Archiv:Sitten und Gebräuche (1913)

Aus Aukrug Geschichte Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Sitten und Gebräuche

Von Amtsvorsteher Cl. Gloy=Innien.

Die große Hochzeit. (Köst.)

Wenn ein Paar aus dem Bauernstande Hochzeit feiern wollte, so wurden die Verwandten, sowie Bekannten in den umliegenden Ortschaften hierzu geladen. Dieses geschah, indem die Braut mit einer Frau per Wagen in dem Orte umherzog, und zur Hochzeit einlud und gleichzeitig den Brautschatz sammelte, wozu in der Regel einige Hand voll Federn gegeben wurden, die in einen mitgeführten Kissenbezug gesteckt wurden. Am Tage vor der Hochzeit wurde von den Nachbarn Butter gebracht, in Stücken von 8—10 Pfund. Diese Butterstücke waren mit Blumen und Figuren schön geschmückt und standen dann zur Schau. (Botterbeersdag). Zur Bereitung der Speisen (Weinsuppe, sowie Suppe von Rindfleisch und Reis mit Butter) wurde auf dem Hofplatz oder im Garten eine Grube von einigen Metern Länge, 1 Meter Breite und 3 Meter Tiefe gegraben. Darüber wurden eiserne Stangen gelegt und die großen kupfernen Kessel darauf gestellt. Anstatt Kartoffeln und Klöße wurde Weißbrot zu der Suppe gegessen. Ein oder einige Tage vor der Hochzeit war Ausschub. Die Mobilien und Haushaltungsgegenstände wurden dann von dem Hause der Braut in das Haus des Bräutigams gebracht, wozu dann entsprechend viele Wagen aus dem Orte genommen wurden. Zwei Frauen aus der Nachbarschaft wurden mit eingeladen und diese suchten aus dem Hause der Braut möglichst viele wertvolle Gegenstände zu entwenden. Bei der Heimfahrt saßen der Bräutigam und die Braut auf dem vordersten Wagen, die beiden Frauen auf den beiden folgenden Wagen, wobei diese eine Haspel und ein Spinnrad mit Wocken auf dem Schoß hatten und unter Gesang in Bewegung setzten. War der Zug nun im Ort angelangt, so standen dort die männlichen Einwohner mit Flinten bereit und empfingen die Wagen mit Schüssen. Vor der Hofstelle des Bräutigams postierten sich einige Männer, die durch Abgabe von Schüssen gegen den Bräutigam diesen zwangen, abzubiegen und 3 mal um einen öffentlichen Dorfplatz herumzufahren, während dessen fortwährend geschossen wurde. Dieses wurde „Krinkfahren“ genannt.

Am Hochzeitstage fuhren das Brautpaar mit den Brautjungfern und Brautführern (Hanschenknechte) zur Kirche. Hierbei hatten die letzteren einen Strauß im Knopfloch und saßen auf den Wagenstühlen, während die Mädchen (Brautjungfern) hinten im Wagen lagen (im Kälberloch des Kührwagens) und mit seidenen Tüchern winkten. Der Brautwagen war mit 4 Pferden bespannt. Von der Kirche zurückgekehrt wurde das Brautpaar an der Tür des Hochzeitshauses von einem Nachbarn mit einem Glas Branntwein begrüßt. Der Bräutigam trank der Braut zu und diese mußte, nachdem sie auch ihr Glas geleert, dasselbe rückwärts über ihren Kopf werfen; wenn dann das Glas zerbrach, so wurde dieses für ein gutes Omen gehalten. Jetzt ging der Hochzeitszug mit Musik in das Haus und die Gäste nahmen Platz. Das Essen begann nach Gebet und Gesang. Die Hochzeitsgäste hatten selbst für Tischgeräte, Messer, Löffel und Gabel zu sorgen. Von den Frauen waren die meisten mit einem Besteck versehen, worin diese Gerätschaften in oft recht teuren Exemplaren vorhanden waren, meistens Brautgeschenke von ihrem Mann als Bräutigam, während die Braut ihm eine Meerschaumpfeife mit Silberbeschlag schenkte. Nach der Mahlzeit wurden die Gaben dem Brautpaare überreicht. Verwandte gaben silberne Löffel und die übrigen Gäste meistens Geld; die Gaben wurden einzeln notiert auf einer Liste. Während der Mahlzeit wurde auf einem Teller von der Hebamme, Köchin, Schüsselwäscherin und den Musikanten gesammelt, jede Person erhielt von jedem anwesenden Gast einen Sechsling oder Schilling. Nach der Mahlzeit wurde getanzt. Der erste Tanz war der Schaffertanz, derselbe wurde ausgeführt von dem Bedienungspersonal: Köchinnen, Hausmädchen, Schaffern u. a.

