Archiv:Wanderung durch die Geestrücken um Hohenwestedt

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Titelseite Die Heimat Februar 1923
Fig. 11. Septarie aus dem Septarienton von Innien mit Schrumpfungsklüften und -Höhlen, die ganz oder teilweise von Faserkalk ausgefüllt sind. Nicht ganz 1/2 nat. Gr.
Fig. 12. Der Farbberg bei Nindorf von 30. aus gesehen. Die Vertiefung im Vordergrund ist durch Abbau entstanden.
Fig. 13. Lockeres Torfstückchen aus dem Nindorfer Farbeberg, imprägniert von Brauneisen — Ausscheidungen und durchragt von Gipsnadeln. Natürl. Größe.
Titelseite Sammelband Die Heimat 1923

W.Wetzel: Wanderung durch die Geestrücken um Hohenwestedt, Geologische Wanderungen in Schleswig-Holstein IV., Die Heimat, 33. Jahrgang, 1923 (Generalstabskarte: 81, Hademarscheu. Meßtischblätter: 494, Holtdorf und 571, Hennstedt.)

Während der Eisenbahnfahrt von Neumünster nach Innien genügt ein Blick aus dem Abteilfenster, um festzustellen, daß man sich in der Geest befindet. Wir durchqueren den „Neumünsterer Sander", eine der deltaartig ausgebreiteten Schmelzwassersandschüttung im Vorgelände der jungeiszeitlichen schleswig-holsteinischen Endmoräne.

Beim Verlassen des Zuges in Innien stehen wir am Nordende einer Hügelreihe, die bis fast 80 m Meereshöhe aufragt. Wir wollen sie den "Innien-Hennstedter Geestrücken" nennen. Einen Blick in seinen inneren Bau gewährt uns die Ziegeleigrube von Innien, die dicht südwestlich des Bahnhofes an der Straße nach Hennstedt liegt. Unmittelbar an der Straße liegt die alte, aufgelassene Grube. Von ihr aus gelangen wir in die neue Tongrube, in der z.Z. gute Ziegeltone abgebaut werden. Wir bemerken sofort, daß der blaugraue, zum Teil etwas grünlich erscheinende Ton nicht unmittelbar an die Erdoberfläche herantritt, sondern eine Decke von Geschiebemergel trägt, der seinerseits nach oben in Geschiebesand (Decksand) übergeht. Von der Geschiebeführung dieses Moränenmateriales wohl zu unterscheiden sind nun eigentümliche hellgraue Kalklinsen oder Knollen von Durchmessern bis ca. 1 m, die, aus dem Ton stammend, beim Abbau freigelegt und auf Haufen geworfen werden, wo sie offenbar leicht in schalige und sektorenartige Stücke zerfallen. Dieser Zerfall findet längs vorgebildeten Sprungflächen statt, die von gelben Kristallkrusten überzogen sind. Die solchermaßen durch Fächerbau ausgezeichneten „Septarien" sind Sammelausscheidungen oder Konkretionen von Kalkkarbonat, die in einem bereits abgesetzten Tonschlamm unter den Vorgängen der Lösungsdiffusion und der Ausflockung gallertiger Niederschläge nach und nach erwuchsen. Bei der Abgabe des ursprünglich erheblichen Wassergehalts dieser Waffen müssen Schrumpfungsrisse aufgetreten sein, die durch nachträgliche Auskristallisation von Kalkspat mit parallelfasrigem Gefüge und gelblicher Färbung mehr oder weniger ausgefüllt wurden. Diese schon entstehungsgeschichtlich interessanten Bildungen leisten uns hier fast dieselben Dienste wie sonst die Leitsossilien bei der geologischen Altersbestimmung.

Weit und breit ist nur eine ganz bestimmte Tonablagerung bekannt, die derartige Septarien einschließt, der mitteloligozäne Weereston, der kurz als „Septarienton" bezeichnet wird und an anderen norddeutschen und mitteldeutschen Fundorten, früher auch bei Itzehoe, eine reiche alttertiäre Fossilvergesellschastung geliefert hat. n unserem Aufschluß ist der Ton fossilarm, wie auch der Boden heutiger Flachmeere ungleich dicht mit Lebewesen oder deren Überresten besetzt ist. Kommt hier also der paläontologisch interessierte Sammler wenig auf seine Kosten, so hat doch der Mineraloge die Freude, außer den interessanten Septarien noch Konkretionen von metallisch glänzendem Schwefelkies, kugelig-traubige Gebilde mit schuppig-strahligem Gefüge und dunkelbraunen Phosphatkonkretionen von meist walzenförmiger Gestalt zu finden.

