Archiv:Gegen die Güterschlächterei
Gegen die Güterschlächterei
In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des landwirtschaftlichen Vereins hatte unser Amtsvorsteher, Claus Gloy, Innien, vierteljährlich der Direktion des Generalvereins bzw. der Landwirtschaftskammer in Kiel über die wirtschaftliche Situation der bäuerlichen Betriebe seines Bereichs zu berichten. Seine Ausführungen sind für die Beurteilung des Leistungsstandes unserer einheimischen Landwirtschaft sehr aufschlußreich.
Es ist leider nicht möglich, die noch vorhandenen Berichte an dieser Stelle zusammenhängend einem größeren Leserkreis zugänglich z u machen. Das würde den Rahmen dieser allgemeinen Dorfchronik sprengen; aber ein im März 1900 - unmittelbar nach der Jahrhundertwende, als die Landwirtschaft in allen Teilen Deutschlands auf eine alsbaldige nachhaltige Besserung ihrer Ertragslage hoffte – abgefaßter Bericht verdient es, besonders hervorgehoben zu werden:
"In den hiesigen landwirtschaftlichen Kreisen macht sich jetzt eine vermehrte Veräußerung der ländlichen Besitzungen bemerkbar, und zwar in Form der Güterschlächterei. Meistens findet man, daß der Grund hierzu nicht in den ungünstigen pekuniären Verhältnissen des Besitzers zu suchen ist, sondern lediglich durch die ungünstigen Konjunkturen der Landwirtschaft hervorgerufen wird, wobei der betreffende Landmann sich sagen muß, daß die Erträge des in der Wirtschaft und dem Besitz ruhenden Kapitals und die durch die Betriebsleitung erforderliche Arbeitsleistung ungenügend verzinst bzw. bezahlt werden.
Schöne musterhafte Besitzungen werden zerstückelt und auf Nimmer-Wiedersehen zerteilt; denn einen größeren Bauernhof ganz zu kaufen, fällt niemand ein, da dieses für einen kapitalkräftigen Mann bei der Unrentabilität der Landwirtschaft geradezu unklug wäre. Nur durch Parzellierung ist es jetzt noch möglich, einen annehmbaren Preis für den Besitz zu erhalten. Vielfach wird befürchtet, daß wir einer gänzlichen Entwertung des Landbesitzes entgegengehen, da jetzt der freie unverschuldete Bauernstand immer mehr schwindet. Findet man doch, daß Kinder der Bauern auf die Übernahme des väterlichen Besitzes gern verzichten, weil ihnen bei einer anderweitigen Lebensstellung ein sicheres und bequemeres Fortkommen in Aussicht steht."
In einem Ergänzungsbericht hierzu heißt es, daß es tief bedauerlich sei, daß Milch und Butter nicht im Preis gestiegen seien, daß die Schweine nur 31 - 32 M je 100 Pfd. lebend kosten, daß der Landwirt lieber die Schweinemast aufgeben und die Kühe verkaufen möchte.
Wörtlich fährt Claus Gloy dann fort:
"Woher sollen aber die Mittel fließen, wenn der Produktionspreis der landwirtschaftlichen Produkte nicht durch den Verkaufspreis gedeckt wird, wie solches sowohl im Kornbau, als auch in der Viehhaltung der Fall ist; dabei aber die Steuern jährlich steigen, denn 200 % Gemeindelasten ist bei uns auf dem Lande keine Seltenheit mehr."
So urteilt ein erfahrender Praktiker über "jene gute alte Zeit", die - 1900 - unter den Auswirkungen der noch nicht ganz überwundenen Caprivikrise stand.