Danach folgte der Brauttanz. Hierbei tanzten das Brautpaar und zwei weitere Paare von den nächsten Verwandten, während die übrigen Brautjungfern sich um den Tanzkreis herumstellten, wobei sie zwischen jedem Fingerpaar ein Licht, also in jeder Hand 4 brennende Talglichter hielten und diese nach dem Takt der Musik schwenkten. Nachts um 12 Uhr und des Morgens um 3 Uhr wurde dieser Brauttanz nochmals wieder aufgeführt. Bei dieser letzten Aufführung wurde die Braut dem Bräutigam von verheirateten Frauen entrissen und in ein dunkles Zimmer geführt, wo sie zwischen mehreren vorhandenen Frauen versteckt wurde und vom Bräutigam gesucht werden mußte. Nachher gab es Wein, jedoch nur für die Frauen. Einzelne Gäste von den auswärtigen Ortschaften blieben den nächsten Tag noch dort und dann wurde mit Musik im Orte herumgegangen, in jedem Hause wurde auf der Diele getanzt und die Gäste von dem Besitzer mit Branntwein traktiert. Alle Einwohner des Ortes beteiligten sich hieran, Jung und Alt. Auf diesen Hochzeiten waren mitunter 3—400 Paare. So 1851, als Jochim Kaak in Böken sich verheiratete 375 Paare. Etwa 20 Musikanten spielten dazu auf. Selbst Kuhstall und Hofplatz dienten als Eßsaal.

Kindsfoot. (Kindelbier.)

Wenn in einem Hause ein Kind geboren ward, so wurde die Nachbarschaft davon benachrichtigt, und die Frauen gingen hin, um der Wöchnerin ihren Glückwunsch zu bringen. Es ward Kaffee und Butterbrot gereicht und späterhin wurde Branntwein geschenkt, wobei oft recht heitere Zustände hervorgerufen wurden. Es wurde z. B. von den Anwesenden über ein brennendes Licht gesprungen, das an die Erde gestellt war; diejenige, die dann das Licht hierbei auslöschte, mußte ein Glas Branntwein leeren. Man tanzte auf Tischen usw.

Wenn Tagelöhner in Not geraten waren, so ward ihnen aufgegeben, bei Anlaß von Geburten ein Fest zu geben, wozu das Dorf erschien wie bei Hochzeiten. Es gab Kaffee, Brot und Kuchen. Ein Tanz schloß die Feier. Der Veranstalter erhielt von den Gästen Geld, oft einen Thaler oder mehr. Das Fest wurde in einem Bauernhause abgehalten und hieß Kindelbier.

Begräbnis.

War jemand gestorben, so wurden die Nachbarn davon benad richtigt und die Frauen gingen ins Sterbehaus und bekleideten die Leiche worauf dieselbe auf ein Brett gelegt und mit überhängenden Laken bedeckt wurde. Nach einigen Tagen, wenn der Sarg vom Tischler angefertigt war, wurde die Leiche in den Sarg gelegt. Bei beiden Handlungen gab es Branntwein. Am Begräbnistage wurden die Nachbarsleute. geladen und zu einer bestimmten Stunde wurde Suppe gegessen, dann die Leiche von Lehrer und Kindern bei offenem Sarge ausgesungen und nach Nortorf gefahren. Hier wurde die Leichenfeier in dem Wirtshause oder in der Kirche gehalten. War der Leichenzug vom Kirchturm aus sichtbar, so mußte das Läuten der Glocken beginnen. Nachdem die Beerdigung stattgefunden, wurde dem Gefolge in der Gastwirtschaft Kaffee und Brot oder Kuchen verabfolgt. Nach erfolgter Rückkehr wurde den Nachbarn und Verwandten wieder Kaffee und Butterbrot im Leichenhause angeboten. Diese Feier kostete allein an Bewirtung des Gefolges ca. 300 Mk. Die Wagen mußten im Winter bei Schneegestöber oft über Knicks und Koppeln fahren, eine Fahrt und Reise, wobei wohl mancher sich erkältet und seine eigene Todesursache geholt hat.

Hinsel. Niebursbeer.

Wenn eine junge Frau zum ersten Male an einer öffentlichen Gesellschaft teilnahm und nach Hause gehen wollte, so wurde sie von den Anwesenden hinbegleitet und mußte nun Kaffee kochen, wobei Brot, Butter, Schinken, Speck, Wurst u. a. auf den Tisch gestellt wurde zum Genuß für die Anwesenden. Nach dem Kaffee wurde Branntwein geschenkt. Dieses wurde Hinseln genannt. Ein Bauer, der verheiratet wurde, mußte den jungen Leuten 5—10 Kannen Branntwein und eine Tonne Braunbier geben, wobei in seinem Hause getanzt wurde. Dieses hieß Niebursbeer.

