Archiv:Eine große Hochzeit in Böken (1851)

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Eine große Hochzeit (Etenköst) in Böken

von Georg Reimer, Böken[1]

1851. Jochim Kaack aus Böken (Hufe Nr. 6) und Margaretha Möller von der Bünzer Mühle wollten Hochzeit feiern. Im Jahre vorher hatte Hinrich Voß (Hufe Nr. 3) seine Hochzeit mit 275 Paaren gefeiert. Das mußte übertroffen werden. Der „Köstenbitter" zu Pferde zog durch die er umliegenden Kirchspiele, um Verwandte und Bekannte einzuladen. Die Hochzeitsfeier fand damals in dem Ort statt, wo das junge Paar zu wohnen kam (Grund: Gebühren für den Pastor).

Einige Tage vor der Hochzeit zogen elf Bauernwagen von Böken nach Bünzen, um die Aussteuer zu holen. Zwei Frauen waren besonders dazu eingeladen. Ihre Aufgabe bestand darin, im Hause der Brauteltern möglichst wertvolle Gegenstände aufzustöbern und heimlich auf die Wagen zu schaffen. Die Fuhrleute wurden auf der Mühle reich bewirtet und die Wagen dann hoch mit der reichen Aussteuer beladen. Auf dem vordersten Wagen nahmen Braut und Bräutigam Platz, auf dem zweiten die beiden Frauen, die eine mit Spinnrad und Wocken, die andere mit einer Haspel. Spinnrad und Haspel wurden unter Gesang in drehende Bewegung gesetzt und gehalten. Vor den Eingängen nach Kaacks Hofstelle standen Bauern mit Gewehren und zwangen durch Abgabe von Schüssen die Wagen, dreimal um das Dorf zu fahren. Dann erst wurde die Einfahrt freigegeben. Das nannte man "Krinkfahren".

Auf dem Hofe waren die Leute mit den Vorbereitungen zur Feier beschäftigt: Ein Ochse, der 500 Pfund Fleisch gab, und 2 große Schweine wurden geschlachtet, dazu vom Schlachter noch 400 Pfund Fleisch besorgt, unzählige Würste gemacht, Stuben, Diele, Kuhstall, Verlehntskate und das am Hofplatz liegende Schulhaus wurden geschrubbt und geweißt, der Hofplatz sauber gefegt. Tische und Bänke wurden zusammengeholt, und auf dem Hofplatz eine genügende Menge zusammengeschlagen. Im Garten wurden Gruben von einigen Metern Länge und 1 Meter Breite ausgehoben und mit eisernen Stangen belegt. Auf ihnen wurde am Hochzeitstage das Essen in großen kupfernen und messingenen Kesseln bereitet.

Am Tage vor der Hochzeit brachten Nachbarn frische Butter in Stücken von 8 bis 10 Pfund, die mit Blumen und Figuren schön geschmückt waren. Der Tag hieß „Bodderbeersdag".

Am Hochzeitstag (Freitag) fuhr das Brautpaar mit den Brautjungfern und den Brautführern (Hanschenknechte) im vierspännigen Kürwagen (Mehlbüdelswagen, einem Bauernwagen mit aus Weiden geflochtenen Leitern und in Riemen hängenden Wagenstühlen) zur Kirche. Die Brautführer trugen einen Blumenstrauß im Knopfloch und saßen auf dem einen Wagenstuhl, das Brautpaar auf dem anderen, die Brautjungfern lagen hinten im Wagen, im "Kälberloch", auf Stroh und winkten mit seidenen Tüchern.

Im Pastorat schmückte die Pastorsfrau die Braut mit der Brautkrone. Sie war aus Goldschaum und Blumen gemacht und mit Perlen in Größe von Kirschen geschmückt. „Sett de Brut de Kron up, ik nehm se ehr wedder aff, en vergnögten Abend, wenig bedröfte Dag", wurde daber gesagt. Bei der Rückkehr von Nortorf (11 km!) schnürte man den Brautwagen oft, d.h. junge Leute sperrten mit einem Achterreep den Weg. Der Bräutigam mußte dann mit einer Flasche Branntwein oder einem entsprechenden Geldgeschenk sich die freie Durchfahrt erkaufen.

An der Tür des Hochzeitshauses wurde das Brautpaar von dem nächsten Nachbarn mit einem Glase Branntwein begrüßt. Der Bräutigam trank der Braut zu, und nachdem sie auch das Glas geleert hatte, warf sie es rückwärts über den Kopf. Das Glas zerschellte auf dem Steinplaster. Das galt als gute Vorbedeutung für das Glück des jungen Paares.

