Archiv:Wanderung durch die Geestrücken um Hohenwestedt
W.Wetzel: Wanderung durch die Geestrücken um Hohenwestedt, Geologische Wanderungen in Schleswig-Holstein IV., Die Heimat, 33. Jahrgang, 1923 (Generalstabskarte: 81, Hademarscheu. Meßtischblätter: 494, Holtdorf und 571, Hennstedt.)
Während der Eisenbahnfahrt von Neumünsler nach Znnien genügt ein Blick aus dem Abteilfenster, um sestzustellen, daß man sich in der Geest be- findet. Wir durchqueren den „Neumünsterer Sandr," eine der deltaartig aus- gebreiteten ^chmelzwassersandschüttung im Vorgelände der jungeiszeitlichen schleswig-holsteinischen Endmoräne. Beini Verlassen des Zuges in Znnien stehen wir am Nordende einer hügelreihe, die bis fast 80 m Uleereshöhe aufragt. Wir wollen sie den „Znnien- hennstedter Geestrücken" nennen. Einen Blick in seinen inneren Bau gewährt uns die Ziegeleigrube von Innien, die dicht südwestlich des Bahnhofes an der Etraße nach hennstedt liegt. Unmittelbar an der Straße liegt die alte, auf- gelassene Grube. Von ihr aus gelangen wir in die neue Tongrube, in der z.Z. gute Ziegeltone abgebaut werden. Wir bemerken sofort, daß der blaugraue, zum Teil etwas grünlich erscheinende Ton nicht unmittelbar an die Erdober- fläche herantritt, sondern eine Decke von Geschisbemergel trägt, der seinerseits nach oben in Geschiebesand (Decksand) übergeht. Von der Geschiebeführung
dieses Woränenniateriales wohl zu unterscheiden sind nun eigentümliche hell- graue Kalklinsen oder Knollen von Durchmessern bis ca. f m, die, aus dem Ton stammend, beim Abbau freigelegt und auf Haufen geworfen werden, wo sie offenbar leicht in schalige und sektoren-artige Stücke zerfallen. Dieser Zerfall findet längs vorgebildeten Sprungflächen statt, die von gelben Kristall- krusten überzogen sind. Die solchermaßen durch Fächerbau ausgezeichneten „Septarien" sind Sammelausscheidungen oder Konkretionen von Kalkkarbonat, die in einem bereits abgesetzten Tonschlamm unter den Vorgängen der Lösungs- diffusion und der Ausflockung gallertiger Niederschläge nach und nach-erwuchsen. Bei der Abgabe des ursprünglich erheblichen Wassergehalts dieser Waffen müssen Schrumpfungsrisse aufgetreten sein, die durch nachträgliche Aus- kristallisation von Kalkspat mit parallelfasrigem Gefüge und gelblicher Färbung inehr oder weniger ausgefüllt wurden. Diese schon entstehungsgeschichtlich interessanten Bildungen leisten nns hier fast dieselben Dienste wie sonst die Leitsossilien bei der geologischen Altersbestimmung. Weit und breit ist nur eine ganz bestimmte Tonablagerung bekannt, die derartige Septarien einschließt, der mitteloligozäne Weereston, der kurz als „Septarienton" bezeichnet wird und an anderen norddeutschen und mittel- deutschen Fundorten, früher auch bei Ztzehoe, eine reiche alttertiäre Fossil- vergesellschastung geliefert hat. Zn unserem Aufschluß ist der Ton fossilarm, wie auch der Boden heutiger Flachmeere ungleich dicht mit Lebewesen oder deren Überresten besetzt ist. Kommt hier also der paläontologisch interessierte Sammler wenig auf seine Kosten, so hat doch der Wineraloge die Freude, außer den interessanten Septarien noch Konkretionen von metallisch glänzendem Schwefelkies, kugelig-traubige Gebilde mit schuppig-strahligem Gefüge und dunkelbraunen Phosphatkonkretionen von meist walzenförmiger Gestalt zu finden. Km die Frage zu ent- scheiden, wie diese isolierte Waffe vordiluvialen Gesteins in so nahe Berührung mit der heutigen Erdoberfläche gelangt sind, haben wir die Grenze des Tones gegen die diluviale Woränendecke zu beachten, die auffallend un- scharf und unregelmäßig ist. Dieses macht es zusammen mit anderen Beobachtungen und Erwägungen wahrschein- lich, daß der Ton selbst nichts anderes ist, als ein großer eistransportierter Findling, eine „Scholle", wie wir sie ähnlich aus unserer zweiten Wanderung dicht bei Ahrens- burg angetroffen haben. Auch hier ist die Annahme berech- tigt, daß kein weiter Trans- port der Tonscholle vom „Anstehenden" bis zur heutigen Lagerstätte statt- gefunden hat. Sie kann uns eine Kunde geben von der Zusammen- setzung des tieferen Untergrundes der Kmgegend. Wir werden noch sehen, daß in den Geestrücken solche Schollenführung von bemerkenswerter Häufigkeit ist. Das war früher auch schon in der alten Tongrube festzustellen/ die nur
Fig- N- Septarie aus dem Septarienton von Innien mit Schrumpfungsklüften und -Höhlen, die ganz oder teilweise von Faserkalk ausgefüllt sind. Nicht ganz V- nat. Gr.