Jott.

An Winterabenden gingen die Bauern und ihre Frauen zusammen zur gegenseitigen Unterhaltung bei Kaffee und Kartenspiel. Die jungen Leute gingen alsdann auch nach einem Hause, wo der Mann und die Frau auf Nachbarschaft waren und vergnügten sich bei Tanz und Pfandspielen (Klappteller). Diese Zusammenkünfte wurden Jott genannt.

Ringreiten.

Das Ringreiten war ein Sommervergnügen für junge Leute. Die Feier fand in einem Bauernhause statt und wechselte jährlich, wie alle Tanzvergnügungen. War die Abhaltung des Festes beschlossen, so wurde der Bauer, den die Reihe traf, von zwei Knechten gebeten, in seinem 160 Hause das Fest feiern zu dürfen. Dann wurden zwei oder drei Mädchen beauftragt, die Gewinne aus der Stadt zu holen: Stoff zu einer Weste, seidene Halstücher u. a. S. Auch die Königsschilder hatten sie zu besorgen. Diese bestanden aus dreieckigen, mit Papier oder Tuch überzogenen Pappschildern. Sie waren mit Glasperlen, Blumen und seidenen Bändern geschmückt. Diese wurden den Königen an Mütze oder Hut geheftet. Die „Bräute“ der Könige bekamen nur Blumen mit Bändern. Am Abend vor dem Feste gingen die Mädchen des Ortes zum Festhause, um Kränze zu winden. Ein Kranz schmückte die Tür des Hauses, ein anderer, vierteiliger, wurde um die vierarmige Leuchterkrone gehängt, die an jedem Arm ein dickes Talglicht trug. Hatten die Mädchen das Schmücken unterlassen, so wurde ihnen zum Spott dafür ein stumpfer Besen vor die Tür gehängt. Beim Ringreiten gab es drei Gewinne. Den ersten Gewinn erhielt derjenige, der am ersten 5 Ringe beim Durchreiten mitgenommen hatte, den zweiten, wer 4, den dritten, wer 3 mal dies geleistet hatte; jedoch wurde bei jedem Gewinn wieder von vorne begonnen. Wer beim Reiten vom Pferd gefallen (Sandrüter), bekam an einem Band ein 2 Schillingsbrot umgehängt. Wer den Ring nicht ein einziges mal mitbekommen hatte, wurde „Blindsteker“ und erhielt eine Flasche Branntwein umfehängt. Die Mädchen hatten während der Zeit Topfschlagen, Eiersuchen der Ringfahren. Nach Beendigung des Reitens wurde unter Musikegleitung nach den Wohnungen der Könige und Bräute geritten, woselbst jedem Teilnehmer ein Glas Branntwein gereicht wurde. Nachdem die Pferde in den Stall gebracht waren, ging es zum Festhause. Dort mußte der erste König die andern Könige und die Bräute mit einer Flasche Wein bewirten. Diese kostete 12 Schilling. Um den Wein genießbar zu machen, wurde Zucker hineingetan. Dann ging es ans Tanzen. Der erste Tanz wurde von den drei Paaren aufgeführt. In älteren Zeiten gab es nur Bier und Branntwein als Getränk. Ersteres wurde aus zinnernen Kannen (Krosen) getrunken. Die Mädchen trugen bei diesem Feste weiße Schürzen. Gefallene Mädchen durften am Feste nicht teilnehmen, oder wenigstens keine weiße Schürze tragen. Am Schluß des Festes gab es im Festhause „großen Mehlbeutel“, doch kamen nur wenige Teilnehmer bis zum Schlußakt.

Fastnacht. (Fasselabend.)

Diese Feier war zur Hauptsache für die älteren und verheirateten Ortsmitglieder bestimmt und wurde ebenfalls in den Bauernhäusern bei Branntwein und Bier abgehalten. Das Zeichen zum Anfang des Tanzens wurde gegeben, indem die Musikanten vor die Haustür traten und einige Weisen spielten. In älteren Zeiten waren als Musikinstrumente vertreten 1 Klarinette, 1 Violine und Baß. Ein Tänzer legte beim Beginn eines Tanzes 1 Schilling auf den Teller des Waschtisches, an dem die Musikanten saßen und hierfür tanzten dann sämtliche Beteiligten. Dieses wurde so lange fortgesetzt, bis alle Beteiligten ihren Schilling geopfert hatten. Beim Abtreten küßten sich die Paare.

