Archiv:Mit dem Dampfzug nach Innien

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Jan-Dieter, Inge, Jens-Uwe, Diderich und Hans-Jürgen Lösch
Ferien in Innien. Links sitzt mein Bruder Jens-Uwe, der den Hund streichelt, Herrmann FRÄCKEM beim Kaffee einschenken und seine Frau Magda FRÄCKEM, die am Stricken ist.

Gelegentlich kam auch mal Helga ihre Mutter aus Osterstedt nach Datum. Oma Frieda Lemke. Also die Schwägerin von meiner Oma, „MIEDDE GLOY“! Wenn Oma Frieda sich in Datum, in der Lösch Gärtnerei satt gesehen hatte, bekamen wir die Gelegenheit, auf dem Rückweg nach Osterstedt mit ihr zu fahren.

Sie lieferte uns dann in INNIEN auf dem GLOY-Hof ab. Das lag ja auf der Strecke. Was für eine Freude, für Ursel und mich. Wir durften mit Oma Frieda mit dem Zug nach INNIEN fahren. Ursel fuhr nach Osterstedt weiter, und ich blieb in INNIEN. Das war ein Erlebnis. Damals mit der Dampflokomotive eine so lange Fahrt zu machen. Opa Alfred brachte uns in einem alten Militär - Jeep zum Pinneberger Bahnhof. So ein Jeep gehörte zur Gärtnerei. Im hinteren Teil waren zwei Bänke über den Radkästen, worauf man sitzen konnte.

Das Abteil war überdacht mit einer Plane. Damit wir hinten nicht herabfielen, war die Klappe noch um zwei Bretter höher abgesichert. Am Pinneberger Bahnhof angekommen, wurden wir samt Gepäck abgeladen. Bis hier waren es etwa 7 km. Wir gingen nun mit Oma Frieda durch die große Bahnhofstür, in den Schaltersaal. Am Fahrkartenschalter löste Oma Frieda dann die Fahrkarten für uns. Der Beamte öffnete das kleine ovale Fenster an seinem Schalter, und Oma Frieda sagte ihm, wohin unsere Reise gehen sollte. Der Bahnbeamte zog nun aus einer Halterung, eine unbedruckte Pappfahrkarte.

Diese kam in einen Drucker und der druckte das Fahrziel, die Sitzklasse, und den Fahrpreis auf die Fahrkarte. Der Schaffner war durch eine Glasscheibe von uns getrennt. Unterhalb der Scheibe war ein Drehteller angebracht. Nun wurde das gewünschte Fahrgeld auf einen Drehteller gelegt. Der Bahnbeamte legte nun seinerseits die Fahrkarte auf seine Seite des Drehtellers. Durch einen Hebel drehte sich der Teller und jeder bekam seine Sache. Wir die Fahrkarte, und der Beamte sein Geld.

Der Beamte sah auf die große Bahnhofsuhr, setzte sich eine rote Schirmmütze auf seinen Kopf und ging an eine Schaltvorrichtung an der Wand. Hier waren mehrere große Hebel, die wie Handbremsen aussahen. Er betätigte zwei dieser Hebel. Der eine war für die Weichenstellung, der andere für das Einfahrtsignal! Der Zug sollte auch gleich kommen. Wir gingen nun noch durch eine für uns gefährliche doppelte Pendeltür. Diese konnte Oma Frieda nur schwer offenhalten. Denn in beiden Händen hatte sie ihr und unser Gepäck. Und wir mussten sehen, dass wir auch durch diese Tür kamen und die Tür uns nicht vor den Kopf knallte. Auf dem Bahnsteig war auch schon der Bahnbeamte mit der roten Mütze.

Wir sahen wie die Lokomotive aus Richtung Thesdorf, qualmend sich dem Pinneberger Bahnhof näherte. Aus den Lautsprechern ertönte „bitte von der Bahnsteigkante wegtreten“. Der Bahnbeamte hielt in der linken Hand eine Kelle. Auf der einen Seite war sie rot, auf der anderen Seite grün. In der rechten Hand hielt er einen Stock, mit einem Haken. Nun zog er aus einer Halterung ein Hinweisschild, das in drei Meter Höhe angebracht war. Hier drauf stand gedruckt, wohin der Zug Fährt.

Also stand dort, Personenzug nach Kiel, über Wrist, Neumünster. Auf einem anderen Schild stand die Abfahrtszeit 11.15 Uhr. Der Zug lief planmäßig im Bahnhof ein. Ich war kaum noch zu halten und wollte so schnell wie möglich in das Abteil steigen. Doch wir mussten Ausschau halten, nach einem Wagon, der mit einer 3 markiert war. Dieses war die günstigste Klasse um zu fahren. Das Geld war überall knapp. Der Wagon war mit Holzsitzen ausgestattet. Aber das machte unseren jungen Hintern ja nichts aus.

Wir standen nun vor dem Wagon. Drei offene Holzstufen führten hinauf ins Abteil. Das sah schon gefährlich aus für uns kleinen Steppkes. Wenn wir da man nicht hindurchfallen würden!? Im Abteil angekommen, wurde das Gepäck in den Netzen über den Sitzen verstaut. Oma Frieda öffnete das Fenster für uns, damit wir den weiteren Ablauf am Bahnsteig beobachten konnten.