Um die Frage zu entscheiden, wie diese isolierte Waffe vordiluvialen Gesteins in so nahe Berührung mit der heutigen Erdoberfläche gelangt sind, haben wir die Grenze des Tones gegen die diluviale Woränendecke zu beachten, die auffallend unscharf und unregelmäßig ist. Dieses macht es zusammen mit anderen Beobachtungen und Erwägungen wahrscheinlich, daß der Ton selbst nichts anderes ist, als ein großer eistransportierter Findling, eine „Scholle", wie wir sie ähnlich aus unserer zweiten Wanderung dicht bei Ahrensburg angetroffen haben. Auch hier ist die Annahme berechtigt, daß kein weiter Transport der Tonscholle vom „Anstehenden" bis zur heutigen Lagerstätte stattgefunden hat. Sie kann uns eine Kunde geben von der Zusammensetzung des tieferen Untergrundes der Kmgegend. Wir werden noch sehen, daß in den Geestrücken solche Schollenführung von bemerkenswerter Häufigkeit ist. Das war früher auch schon in der alten Tongrube festzustellen, die nur in ihrem östlichen Teile Septarientone aufwies, während in anderen Grubenteilen interglaziale Ablagerungen, und zwar teils marine, teils Süßwasserbildungen aufgeschlossen waren. Zur Zeit ist an einer Stelle noch ein weißer Sand sichtbar, der vermutlich umgelagerter tertiärer Braunkohlensand ist. Kleine Fetzen von jungtertiärem fossilführendem Meereston und Blöcke von ebenfalls jungtertiärem „Holsteiner Gestein" finden sich ziemlich oft im Geschiebemergel der neuen Grube.

Wir müssen zum Bahnhof Innien zurückkehren und das Dorf durchqueren, um die Straße nach Heinkenborstel zu gewinnen, die uns quer durch eine im Nordwesten von Innien sich hinziehende Niederung führt. Diese Senke, die von Poyenberg im Süden bis zum Wildenmoor im Norden, ziemlich durchgängig zu verfolgen ist, wird streckenweise von Mooren eingenommen. Rechts von der Landstraße beobachten wir ein „totes", mit Heide und Gesträuch bewachsenes Hochmoor, in welchem Torfgewinnung im Gange ist. Da wir uns auf späteren Wanderungen eingehend mit dem Torf als geologischem Körper zu befassen haben, zögern wir nicht, den Weg nach Mörel einzuschlagen, um kurz vor dem Dorf rechtsab zum Försterhaus Mörel emporzusteigen.

So erreichen wir den „Hohenwestedter Geestrücken", der mehr kammartig und viel länger ist als die nun hinter uns liegenden Erhebungen bei Innien, und dessen Endigungen bei Lockstedt einerseits und im Holtdorfer Gehege bzw. im Hanradesberg zwischen Holtdorf und Bargstedt anderseits zu finden sind. Vom Waldrande aus genießen wir einen schönen Rückblick auf das bisher von uns durchwanderte Gelände, um sodann den Hohenwestedter Geestrücken auf dem Wege durch das Westerholz zu durchqueren und, den höchsten Punkt des Höhenzuges, die Höhe 82, links liegen lassend, die Straße nach Nindorf zu erreichen. Innerhalb dieses Dorfes, das bereits auf dem Westabhange des Höhenzuges liegt, lohnt sich ein kleiner Abstecher bis zu seinem Südausgang, wo unterhalb der Schule eine sehr große Sandgrube angelegt ist. Wenngleich eingefüllter Schutt und verstürzte Wände es ziemlich schwer machen ein einwandfreies „Profil" der Grube auszunehmen, läßt sich doch feststellen, daß eigentliche Grundmoräne nur in geringem Maß an der aufgeschlossenen Schichtfolge beteiligt ist, daß sie nur eine dünne „Hangendschicht" bildet. Unter ihr folgt grober Sand, der durch gelbbraune Eisenverbindungen mehr oder weniger stark verkittet, oder, wie man wohl sagt, "vertrautet" ist. Darunter zieht sich eine dünne Lage braunen Bändertones hin und bedeckt den ziemlich feinen, weißen bis gelblichen Schmelzwassersand, dessen mächtige Lagen das hauptsächliche Abbaumaterial darstellen. Die Schichten lassen die ihnen als ursprünglich zuzuschreibende horizontale Lagerung stellenweise vermissen, sie „fallen" vielmehr am besten Beobachtungspunkte stark nach Süden „ein". Zu einer allseitig befriedigenden Erklärung der hier vorliegenden geologischen Verhältnisse wäre es nötig, ziemlich weit auszuholen und u. a. ähnliche Ausschlüsse aus der Gegend von Itzehoe zum vergleich heranzuziehen. Einiges werden wir nach erfolgtem Besuch zweier weiterer Diluvial-Aufschlüsse in unserem Geestrücken zusammenfassend aussagen dürfen und vorläufig nur eine ältere Deutung der Schichten als Tertiärbildungen bezw. als Tertiärscholle — s. die im Folgenden angeführte Abhandlung von G. Petersen 1889 — zurückweisen müssen.