Wenn am nächsten Tage dann einige, die an solchen Veranstaltungen Freude fanden, nachbarschaftlich wieder zusammentrafen, so wurde der Branntweinflasche wieder zugesprochen und es ging dann mit den Frauen von Haus zu Haus, bis der ganze Ort sich wieder angeschlossen hatte (= Umsingen). Hierbei wurde dann Schwarzsauer, gesäuerter Speck, Eier und Mettwurst gegessen, teilweise in dem einen Hause entwendet und im andern Hause zubereitet, wobei denn manche Hausfrau, ohne es zu wissen, von ihren eigenen Lebensmitteln im Hause der Nachbarin genoß. Derartige Entwendungen von Lebensmitteln wurden nicht übel genommen. Ueberhaupt wurde an solchem Tage übermäßig viel Scherz getrieben und wehe dem, der sich hierauf nicht verstand. Es wurde aber von den Bauern darauf gehalten, daß die Insten und Tagelöhner ziemlich frei Bier hatten, und Standesunterschiede merkte man durchaus nicht, wie überhaupt in früheren Zeiten wenig. Ein hierbei öfters aufgeführter Tanz wurde „Polsch met de Wett (Polsches Quartett?) genannt. Es war kein Rundtanz.

Maigrön. (Maigreon).

Mit diesem Namen wurde ein Tanzvergnügen bezeichnet, das im Anfang des Frühjahrs abgehalten wurde, wobei folgenderweise verfahren wurde: Die Jugend des Dorfes beschloß, dieses Fest zu begehen. Es wurden nun ein Redner (Maikönig) und eine Rednerin (Maikönigin) gewählt. Am Abend vorher wurde ein Doppelkranz gewunden, aus welchem von der Mitte aus ein langer Stiel hervorragte zum Zwecke der Befestigung. Am Nachmittage des bestimmten Tages versammelte sich die Dorfjugend in dem Hause, wo der Kranz gewunden war (dieses Haus war gewöhnlich möglichst weit von dem Hause entfernt, wo das Fest abgehalten wurde). Der Kranz stand in einem Butterfaß (Butterkarn) und die jungen Mädchen mit weißen Schürzen, Miedern mit kurzen Aermeln (Spenser) bildeten einen Reigen, tanzten um den Kranz, wobei sie ein Lied sangen. Darnach erfaßte die Maikönigin den Kranz uud trug ihn unter Vorantritt der Musik im Gefolge der Dorfbewohner und unter Gesang der Mädchen nach dem Festhause. Hier hatte der Maikönig sich auf der First des Hauses vorn am Giebel plaziert und einen Strick, der zur Befestigung des Kranzes diente, bis zur Erde herabgelassen. Nachdem der Kranz befestigt war, sangen die Mädchen das Lied: „Wir winden dir den Jungfernkranz.“ Hierauf hielt die Maikönigin eine kleine Ansprache an den Maikönig, worauf dieser eine Erwiderung in längerer Rede folgen ließ und die Königin ersuchte, ihm den Kranz zukommen zu lassen. Nun versuchte er, den Kranz hochzuziehen; jedoch war von den Mädchen noch ein Strick mehr am Kranze befestigt worden. Diesen Strick erfaßten nun die Mädchen und hinderten den König, den Kranz hinaufzuziehen; wenn es ihm nicht gelang, so mußte er weitere Ansprachen halten und auch die Königin mußte ihm durch Reden erwidern, bis endlich nach mehreren Reden und Gegenreden der Kranz auf die First gelangte und dort am Giebel von dem König befestigt wurde. Eine im Kranz befestigte Weinflasche wurde später von König und Königin als Lohn für ihre Mühe geleert. Darauf folgte der Tanz.

Tanzvergnügen.

Tanzvergnügungen wurden außer Fastnacht und Ringreiten höchstens noch ein mal im Jahr abgehalten. Diese Vergnügungen hießen „Tom Beer“ oder „Gelach Diese wurden einfach bei Bier und Branntwein gefeiert, und es wurde auf der Lehmdiele ohne Bohlenbelag getanzt. Hierbei artete das Vergnügen oft in Schlägerei aus, wobei eine Ortschaft gegen die andere kämpfte, jedoch wurde das Messer hierbei wenig gebraucht. Im Winter wurde auch wohl Eisboßeln bei dem Tanzvergnügen getrieben. Beim Eisboßeln kämpfte eine Ortschaft gegen die andere. Die besiegte Ortschaft mußte die Zeche bezahlen.

Die Arbeitsverhältnisse.

