden dar von gekamen: Wedder doch eme darby schallen gebracht: ond gefordert werden: So den tom lesten: dyt forder oth torichten by ons nicht moegelick: ond he ock nicht gesynnet Na erkanntenisse des rechtes, dyt so to erfolgen: Werden wy alße karckswaren: ond dat gantze carspel georsacket: Juwe Ko: Durchl. alße vußen gnedigsten Heren ond konigk denstlick antofallen: Mytels onderdeniger bede dorch godt: Iw. Ko: Durchl. vakengedachten Marquart Vagede: to den wegen fordern ond wysen laten ond eme hyr to holden: dat de gudere So by synen tyden van der karcken gebracht ond vorkamen hyr by wederymme moegen to geeschet ond gefordert werden: Vud eme ock darto eschen: Vom den jaren: So he de karcken vorgestan ond ond de boeringe entfangen: eyne offentlicke reckenschop: dar van don mochte: Ock gnedigster Königk ond Here: Van wo velen Jaren he noch schuldig de reckenschop to donde ond wo vele van guderen acker ond wyschen ond sust: dar van gekamen: hebben wy in eingelechter Seddelen: antecken schryuen laten: Myt denststeder gehorsamer bede ond forderinge: Iwe licker onderdeniger Koningk. Durchl. Dussem vußen carspel: ond kercken So vele recht is : beschutten: bescharmen ond hanthauen Vud ßodene gewalt ond onrecht wo van eme gehoeret, geboeret ond geschen So nicht dar mede besytten lathen ond sodane belonige vom gade dem almechtigen wedder to entfangende erwarten weßen: Datum Norttorp Dingstedages (Februar 3.) nach purificationis Mariae Amen etc. xl:
Juwer konigk Durchl.
Arme ondersaten ond gehorsame.
Clawes von der Wysch.
karckswaren ond gantze carspel der karcken to Norttorp.
_____
Dyt is dat Marquart Vaget vanden Karcken to Norttorp gebrocht heff.
Inth erste van 12 Jaren Reckenschop: don 4 last Roggen alle jar ond de schepel galt 10 ß ongeferlickItem 4 Houe landes: de he dor aff vorkoft alse 3 Houen lyggen tom lutken werder: Henneke Rusckman: ond 1 Houen de heft gotzke Rantzow.
Item 2 Houen hefft he dar ock van gebracht: ond myt der karcken suluer wedder to syck gekoft: wo wol ome eyn yder jim dem carspel 1 mick hyr to gegeuen
Item de Eyne Wysch: heft he onder sick: ond secht, se sy eme vorkoft: hyr wolde he to bringen 4 Manne; ond 4 Karckswaren de den Zel ond wynkop scholden tuygen is doch nummer fullen tagen: ond brachte Eynen Karckswaren: ond 2 ander luyde, de dar nicht van wusten
Item de Wysck to barckhoren: haft he ock to sick genomen ond secht he hefft se gekofft: dat he doch myth nemandes kan na bringen
Item Van den Vorigen Jaren: So he ock eyn karcksware gewesen is, wert he dem Carspel ock verantworden werden
Item Van Suncte Ewaldes lenne Jarlick de Roggen Hure : is 5 drompt: 2 schepel: 1 Himptem: dyt is van 12 Jaren
Item Eyne Wysch: noch ock hyr van vorkoft van Marquart Vagede vor 9 nick genoemet de papen wysch
Item dat Marquart Vaget haft 2 Jar der Karcken boeringe entfangen: to Norttorp ond alle offer: dat eyn karckherrn plach to boerende, dat de Würdige Frawe: de Ebbedisse tom gebuwete der karcken gegenen hadde
Item Was in der Cappellen to Innigen gewesen Van gelde, Suluer, luchteren: ond offer: is van Marquard vagede dar wech genamen
Item Was he gesmedet heft, heft he des yserwarckes van der der Karcken so vele genomen Alse eme geleuede ond doch darna So duyr gegerecket alse oft he nichtes darto gehatt hadde[1].“
.
Die Klageschrift zeigt uns, wie die reichen Besitzungen der Kirche von dieser abhanden gekommen. Die erwähnten Hufen sind sogen. Kirchenlansten, d. h. der Kirche gehörige Hufen, die sie gegen Renten an geeignete Besitzer verpachtete. Nach der Reformationszeit hat die Kirche keine Hufe mehr in Besitz, sondern nur einige Aecker und Wiesen. Vaget hat die Kirche dadurch ganz ungeheuer geschädigt.
Die Klage ist jedenfalls mit Veranlassung zum Rendsburger Landtagsbeschlusse von 1540. Es wurde damals „von Prälaten, Ritterschaft 2c. ingefolget, bewilliget und nachgegeven, dat all datjenige, dat von de Karken verrücket wär, edder enen vorgeholden wurden wedderum gefördert und von den Inhabern dersülvigen ingemahnet 2c. werden schöle[2].
Dieser Beschluß ist jedenfalls nicht streng durchgeführt worden. Nortorf hat wohl kaum etwas wieder erhalten. Welcher Schade ist unserer evangelischen Kirche dadurch zugefügt. Wieviel gefestigter steht die katholische Kirche da mit ihrem gewaltigen Grundbesitz und reichen Geldmitteln.