Zur Hauptstraße zurückkehrend überschreiten wir die Hohenwestedt-Rendsburger Kleinbahn nördlich der Haltestelle Nindorf, um den Weg zu erreichen, der über das Gehöft Linnbrook nach Stafstedt weiterführt, den wir aber nur bis zum 1. Km westlich der Bahn liegenden Gehöft verfolgen, das am Beginne einer vermoorten Auenniederung gelegen ist. Witten in dieser Niederung, die zum Entwässerungssystem der in die Eider mündenden Luhnau gehört, erhebt sich unvermittelt ein flacher Hügel, der „Farbeberg", eines der merkwürdigsten Naturdenkmäler unserer Heimat, das schon mehrmals nachdenkliche Naturfreunde beschäftigt hat, so 1857 M. Schlichting und 1889 J. Petersen[1].

Die Höhe des Hügels über dem umgebenden Wiesenterrain beträgt heute kaum mehr 4 m. Die Höhenangabe 6 m befindet sich in den erwähnten älteren Beschreibungen. Die ursprüngliche Länge, in der Talrichtung gemessen, beträgt 110 m, die Breite 90 m. Auf der Westseite ist der Hügel heute um ein gutes Stück durch Abbau verkürzt. Seine Hauptmasse wird durch einen eigentümlichen Torf gebildet. Namengebend ist dessen auffallender Gehalt an Eisenoxydhydraten von verschiedenen braunen bis gelben Farbtönen gewesen, welche sich in den höheren Lagen des Torfes angereichert finden. Nahe der Hügeloberfläche zeigen sich geradezu Sumpferz-Krusten. Außerdem sind dem Torf auf der Westseite des Hügels aber auch Schichten lockeren Kalktuffes zwischengeschaltet, und endlich enthält der hangende (oberflächennahe) Torf in großen Mengen Einzelkristalle und Kristallrosetten von Gips, dessen oft dicht gedrängte Nadelaggregate dem dunkelbraunen Torf einen seidigen Schimmer verleihen können.

Brennt man den Torf, so bleibt eine Asche, die hauptsächlich ein wasserarmes Hydrat des Eisenoxyds aufweist und daher tief rote Farbe besitzt. Diese Farberde ist früher fabrikmäßig ans dem Material des Hügels hergestellt worden, während der Kalktuff ein gutes Düngemittel abgegeben hat, in welchem der Sulfatgehalt eine sicherlich erwünschte Angabe war. An dieser Moorbildung sind schon den älteren Beobachtern die Kuppenform und der hohe Mineralgehalt des Torfes als besonders bemerkenswert erschienen. Diese Eigentümlichkeiten schließen sowohl den Vergleich mit einem Hochmoor als auch mit einem Niederungsmoor aus. Die richtige Erklärung wurde im wesentlichen schon von Schlichting gefunden. Es handelt sich um einen besonderen Quellmoor-Typus, wie er bislang aus dem Westen des norddeutschen Flachlandes kaum bekannt geworden ist. Schlichting weist mit Recht auf den starken Wasserandrang hin, der sich bei jedem tieferen Aushub im Bereiche des Hügels bemerkbar macht, auch noch heute, nachdem ringsherum gezogene Gräben eine teilweise Trockenlegung bewirkt und dem Quellwasser freien talwärtigen Abfluß bereitet haben. Eine schwammartige Wasserfüllung der oberen Teile des Hügels, von der Schlichting spricht, besteht nicht mehr. Der Berg wächst also auch nicht mehr, da auf der Hügeloberfläche nicht mehr die Lebensbedingungen für eine torfbildende Flora gegeben sind.