Die Tagelöhner verdienten als Tagelohn 6—8 Schilling und die Kost im Sommer und 4—6 Schilling im Winter. Das Brot von 5 Pfund kostete 8 Schilling. Es war also kein Wunder, wenn ein Tagelöhner bei solchem Verdienst stehlen mußte, um seine Familie zu ernähren. Häufig wurden Besenreiser von den Knicks geschnitten, um damit einige Schillinge in den Feierstunden zu verdienen. Die Diebstähle waren auch meistens Mundraub, Brot, Mehl und dergleichen. Die Großknechte verdienten ca. 90 Mk. und etwas Leinen. Die Mädchen erhielten 40—50 Mk. und Leinen, sowie Stoff (Leinewand) zu Röcken, legten aber trotzdem noch einen Spargroschen zurück. Wenn ein Dienstknecht oder =mädchen wegen Trägheit oder aus sonstigen Ursachen entlassen wurde, so ward dieses als ein Schimpf angesehen.

Flachs= und Hanfbau.

Der Flachs wurde auf dem Felde angebaut. Auf Bauernhöfen wurde für den Besitzer selbst eine Fläche von ca. 2 Spint = ca. 15 a ausgesät.

Die Dienstboten, besonders Mädchen, hatten in ihren Lohnbezügen auch häufig sich die Aussaat von ½ oder 1 Spint Flachs bedungen. Die Düngung der Parzelle, die Bearbeitung, sowie Aussaat war Sache des Bauern, während das Gäten und Reinhalten von den Dienstboten in den Feierabendstunden bei gegenseitiger Hülfe besorgt wurde. Im Juli und August wurde der Flachs mit der Hand aufgezogen, getrocknet und gedroschen. Der gewonnene Leinsamen ward verwandt bei Krankheitsfällen des Viehs und wenn eine Kuh gekalbt hatte, zur Reinigung des Darmkanals. Die Verwendung geschah nur in gekochtem Zustand.

Nach dem Dreschen ward der Flachs ganz dünn in Reihen, meistens auf der Heide, auch auf Ackerland, ausgebreitet (gespreitet) und von Zeit zu Zeit gewendet, damit durch die Witterungseinflüsse der Halm mürber gemacht wurde und die äußere Schicht (Bast oder Hardel) sich von dem inneren Teil (Schefen) bei der späteren Bearbeitung leichter löste.

Diese Behandlung dauerte meistens 3—4 Wochen, bei Regenwetter kürzere Zeit als bei trockenem Wetter. Sodann wurde der Flachs in große Bündel gebunden und in der Scheune gelagert, um zu gelegener Leit im Spätherbst verarbeitet zu werden.

Auch konnte diese Flachsbearbeitung in Lehmlöchern oder sonstigen Stellen mit stehendem Wasser beschafft werden, indem der Flachs im Wasser durch Beschweren der Bündel mit Steinen untergetaucht wurde. Dann war der Flachs in ca. 8 Tagen zu Bearbeitung fertig. Jedoch wurde dies Verfahren hier wenig angewandt. Denn infolge der raschen Reifung konnte durch ein zu langes Liegen im Wasser der Bast leiden und zu mürbe werden. Zur weiteren Bearbeitung des Flachses diente die Brake, ein aus gezackten Scheren bestehendes, hölzernes Instrument, wobei durch das Ineinanderfassen der Scheren der dazwischen gelegte Flachs gebrochen wurde und der innere und äußere Teil des Stengels von einander getrennt wurde. Diese Bearbeitung konnte jedoch nur gemacht werden, wenn die Flachsstengel ganz trocken und warm waren. Deswegen wurde der Flachs entweder vor einem mit brennendem Feuer versehenen Backofen getrocknet oder auch auf freiem Felde in einer ca. 3 Mtr. langen, 1 Mtr. breiten und 1 Mtr. tiefen Grube, worin in der ganzen Länge Feuer gemacht und mit geschälten Eichenknitteln unterhalten wurde, getrocknet[1]). Diese Bearbeitung nannte man Rösten. Die „Schefen“ wurden aber durch dieses Braken nur in unvollkommener Weise von den Hardeln oder Bast getrennt und daher mußte diese Arbeit noch wiederholt werden. Dies geschah mit einer Kneife, einem ähnlichen Instrument wie die Brake, jedoch mit ungezackten und enger gestellten Scheren.

Das Braken wurde von 2—3 Personen ausgeführt, denn mehr konnte nicht getrocknet werden, weil alle Feuchtigkeit ausgeschieden werden mußte. Beim Trocknen des Flachses war somit eine Feuersgefahr vorhanden, und ist dieses Verfahren im Backhause, wenn auch nur in selten Fällen, Ursachen eines Brandes geworden. Denn es kam vielfach vor, daß die ganz trockenen Flachsbündel Feuer fingen, für den Besitzer zum Schaden, für die mit dem Trocknen beschäftigten Personen zum Spott; aber die mit dem Braken beschäftigten freuten sich im Stillen, denn was verbrannte, durfte nicht bearbeitet werden. Das Braken und überhaupt jede Bearbeitungsmethode war sehr schwere Arbeit.