in ihrem östlichen Teile Septarientone aufwies, während in anderen Gruben- teilen interglaziale Ablagerungen, und zwar teils marine, teils Süßwasser- bildungen aufgeschlossen waren. Zur Zeit ist an einer Stelle noch ein weißer Sand sichtbar, der vermutlich umgelagerter tertiärer Braunkohlensand ist. Aleine Fetzen von jungtertiärem fossilsührendem Weereston und Blöcke von ebenfalls jungtertiärem „Holsteiner Gestein" finden sich ziemlich oft im Ge- schiebemergel der neuen Grube. Wir müssen zum Bahnhof Zinnen zurückkehren und das Dorf durchqueren, um die Straße nach Heinkenborstel zu gewinnen, die uns quer durch eine im dlVV von Zinnen sich hinziehende Niederung führt. Diese Senke, die von poyenberg im 8 bis zum Wildenmoor im R, ziemlich durchgängig zu verfolgen ist, wird streckenweise von Wooren eingenommen. Rechts von der Landstraße beobachten wir ein „totes", init Heide und Gesträuch bewachsenes Hochmoor, i» welchem Torfgewinnung im Gange ist. Da wir uns auf späteren Wanderungen eingehend mit dem Torf als geologischem Aörper zu befassen haben, zögern wir nicht, den Weg nach Näörel einzuschlagen, um kurz vor dem Dorf rechtsab zum Försterhaus Rlörel emporzusteigen. So erreichen wir den „Hohenwestedter Geestrücken", der mehr kammartig und viel länger ist als die nun hinter uns liegenden Erhebungen bei Znnien, und dessen Endigungen bei Lockstedt einerseits und in: Holtdorfer Gehege bezw. im Hanradesberg zwischen Holtdorf und Bargstedt anderseits zu finden sind. vom Waldrande aus genießen wir einen schönen Rückblick auf das bisher von uns durchwanderte Gelände, um sodann den Hohenwestedter Geestrücken auf dem Wege durch das Westerholz zu durch- queren und, den höchsten Punkt des Höhcnzuges, die Höhe 82, links liegen lassend, die Straße nach Nindorf zu erreichen. Znnerhalb dieses Dorfes, das bereits auf dem Westabhange des Höhenzuges liegt, lohnt sich ein kleiner Abstecher bis zu seinem Südausgang, wo unterhalb der Schule eine sehr große Sandgrube angelegt ist. Wenngleich eingefüllter Schutt und verslürzte Wände es ziemlich schwer machen ein einwandfreies „Profil" der Grube auszunehmen, läßt sich doch feststeUen, daß eigentliche Grundmoräne nur in geringem Blaß an der aufgeschlossenen Schichtfolge beteiligt ist, daß sie nur eine dünne „Hang- endschicht" bildet. Unter ihr folgt grober Sand, der durch gelbbraune Eisen- verbindungen mehr oder weniger stark verkittet, oder, wie man wohl sagt, „vertrautet" ist. Darunter zieht sich eine dünne Lage braunen Bändertones hin und bedeckt den ziemlich feinen, weißen bis gelblichen Schmelzwassersand, dessen mächtige Lagen das hauptsächliche Abbaumaterial darstell, n. Die Schichten lassen die ihnen als ursprünglich zuzuschreibende horizontale Lagerung stellen- weise vermissen, sie „fallen" vielmehr am besten Beobachtungspunkte stark nach 8 „ein". Zu einer allseitig befriedigenden Erklärung der