Inzwischen waren die Gäste auf den Mehlbüdelswagen ins Dorf gekommen. Alle Bauern hatten Stallungen und Plätze für Pferde und Wagen bereitgestellt. Man kehrte bei Bekannten ein oder wurde einem Hof zum Ausspannen zugewiesen. Dort übernachteten auch einige Familien, andere kehrten in der Nacht heim.

Auf den Feuerstellen war nun das Hochzeitsmahl bereitet: Weinsuppe mit Graupen und Pflaumen oder Rosinen und frische Suppe von Rindfleisch mit dazu gereichtem Reis mit Rosinen und Butter. Klöße und Kartoffeln gab es nicht dazu, sondern Weißbrot, das mit Butter und Fleisch belegt wurde. Schaffer (junge Leute) trugen die großen Schüsseln auf die Tische und sorgten für dauernde Erneuerung. Messer, Gabel und Löffel hatte jeder Gast mitgebracht. Manche hatten teure silberne Bestecke mit eingestanzten Figuren auf Stiel und Löffelblatt. Bier stand in den großen zinnernen Kannen (Krooßen) auf den Tischen, Einzelgläser brauchte man nicht.

Nach der Mahlzeit wurden die Geschenke dem Brautpaar überreicht. Verwandte schenkten meistens silberne Löffel, die übrigen Gäste gaben Geld, wenigstens einen Taler. Die Gaben wurden auf einer Liste verzeichnet. Das Brautpaar wußte dann, was es im umgekehrten Fall wieder zu geben hatte. 375 Paare zeigte Kaacks Gabenliste, Voß war also übertroffen.

Während der Mahlzeit spielten die 20 Musikanten, und Hebamme, Köchin, Schüsselwäscher und Musikanten sammelten auf Tellern Geld für sich. Jeder Gast gab auf jeden Teller einen Schilling oder einen Sechsling.

Nach der Mahlzeit wurde getanzt. Der erste Tanz war der Schaffertanz, an dem nur das Bedienungspersonal teilnahm. Darauf folgte der Brauttanz vom Brautpaar und zwei Paaren der nächsten Verwandtschaft. Dabei umstanden die Brautjungfern den Tanzkreis. Sie hatten zwischen jedem Fingerpaar ein brennendes Licht, also vier in jeder Hand, die sie nach dem Takte der Musik schwenkten. Nachts um 12 und um 3 Uhr wurde dieser Tanz wiederholt. Nach dem letzten Brautanz wurde von den Frauen der Braut die Brautkrone abgenommen und ihr eine Haube aufgesetzt. Die Braut wurde nun in ein dunkles Zimmer gebracht und zwischen den Frauen versteckt. Hier mußte der Bräutigam sie suchen.

Für die Frauen gab es Wein zu trinken, für die Männer besser eingebrautes Bier und Branntwein. Nachts gab es belegte Butterbrote.

Am nächsten Tage wurde "umgesungen". Dorfeinwohner, jung und alt, und dagebliebene Hochzeitsgäste zogen mit Musik und Gesang von Haus zu Haus, tanzten auf der großen Diele, erhielten ein Glas Branntwein und konnten die Kalkpfeife stopfen. Der Schluß des Umsingens wurde im Hochzeitshause gemacht, wo es noch genug Reste zu vertilgen gab.

Solche Hochzeitsfeiern gab es nur bei den größeren Bauern. Ärmere Brautpaare gaben "Kaffeehochzeit" (Kaffeeköst), bei der es statt des Essens Kaffee und Kuchen gab, und jeder seine sonstigen Getränke selber bezahlen mußte. Das ganze Dorf beteiligte sich, und die Geschenke waren so, da das Brautpaar eine gute Grundlage für seinen Haushalt bekam.

Heute wird die Hochzeit nur im Familienkreise gefeiert und meistens nur die beiden nächsten Nachbarn eingeladen oder besondere Freunde aus dem Dorf.

Die Silberhochzeit dagegen wurde bis zum letzten Krieg im größeren Rahmen vom Dorf mitgefeiert. Nachmittags gab es Kaffee und viele Kuchen, abends Suppe, zweimal Braten, Gemüse und Nachtisch. Bei Tisch gab es Wein, nachher Punsch und Butterbrot. Die beiden Dorfmusikanten Carsten Schmuck und Heinrich Heeschen machten mit der Handharmonika die Musik.

Einzelnachweise

  1. Veröffentlicht im Heimatkundlichen Jahrbuch 1951 für den Kreis Rendsburg, Seite 119ff