Der Flachs wurde handvollweise unter der Brake bearbeitet, und in Bunde von 21 Stück, wovon 1 Stück als Band benutzt wurde, gebunden. Beim spätern Kneifen, wenn die Handvoll durch das Beseitigen der meisten Schefen kleiner geworden war, wurden 2 Bunde zusammengebunden, dieses Bund ward mit dem Namen „Tapp“ bezeichnet.

Nach dem Kneifen ward die Schwingarbeit vorgenommen, um den letzten Rest der Schefe zu entfernen. In früheren Zeiten ward diese Arbeit von den Frauen nur auf dem „Schwingfuß“ gemacht. Dies war ein auf einem Fußklotz aufrecht stehendes, ganz glatt gehobeltes Brett. Der Flachs ward darüber gehängt und mit der linken Hand festgehalten, während mit einem platten Brett (ähnlich einer Handschaufel) der überhängende Teil des Flachses durch Schlagen bearbeitet wurde, bis die Reinigung erfolgt war. Hierbei gingen Nachbarfrauen zusammen und rauchten dabei ihre Kalkpfeife. Es war eine sehr langweilige Arbeit. Später, um das Jahr 1850, ward die Schwingmaschine erfunden. Durch das Drehen derselben wurden Flügel in Bewegung gesetzt, die an eine Brettplatte schlugen.

Hierdurch ward die Arbeitszeit sehr verkürzt. Es war dies wohl die erste Maschine, die auf genossenschaftlichem Wege angeschafft wurde, aber auch nur langsam Eingang fand.

War das Schwingen beschafft, dann wurde der jetzt zum Spinnen fertige Flachs „geknockt“. Hierbei ward eine Handvoll Flachs zusammengedreht und das dünne Ende im obern Ende befestigt. Hierdurch konnte eine bequemere Aufbewahrung in Säcken erfolgen und das Durcheinanderfallen der einzelnen Handvoll wurde vermieden. Auch wurde anstatt des Knockens „gekränzt“; hierbei wurde der Flachs in längeren Formen zusammengeflochten und schließlich in Kranzform zusammengebunden. Der fertiggestellte Flachs ward nun gewogen und es war eine besondere Ehre, wer im Dorfe den meisten Flachs gewonnen hatte.

Die Brakarbeiten wurden vielfach nach Feierabend gemacht, besonders bei der Bearbeitung des Flachses der Dienstboten. Es fanden sich dann auch Nachbarsleute hierzu ein, dann wurden Aepfel gebraten und geein Schnaps dazu gegeben. Diese Zusammenarbeit ward „Brakköst nannt, wobei es fröhlich herging. (Verschwundene „Burschenherrlichkeit“.) Nachdem nunmehr der Flachs zum Spinnen fertiggestellt war, wurde nach November mit dem Spinnen desselben begonnen. Die Hausfrau tat auch hierbei das Ihrige, aber bei den Bauern, wo 2 oder 3 Mädchen vorhanden waren, mußte, wenn des Morgens um 5—6 Uhr das Melken besorgt und das Frühstück (die Grütze) genossen war, ein Mädchen sofort an das Spinnrad und ununterbrochen den ganzen Tag bis 9 Uhr Abends spinnen, während das andere Mädchen die Hausarbeiten besorgte, jedoch nachmittags auch mit spinnen mußte, so daß am Nachmittag 3 Spinnräder in der Stube schnurrten. Die Mädchen wechselten mit den Arbeiten wöchentlich. Auch ward, wenn der gesponnene Flachs auf der Haspel gehaspelt ward, an dieser eine Uhr mit Zahlenangabe der gemachten Umdrehungen angebracht. Am Abend ward dann der am Tage gesonnene Flachs aufgehaspelt und das Mädchen mußte ihre bestimmte#n der Uhr festzustellende Zahl liefern. Das Spinnen geschah entwede unter der Hand, wobei der Flachs um den Leib am Schürzenband befestigt wurde, oder auch vom „Wocken“, der an dem Spinnrad befestigt war. Einzelne spannen auch von 2 Wocken mit beiden Händen. Je feiner der Draht wird, desto besser. War nun der Flachs auf diese Weise zu Garn verarbeitet, so ward es dem Hand= oder Leinenweber gebracht, der es zu Leinen verarbeiten mußte. Hiernach ward das Leinen in Boltzen geschnitten. Diese hatten eine Länge von 12—24 Ellen, und jetzt fing die Bleiche an. Das Leinen wurde in eine Tonne getan und mit kochend heißem Wasser, worin Soda und Asche von Buchenholz geschüttet war, mehrere Male begossen und abgelaugt. Das so vorbereitete Leinen wurde auf einem Holzklotz mit einem flachen, handschaufelähnlichen Holze bearbeitet (gebükt). Auch das Garn ward gebükt. Danach wurde es auf einem reinen grünen Rasenplatz ausgebreitet und jede Stunde mit frischem Brunnenwasser begossen. Täglich ward abends das Leinen aufgenommen und morgens wieder ausgebreitet, auch noch verschiedene male wieder gebükt, bis es eine schneeweiße Farbe erlangte, und zuletzt ward es unter dem Stolz der Hausfrau in den Koffer gelegt. Dieses war für die Frauen eine schwere Arbeit.