hier vorliegenden geologischen Verhältnisse wäre es nötig, ziemlich weit auszuholen und u. a. ähnliche Ausschlüsse aus der Gegend von Ztzehoe zum vergleich heranzu- ziehen. Einiges werden wir nach erfolgtem Besuch zweier weiterer Diluvial- Aufschlüsse in unserem Geestrücken zusammenfassend aussagen dürfen und vorläufig nur eine ältere Deutung der Schichten als Tertiärbildungen bezw. als Tertiärscholle — s. die im Folgenden angeführte Abhandlung von G. jR-tersen s889 — zurückweisen müssen. Zur Hauptstraße zurückkehrend überschreiten wir die Hohcnwestedt- Rendsburger Aleinbahn nördlich der Haltestelle Nindorf, um den Weg zu erreichen, der über das Gehöft Linnbrook nach Stafstedt weiterführt, den wir aber nur bis
zum s. lrm westlich der Bahn liegenden Gehöft verfolgen, das am Beginne einer vermoorten Auenniederung gelegen ist. Witten in dieser Niederung, die zum Entwässerungssystem der in die Eider mündenden Luhnau gehört, erhebt sich
unvermittelt ein flacher Hügel, der „Farbeberg", eines der merkwürdigsten Naturdenkmäler unserer Heimat, das schon mehrmals nachdenkliche Natur- freunde beschäftigt hat, so s857 AD ^chlichting und s88si ). Hetersen.*)
Fig. ,2. Der Farbberg bei Nindorf von 30. aus gesehen. Die Vertiefung im Vordergrund ist durch Abbau entstanden. Die Höhe des Hügels über dem umgebenden Wiesenterrain beträgt heute kaum mehr cf m. Die Höhenangabe 6 m befindet sich in den erwähnten älteren Beschreibungen. Die ursprüngliche Länge, in der Talrichtung gemessen, beträgt s sO m, die Breite siO m. Auf der Westseite ist der Hügel heute um ein gutes chtück durch Abbau verkürzt. Leine Hauptmasse wird durch einen eigen- tümlichen Torf gebildet. Namengebend ist dessen auffallender Gehalt an Tisen- oxydhydraten von verschiedenen braunen bis gelben Farbtönen gewesen, welche sich in den höheren Läget, des Torfes angereichert finden. Nahe der Hügel- oberfläche zeigen sich geradezu Lumpferz- Arusten. Außerdem sind den, Torf auf der Westseite des Hügels aber auch Lchichteu lockeren Aalktuffes zwischen- geschaltet, und endlich enthält der Han- gende (oberflächennahe) Torf in großen Wengen Ginzelkristalle und Aristall- rosetten von Gips, dessen oft dicht ge- drängte Nadelaggregate dein dunkel- braunen Torf einen seidigen Lchimmer
- ) M. Schlichting, Das Farbemoor bei Nindorf verrät ältere geognostische Formati- onen in nicht bedeutender Tiefe. Mitt. d. ver. nördlich der Elbe zur verbr. naturw. Kennt- niste. H. — I. Petersen, Aber den tviesenkalk des Farbberges bei Nindorf. Mitteilungen aus dem Mineralogischen Institut der Universität Kiel. I, 2. Die letztere Arbeit, obwohl jünger, vertieft die wissenschaftliche Erkenntnis nicht wesentlich, die in der ersteren Arbeit niedergelegt ist.
Fig. ,Z. Lockeres Lorfstückchen aus dem Nindorfer Farbeberg, imprägniert von Brauneisen — Ausscheidungen und durchragt von Gips- nadeln. Natürl. Größe.