Heute tritt auch die stärkste Quelle nicht mehr unter dem Hügel aus, sondern etwas oberhalb an der Südostecke des Wiesenstückes, in einer Entfernung von etwa 100 m vom Hügel. Dieser neue Quellaustritt ist nun gleichsam ein embryonaler Farbberg, das heißt ein in Entstehung begriffenes Quellmoor. Durch das Pflanzenpolster hindurch kann man hier mit dem Stock noch den kiesigen diluvialen Untergrund fühlen, der sich übrigens auch auf der Wiese in Gestalt vereinzelt herausragender, großer Geschiebeblöcke verrät.

Die Quellmoore sind erst in neuerer Zeit Gegenstand eingehender wissenschaftlicher Untersuchung[2] geworden. In keinem der so bekannt gewordenen Fälle werden die Dimensionen erreicht, die unser Quellmoor besitzt bzw. besessen hat. — Die maximale Höhe der ostpreußischen Quellmoorhügel beträgt 3 m, der maximale Durchmesser 100 m. Als eine Besonderheit unseres Falles dürfte auch die charakteristische Gipsführung des Torfes anzusehen sein. Das Quellwasser, das die Entstehung des Farbberges veranlaßt hat, muß angesichts der Menge und Art der von ihm ernährten Pflanzen und des aus den Pflanzen entstandenen Torfes nicht nur außergewöhnlich ergiebig sein, sondern auch einen ungewöhnlichen Mineralgehalt aufweisen. Das nach der Geländeoberfläche beurteilte Einzugsgebiet unserer Quelle mag etwa 2 qkm betragen und erstreckt sich bis hin zu den früher erwähnten besonders starken Erhebungen des Hohenwestedter Geestrückens. Aber schon Schlichting hat die Vermutung ausgesprochen, daß es sich bei dieser Qelle nicht bloß um den Wiederaustritt von mäßig tief eingedrungenem Niederschlagswasser handele, sondern daß angesichts des hohen Mineralgehaltes des Quellmoortorfes mit der Herkunft des Wassers aus Ablagerungen zu rechnen sei, die einen höheren Gehalt an Eisen und Schwefel aufweisen als der normale diluviale Geschiebemergel, als welche vielmehr tertiäre Meeresablagerungen in Betracht kommen könnten.

Nun sahen wir ja zu Beginn unserer Wanderung, daß der Innien-Hennstedler Geestrücken eine tertiäre Scholle enthält, was kaum anders erklärt werden kann als dadurch, daß ein Gletschervorstoß, der unsere Gegend erreichte, emporragende Hindernisse zu beseitigen, abzutragen, hatte die sich ihm in Gestalt gehobener Untergrundmassen in den Weg stellten. Entsprechendes ist auch beim Hohenwestedter Geestrücken möglich und sogar, wie uns die nächsten geologischen Aufschlüsse zeigen werden, teilweise schon beweisbar. Auch in diesem Rücken ist altes Gestein in Form von Schollen der Erdoberfläche nahegerückt und hat vielleicht auch zu dem Mineralgehalt unserer Quelle Beiträge geliefert[3].