In einigen Häusern hatte man verschiedene Koffer voll Leinen, wovon den Töchtern dann zur Aussteuer mit gegeben wurde. Fast jeder Dienstbote hatte sich, wenn auch keinen Flachs zur Ausssaat, doch 12—24 Ellen Leinen als Lohn ausbedungen.

Der Hanfbau wurde in geringerem Maße betrieben als der Flachsbau; gewöhnlich ward hierzu ein größeres Stück Gartenland (Jahrt) genommen oder ein Stück Land in der Nähe des Hauses. Die Bearbeitung des Haufes war dieselbe, wie die des Flachses, nur war diese Arbeit in allen Teilen bedeutend schwerer. Während der Flachs ausschließlich zur Herstellung von Tisch=, Hemden= und andere Tüchern diente, wurde der Hauf hauptsächlich zur Herstellung von Sackleinen angebaut, aber auch wurde aus diesem Material, ja, sogar auch aus Sackheede, woraus die Schefe noch nicht mal ganz entfernt war, Hemden gearbeitet. Ein Material noch gröber und schärfer, als die gröbsten Sackwaren, die jetzt zum Kauf angeboten werden! Der bei dem Schwingen abgefallene Bestandteil des Flachses war die Heede, die unter dieser noch vorhandene Schefe wurde soviel als möglich mit einem Stock ausgeschüttelt und die Heede gerollt und später auch aufgesponnen. Hieraus gemachte Leinewand hieß Heedenleinen und ward als minderwertig angesehen. Sie diente besonders zur Herstellung grober Handtücher.

Kleidung.

Die Kleidung[2] war meistens aus eigengemachten Stoffen hergestellt, zum größten Teil wurden leinene Stoffe bei Männern getragen. Blau gefärbte leinen Hosen bildeten, meistens Sommer und Winter gleichbleibend, die Bekleidung. Im Winter wurde anstatt der blauen Jacke aus Leinen eine mit Flanell oder Wollstoff gefütterte Jacke. getragen, diese hieß „Koller“. Zu Festtagen trug man eigengemachte bessere Stoffe: Beiderwand, Dreitritt, Fünfkamm. Westen wurden vielfach aus Dreitritt, rot gefärbt mit gelben seidenen Streifen, getragen. Kurze Kniehosen, meistens aus Hirschleder gefertigt, mit 3 silbernen Knöpfen an der Seite, wurden ohne Tragbänder getragen. Als Kopfbedeckung trugeiadie Männer im Winter eine selbstgestrickte Zipfelmütze (Ackermann). Die Frauen trugen Kappen mit weißen Streifen. Die Hüte waren vielfach aus Wachstuch hergestellt. Der Hinterkopf war mit bedeckt und die Seiten standen am Gesicht etwas vor (Knickhut). Die Röcke der Frauen waren aus Beiderwand mit seidenen Strichen gewebt. Die Jacke trug kurze Aermel (Runtjer). Ein ähnliches Kleidungsstück hieß Spenser.

Das Dreschen.

Das Dreschen erfolgte nur mittelst der Flegel, deren Stock und Schläger mittelst Aalhaut zusammengebunden waren. Die Dreschzeit fing mit dem Dreschen des Saatroggens an, aber besonders war das Dreschen des Buchweizens von Wichtigkeit, denn dieser wurde mit Vorliebe vom Felde sogleich abgedroschen (aus der Sonne gedroschen). Dann waren 2—6 Mann vom Morgen bis zum späten Abend auf der Diele und eine Person legte stets die Diele vom beladenen Wagen aus voll Buchweizen, schaffte das abgedroschene Stroh fort oder kehrte die zuerst gedroschene Seite um, so daß die Drescher den Flegel den ganzen Tag über nicht aus der Hand bekamen, außer zu den Mahlzeiten. Vom Felde her wurden stets neue Fuder Korn herbeigeschafft. Beim Buchweizendreschen wurden keine Pantoffeln oder Stiefel getragen, sondern Socken über die Strümpfe gezogen, damit ja kein Korn zertreten würde. Im Winter wurde vom Boden gedroschen von morgens 4 Uhr bis abends ca. 7 Uhr. Vielfach ward auch das Dreschen in Akkord vergeben, wobei die Drescher das 12. oder 13. Korn erhielten. Es war die Winterarbeit der Tagelöhner. Selbst die aus der Marsch geholten Fuder Stroh wurden nochmal gedroschen, und man freute sich riesig, wenn noch ein Spint Korn erdroschen wurde.