Unter dem Fenster zog ein Bahnbeamter einen vierrädrigen Holzkarren, mit Hartgummireifen vorbei. Darauf befand sich ein Fahrrad, einige große Koffer, eine offene Kiste die mit Kückendraht bespannt war. Hier drinnen hockten einige Hühner und weiße Enten. Auch einige Postsäcke lagen auf der Holzladefläche. Diese Sachen mussten noch in den Gepäckwagen geladen werden. Alle Wagontüren wurden nun mit Schwung vom Bahnsteig her zugeknallt. Der Schaffner mit der roten Mütze, schaute zum Lokführer. Dieser hing halbwegs über die halbhohe Lok Tür hinaus. Im Mundwinkel seines rußgeschwärzten Gesichts hielt er mit seinen Zähnen eine dampfende Tabakspfeife. Nun blies der Schaffner in seine Trillerpfeife, und hob die Kelle hoch, so dass die grüne Seite dem Lockführer zugewandt war. Das bedeutete „ABFAHRT“!

Dampflok am Bahnhof Innien

Der Lokführer betätigte einige Hebel und Rädchen in seinem Stand, und die Lok setzte sich langsam, schnaufend und stöhnend in Bewegung. Der 2. Mann im Lockstand schaufelte noch einige Schaufeln voll Koks in den Feuerkessel. Eine riesige dunkle Dampfwolke wich aus dem großen Schornstein, und hüllte den Bahnsteig damit ein. Wir schlossen die Fenster und sahen während der Fahrt aus dem Fenster. Nur langsam gewann der Zug an Tempo.

Wir verfolgten die Telefondrähte entlang der Bahngleise. Diese tanzten bei schneller Fahrt immer auf und ab. Es waren manchmal bis zu 30 Drähte, die an den Masten befestigt waren. Hauptsächlich ging die Fahrt durch Wiesen und an Moore vorbei. Rot- und schwarzbunte Kühe weideten auf den Wiesen. Vereinzelnd aber auch einige Schafe. Der Zug hielt noch in Elmshorn, Dauenhof und Wrist!

In Neumünster mussten wir noch in einen anderen Zug umsteigen, der nach Heide fuhr. In Wasbeck hielt der Zug noch einmal. Bevor er am Bahnhof in INNIEN stoppte, pfiff die Lok einige mal an unbeschrankten Bahnübergängen. Da steht auf der Strecke dann immer ein kleines Schild mit einem LP, darauf. In INNIEN angekommen, verließen wir den Zug. Auf dem Bahnsteig stand wieder so ein Holzkarren bereit. Postsäcke, einige Rollen Stacheldraht, Kartoffelkörbe, und einige breite Holzharken wurden aus dem Gepäckwagen geladen.

Denn es war ja Sommerzeit und die Holzharken benötigte man zum Heuwenden. Am Bahnsteig in INNIEN lief ich noch einmal zur großen Lok. Die Schranken waren herunter gedreht. Ich wollte unbedingt sehen, wie sich die Lok wieder in Bewegung setzte. Ich als kleiner Knirps, stand nun direkt neben der großen schwarzen Lok. Ich kam einfach nicht aus dem Staunen heraus. Dieses riesige, große schwarze Ungetüm, mit seinen riesigen roten Rädern und dem dicken unübersichtlichen Gestänge. Überall, aus kleinen Kesseln und Behältern, tropfte, zischte, und dampfte es heraus. Was für eine Hitze erst, muss in dem riesigen liegenden Dampfkessel herrschen, um das alles erst in Bewegung zu setzen. Das enorme Gewicht der Lok, dem Tender mit Wasser, und der ganzen Kohle. Die schweren Waggons, mit den Fahrgästen.

All diese Gedanken rasten, rasten hin und her durch meinen kleinen Kinderkopf. Und doch funktionierte das ganze System irgendwie?! Da muss schon eine gut durchdachte Technik sein, so ein "GENEUK" ans laufen zu bringen. (selbst bis in die Mitte der 1960ger Jahre, waren diese Lokomotiven noch im Einsatz, als ich von Nortorf aus, über Neumünster nach Elmshorn zur Berufsschule fahren musste. In Neumünster wurde am Zeitungsstand eine „BILD ZEITUNG“ gekauft, die damals 1963 mal ganze 10 Pfennige kostete. Also 0,10 DM! (in Euro heute etwa 0,05 Euro!)

Also in INNIEN pfiff der Bahnbeamte in seine Trillerpfeife, und die Bremsen des Zuges wurden gelöst. Ein sattes, schweres stampfen setzte ein, und die riesigen Räder setzten sich in Bewegung. Doch auf einmal, zischte es ganz schnell und laut, und die schweren Eisenräder der Lok, drehten mehrmals auf der Stelle durch. Das war etwas ganz besonderes und aufregendes für mich. Sicher war im Dampfkessel während des Stehens am Bahnhof, ein Überdruck entstanden, der abgelassen werden musste.

So vermochte man erahnen, welch eine Kraft sich in der Lokomotive befand. Ich schaute dem Zug noch lange hinterher, der mit zunehmender Geschwindigkeit in der Ferne im „HÖLLN“ (Waldgebiet bei INNIEN) unter einer Brücke verschwand. Er fuhr nun in Richtung Hohenwestedt und Osterstedt nach HEIDE, seinem Endziel - Bahnhof!

Nun konnte es endlich gemütlich von Innien's Bahnhof zum GLOY-HOF gehen. Tante Frieda Lemke und Ursel gingen gemeinsam. Ich konnte es vor Enthusiasmus alles nicht mehr aushalten, und eilte alleine immer schon 20 m Voraus.