Wir begeben uns auf direktem Wege zur Kleinbahnstrecke zurück und verfolgen ihre Spur durch das Luhnstedter Gehege bis zum gleichnamigen Dorf, in welchem wir auf die Bandstraße nach Bargstedt (Richtung Nortorf) treffen. Dieser brauchen wir nur einige 100 m nach Osten zu folgen, um wieder an den Hohenwestedter Geestrücken, nunmehr an sein Nordende zu gelangen. Hier liegt auf Höhe 35 links an der Ehaussee eine Mergelgrube. Schon von weitem sieht man den auffallend hell gefärbten Aushub, einen ungewöhnlich kreidereichen Geschiebemergel, stark vermengt mit großen, frischen Feuersteinen. Der aus Kreideablagerungen stammende Anteil dieses Moränenschuttes ist so erheblich, daß man hier fast von einer Lokalmoräne sprechen und jedenfalls annehmen kann, daß die, wenn auch aus dem Gesteinsverbande herausgebrachten Kreidemassen keinen weiten Transport erlebt haben. Auch die diluvialen Bildungen als solche erheischen hier ein Wort der Diskussion. Ringsumher haben wir Sanduntergrund beobachtet, den man stellenweise durch Lupinen-Einsaat an Nährstoffen anzureichern sucht. Der Sand mag zum großen Teil als „Geschiebedecksand", ein letztes Ausschlemmungs- und Berwitterungsprodukt eines gealterten Geschiebemergels darstellen. Hier liegt nun nahe der Oberfläche ein wenig oder garnicht verwitterter Geschiebemergel, der sogar Düngewert für die Sandäcker besitzt.

Allerdings sind auch an den Wänden unserer Mergelgrube Verwitterungserscheinungen zu beobachten, die aber weniger den ausgebeuteten Geschiebemergel betreffen als vielmehr sein „Hangendes". Wir haben auch hier ein zusammengesetztes Schichtprofil vor uns, das übrigens nicht leicht zu deuten ist. Es scheint so, als ob hier von einer bereits in erheblichem Umfange ausgebildet gewesenen Verwitterungsrinde des Geschiebemergels etwas fehlt, das späteren Abtragungsvorgängen zum Opfer fiel. Die Verwitterungseinflüsse der jüngsten Vergangenheit, so die chemischen Einflüsse des Rohhumus einer Wald- und Heidevegetation machen sich in einer sandigen Oberflächenschicht geltend, die mit dem Geschiebemergel unten nicht in direktem Zusammenhang steht. Folgender Erklärungsversuch mag zu Hülfe genommen werden, ehe genauere Angaben auf Grund geologischer Spezialuntersuchungen der ganzen Umgebung möglich sind: Wir befinden uns weit außerhalb der Endmoränenbögen der letzten Vereisung. Mag vielleicht auch dieses jungdiluvale Eis über die Stillstandslage der großen Endmoräne zeitweilig hinausgegriffen haben, so sind ihm doch nicht die mächtigen Geschiebeablagerungen zuzuordnen, die im Innern der Geestnicken überall angetroffen werden. Sie müssen einer älteren Glazialzeit angehöre. Die Erklärung dafür, daß dieser ältere Geschiebemergel hier Höhenzüge bildet, könnte von der Annahme ausgehen, daß nach der vorletzten Vergletscherung unseres Landes, das heißt während der letzten Interglazialzeit, sich in dieser Gegend die Wasserscheide unserer Halbinsel herausgebildet habe, deren Herrschaft durch die letzte Vergletscherung aufgehoben wurde. Statt der Annahme, daß hier an der vorgestellten einstigen Wasserscheide der Geschiebemergel als Erosionsüberrest emporrage und sich auch als Geländeschwelle erhalten hat, als während des Höhepunkts der nachfolgenden letzten Vereisung zwar nicht mehr Gletschererosion, wohl aber Erosion durch die reichlich fließenden Schmelzwässer wirken konnte, liegt nur noch der Ablauf zweier geologischer Ereignisse im Bereiche der Möglichkeit, die zur Herausbildung von Geländeschwellen zu führen vermögen und hier zusammengewirkt haben können: 1. tektonische Bewegungen des Untergrundes, also Ansätze einer diluvialen Gebirgsbildung und 2. Schichtenstauchung unter der Schubwirkung von Gletschereis.