Speisen.

Die Hauptspeisen bestanden aus Buchweizenmehl und Grütze, dazu Roggenschwarzbrot. Dieses war sehr fest und sauer von Geschmack. Morgens und abends gab es nur Grütze ohne Zukost. Am Mittag wurden hölzerne Teller gebraucht; Löffel und Gabel wurden vor die Fenster an den Häcken gestellt, als Messer wurden die Taschenmesser genommen. Als Tischdecke diente eine weißleinene Decke. In dieser wurden die Löffel von jeder einzelnen Person abgewischt und dann weggestellt. Vesper gab es nur nachmittags im Sommer. Bei Tisch wurde gebetet. Die Löffel waren fast sämtlich hölzerne, vielfach in runder Form, such fand man an einzelnen Stellen Hornlöffel.

Brotbacken.

Es wurde nur Schwarzbrot, für eine Zeit von ca. 4 Wochen ausreichend, im Backofen gebacken. Der Teig ca. 150 Pfund Mehl ward abends vorher angesäuert und am andern Morgen 4 Uhr ward der Ofen geheizt und der Teig geknetet. War das Brod zum Einschieben=fertig, so ward dasselbe zuvor auf ein Buchenbrett gelegt und vorweg angewärmt (gegesselt). Hierzu ward die Mitte des Ofens rein gemacht und die Feuerbrände nach den Seiten gestoßen. Es sollte hiermit eine Lockerung des Brotes herbeigeführt werden. Das Brot ward, nachdem es aus dem Ofen gezogen, entweder im Keller oder an der Diele im Rauch auf einer an der Wand befestigten Riole aufbewahrt. Wenn nun schon durch das starke Ansäuern des Teiches dem Brot ein sehr saurer Geschmack gegeben ward, so ward durch das Aufbewahren im Rauch demselben ein noch herberer Geschmack hinzugefügt, wodurch es fast ungenießbar und sehr schwer verdaulich wurde, zumal, wenn es mit stark säuerlicher Buttermilch zusammen genossen wurde. Bevor aber zur Bereitung des Brodteiches geschritten, wurde das feinere Mehl ausgesiebt; dieses ward mit Hefe zubereitet und davon ein Weißbrot (Stuten) gebacken, wovon 2 oder 3 mal gegessen wurde. Dieses Brot wurde als etwas besonders Schönes angesehen und Weizenbrot kannte man es ward alle 4 Wochen nur einmal gebacken. fast gar nicht.

Abendbeschäftigung.

Die Abende im Winter wurden von den Frauen resp. Mädchen mit Spinnen zugebracht, wobei die Männer und Knechte mitunter das Garnhaspeln besorgten. Die Männer banden auch Reisigbesen, machten Stöcke und sonstige kleine Handarbeiten in der Abendzeit. Alles ward in der Wohnstube bei der Tranlampe besorgt.

Ackergeräte.

Pflüge und Eggen waren auch in der ersten Hälfte der 19. Jahrhunderts wie im Vorgehenden beschaffen. Alle eisernen Gerätschaften wurden vom Schmied hergestellt und waren sehr plump. Düngerforken wogen oft 4 Pfund und mehr. Beim Heu= und Strohschütten wurden hölzerne Gabeln (Gaffeln) benutzt Die Wagenachsen waren aus Holz. Anstatt der Schrauben waren Stecken mit einem Schutzblech vor der Achse angebracht (Lünsen). Die bessergestellten Bauern hatten einen Stuhlwagen (Kührwagen, Mehlbüdelswagen). Die Leitern des Wagens bestanden aus weißgestrichenem Weidengeflecht. Zwischen den Leiterbalken hingen in Riemen 2 Stühle. An den Seiten befand sich ein schmiedeeiserner Tritt. Den hintersten Teil des Wagens nannte man das Kälberloch. Erst in den sechziger Jahren kamen Wagen mit Federn in Anwendung.

Fußnoten

  1. Eine gemauerte „Brakkul“ war hier unbekannt.
  2. Vergl. das Inventarverzeichnis S. 78 und die Aussteuer S. 82.