Im Bereich einer tektonischen Störungszone können verschiedene ältere Ablagerungen (Kreide- und Tertiärschichten) an die Erdoberfläche gerückt worden sein, sodaß sie beim nächsten Eisvorstoß, in unserem Falle während der vorletzten Vergletscherung unserer Halbinsel, vom Gletschereis erfaßt und teilweise als Schollen weitergeschleppt werden konnten, oder auch so, daß der vorwärtsdrängende Eiswall die widerstandleistenden älteren Schichten, mehr oder weniger schon von Moränenschutt bedeckt und mit solchem durchmengt, zu Falten zusammenschob. Für die letzteren Vorstellungen bieten unsere Beobachtungen in den Geestrücken allerlei Stützen: — die Schrägstellung der Schichten in der Sandgrube Nindorf, die allerdings nicht so deutlich zu erkennen war, wie beispielsweise die schönen Stauchungserscheinungen in einem weiter westlich gelegenem Geestrücken zwischen Wacken und Schenefeld, aufgeschlossen in der berühmten Tongrube bei Wacken, oder wie die Stauchungserscheinungen in den Aufschlüssen der Umgegend von Itzehoe. In den letzeren Fällen nehmen übrigens ebenso wie Nindorf glaziale Stauseeablagerungen an dem Zusammenschub teil, deren Vorhandensein selbst wiederum das Bestehen wasserslauender Geländeschwellen zur Voraussetzung hat.

Wir brauchen auf der Straße nach Bargstedt nur wenige 100 m weiter zu wandern, um dicht unterhalb des Gipfels des Hanradesberges (65 m), auf der Westseite der Chaussee, einen neuen Aufschluß zu finden, der wiederum Material für unsere Erklärungsversuche liefert. Auch hier steckt im Kern des Berges Geschiebemergel, während weiter nach Südwesten zu am Hange früher vorwiegend Sand abgegraben worden zu sein scheint. Das augenblickliche Grubenprofil läßt zwar auch etwas zu wünschen übrig, doch fällt der äußerst unregelmäßige Verlauf der Verwitterungszonen des Geschiebemergels aus, der es zuläßt, daß stellenweise stark verwitterte Sandpartien bis zum Grund des Ausschlusses hinabgreifen, während daneben noch kalkhaltiger Mergel bis nahe an die heutige Oberfläche emporragt. Das deutet wohl auf Steilstellung und Faltenbau der Moränenablagerungen hin. Außerdem stecken in diesem Geschiebemergel wieder Kreideschollen, diesmal allerdings solche von mit geringen Dimensionen, wagenradgroße Massen weißer, Feuerstein führender Kreide von recht zäher Beschaffenheit. Also auch hier Stauchung- und Schollenführung als Begleiterscheinungen der vorletzten Vereisung, während wir auf unseren früheren Wanderungen das Gleiche für den Bereich der letzten Inlandeisbedeckung feststellten.

Angesichts des immerhin beträchtlichen Ausmaßes der Verwitterung, die hier den alten Geschiebemergel betroffen hat, fällt uns das andersartige Verwitterungsprofil des vorigen Aufschlusses wieder ein. wenn in der Luhnstedter Mergelgrube auf dem fast unverwitterten kreidereichen Geschiebemergel grünlich-gelbe, streifige oder auch fast weiße Lande lagern, so sind das jedenfalls nicht die Verwitterungsprodukte des älteren Geschiebemergels. Deren Fehlen kann aber durch Abtragung erklärt werden. Besonders lebhafte Abtragungsvorgänge sind im besonderen anzunehmen für die letzte Vergletscherungsperiode, die uns im Gsten unseres Landes die jüngere Grundmoräne brachte, die aber hier im Westen teils energisch wirkende Schmelzwässer schuf, teils wohl auch auf den eisfreien, aber doch frostreichen Höhen die heute im hohen Norden vorkommende Erscheinung „des Bodensließens" zeitigte. Die Verwitterungserscheinungen des Luhnstedter Profils sind, wie erwähnt, wohl im wesentlichen nacheiszeitlich. Bei anderer Gelegenheit wird aus derartige Verwitterungsprofile zurückzukommen sein. Vom Hanradesberg steigt die Landstraße, an deren statt wir auch abkürzende Waldwege wählen können, mit ziemlichem Gefälle nach Bargstedt hinunter.

Während wir zumeist Land — Geschiebedecksand — unter unseren Füßen fühlen, sehen wir am Hange zwischen Oldenhütten und Bargstedt Ziegeleibetriebe liegen. Hier wird heute hauptsächlich der Geschiebemergelkern des Geestrückens trotz des noch vorhandenen Kalkgehaltes zu Ziegeln gebrannt, nachdem Lchollen von kalkfreiem, besser geeignetem alttertiären Meereston und von kalkarmem interglazialen Meereston wohl ziemlich restlos ausgebeutet worden sind. Von den diesbezüglichen Verhältnissen, über die R. Struck 1907 berichtet hat, können wir uns beim heutigen Stand der Aufschlüsse kaum mehr überzeugen. Doch interessiert es uns, daß Struck Stauchungserscheinungen an diesen verschiedenen in der Moräne vereinigten Materialien beobachtet hat. Wir verlassen die Geestrücken von Innien und Hohenwestedt mit dem Eindruck, daß sie der Struktur nach recht komplizierte Gebilde sind, da in ihnen die ältere diluviale Grundmoräne in teilweise deformiertem Zustande vorhanden ist und größere und kleinere Schollen von Kreide- und Tertiärgestein in sich ausgenommen hat, wofür oben das Zusammenwirken mehrerer Ursachen angenommen werden mußte. Die Geländescholle östlich Bargstedt zeigt Aufschlüsse in Sanden mit einer dünnen Geschiebemergeldecke — vielleicht jungglaziale „Vorschüttungssande" und darüberhin in verdünnten, „auskeilenden" Fetzen gebreitete Zungmoräne, dann führt das Endstück unsers Wanderweges in gerader Richtung auf Nortorf zu. Dabei durchqueren wir zum zweiten Mal den Niederungszug, in den wir bereits nördlich von Innien eingetreten waren. Auch hier herrscht wiederum Moorbildung, wovon uns zahlreiche Torfstiche leicht überzeugen. Über sie nach Norden hinausschauend, erblicken wir am Horizont die malerischen Geländeformen der südlichen Umrahmung des Westensees, ein Stück der jung-glazialen, schleswig-holsteinischen Endmoräne.

Einzelnachweise

  1. M. Schlichting, Das Farbemoor bei Nindorf verrät ältere geognostische Formationen in nicht bedeutender Tiefe. Mitteilungen d. Vereins nördlich der Elbe zur Verbreitung naturw. Kenntnisse. H. – J. Petersen, Über den Wiesenkalk des Farbberges bei Nindorf. Mitteilungen aus dem Mineralogischen Institut der Universität Kiel. I, 2. Die letztere Arbeit, obwohl jünger, vertieft die wissenschaftliche Erkenntnis nicht wesentlich, die in der ersteren Arbeit niedergelegt ist.
  2. H. Heß v. Wichdorf und P. Range in Jahrb. d. preuß. Geol. Landesanstalt 27, 1906 und 33, II 1913. Von diesen Forschern wird auch die Konchylienfauna der Quellmoore aufgezählt, die aus ca. 20 Arten Muscheln und Schnecken bestehen kann, während allerdings unser Kalktuff nur vereinzelte, schlechterhaltene Reste einer Limnaea geliefert hat.
  3. Die Annahme solcher von Schlichting vorausgeahnter Zusammenhänge behält ihre Berechtigung, wenn auch der Erz- und Sulfatgehalt des Farbberges hinter den Berechnungen Schlichtings wohl erheblich zurückbleibt. Nur die eine Seite des Berges und auch die vorzugsweise nur oberflächlich ist derartig reich an Mineralausscheidungen, daß die Asche z. B. 45% FE²O³ enthält. Daß 1/2 Millionen Pfund Schwefel in dem Berge stecken, ist recht unwahrscheinlich. Eine chemische Prüfung des Wassers der heute stärksten Quelle neben dem Farbberge, die dankenswerterweise im Kieler Hygienischen Institut (Dir. Prof. Dr. Kißkalt) ausgeführt wurde, ergab, daß der Kalkgehalt mit 107 mg CA O pro Liter immerhin noch geringer ist als in der relativ kalkärmsten Quelle der Kalkquellen des Kellersee-Gebietes, daß dagegen der Eisengehalt mit ca. 0,2—0,3 mg FE O pro Liter etwas höher ist als dort, aber ebensowenig extrem erscheint wie der Kalkgehalt, wenn man zum Vergleich Analysen anderer Quellen und Grundwässer der Provinz heranzicht, die, soweit sie ans dem Geschiebemergel stammen, durchweg sehr mineralreich sind und insbesondere die Bezeichnung Karbonatwässer verdienen.