verleihen können. Brennt man den Torf, so bleibt eine Asche, die hauptsächlich ein wasserarmes Hydrat des Eisenoxyds aufweist und daher tief rote Farbe besitzt. Diese Farberde ist früher fabrikmäßig ans dem Material des Hügels hergestellt worden, während der Aalktuff ein gutes Düngemittel abgegeben hat, in welchem der lvulsatgehalt eine sicherlich erwünschte Angabe war. An dieser woorbildung sind schon den älteren Beobachtern die Auppenform und der hohe Mineral- gehalt des Torfes als besonders bemerkenswert erschienen. Diese Eigentümlich- keiten schließen sowohl den Vergleich mit einem Hochmoor als auch mit einem Niederungsmoor aus. Die richtige Erklärung wurde im wesentlichen schon von Lchlichting gefunden. Es handelt sich um einen besonderen Auellmoor- Typus, wie er bislang aus dem Westen des norddeutschen Flachlandes kaum bekannt geworden ist. lvchlichting weist mit Recht auf den starken Wasserandrang hin, der sich bei jedem tieferen Aushub im Bereiche des Hügels bemerkbar macht, auch noch heule, nachdem- ringsherum gezogene Gräben eine teilweise Trockenlegung bewirkt und dem Auellwasser freien talwärtigen Abfluß bereitet haben. Eine schwammartige Wasserfüllung der oberen Teile des Hügels, von der Lchlichting spricht, besteht nicht mehr. Der Berg wächst also auch nicht mehr, da auf der Hügcloberfläche nicht mehr die Lebensbedingungen für eine torfbildende Flora gegeben sind. Heute tritt auch die stärkste Quelle nicht mehr unter dem Hügel aus, sondern etwas oberhalb an der Aüdostecke des Wiesenstückes, in einer Ent- fernung von etwa jOO m vom Hügel. Dieser neue Auellanstritt ist nun gleichsam ein embryonaler Farbberg, das heißt ein in Entstehung begriffenes Auellmoor. Durch das Pflanzenpolster hindurch kann man hier mit dem Stock noch den kiesigen diluvialen Untergrund fühlen, der sich übrigens auch auf der wiese in Gestalt vereinzelt herausragender, großer Geschiebeblöckc verrät. Die Auellmoore sind erst in neuerer Zeit Gegenstand eingehender wissen- schaftlicher Untersuchung*) geworden. Zn keinem der so bekannt gewordenen Fälle werden die Dimensionen erreicht, die unser Auellmoor besitzt bezw. be- sessen hat. — Die maximale Höhe der ostpreußischen Auellmoorhügel beträgt 3 m, der maximale Durchmesser sOO m. — Als eine Besonderheit unseres Falles dürfte auch die charakteristische Gipsführung des Torfes anzusehen sein. Das Auellwasser, das die Entstehung des Farbberges veranlaßt hat, muß angesichts der Wenge und Art der von ihm ernährten Pflanzen und des aus den Pflanzen entstandenen Torfes nicht nur außergewöhnlich ergiebig sein, sondern auch einen ungewöhnlichen Uuneralgehalt aufweisen. Das nach der Geländeoberfläche beurteilte Einzugsgebiet unserer Quelle mag etwa 2 qlrm betragen und erstreckt sich bis hin zu den früher erwähnten besonders starken Erhebungen des Hohenwestedter Geestrückens. Aber schon Schlichting hat die Vermutung ausgesprochen, daß es sich bei dieser Anelle nicht bloß um den Wiederaustritt von mäßig tief eingedrungenem Niedersckllagswasser handele, sondern daß angesichts des hohen Alineralgehaltes des Auellmoor- torfes mit der Herkunft des Wassers aus Ablagerungen zu rechnen sei, die einen höheren Gehalt an Eisen und Lchwefel aufweisen als der normale diluviale Geschiebemergel, als welche vielmehr tertiäre weeresablagerungen in Betracht kommen könnten. Nun sahen wir ja zu Beginn unserer Wanderung, daß der Znnien-Hennstedler Geestrücken eine tertiäre Scholle enthält, was kaum anders erklärt werden kann als dadurch, daß ein Gletschervorstoß, der unsere Gegend erreichte, emporragende *) ks. keß v. tvichdorf und P. Range in Iahrb. d. prenß. Geol. Landesanstalt 27, tyos und zz, II tytZ- Von diesen Forschern wird auch die Konchyliens.auna der Mucll- moore aufgezählt, die aus ca. 20 Arten INuscheln und Schnecken bestehen kann, während allerdings unser Kalktuff nur vereinzelte schlechterhaltene Reste einer Limnaca geliefert hat. Hindernisse zu beseitigen,abzutragen, hatte die sich ihm in Gestalt
gehobener blntergrundmassen in den Weg stellten. Entsprechendes ist auch beim Hohen- westedter Gecstrücken möglich und sogar, wie uns die nächsten geologischen Aufschlüsse zeigen werden, teilweise schon beweisbar. Auch in diesem Rücken ist altes Gestein in Form von Schollen der Erdoberfläche nahegerückt und hat vielleicht auch zu dem Anneralgehalt unserer Quelle Beiträge geliefert.^ Wir begeben uns auf direktem Wege zur Aleinbahnstrecke zurück und verfolgen ihre Spur durch das Luhnstedter Gehege bis zum gleichnamigen Dorf, in welchem wir auf die Bandstraße nach Bargstedt (Richtung Bortorf) treffen. Dieser brauchen wir nur einige sOO m nach 0 zu folgen, um wieder an den Hohenwestedter Geestrücken, nunmehr an sein Nordende zu gelangen. Hier liegt auf Höhe 35 links an der Ehaussee eine Wergelgrube. Schon von weitem sieht man den auffallend hell gefärbten Aushub, einen ungewöhnlich kreidereichen Geschiebemergel, stark vermengt mit großen, frischen Feuersteinen. Der aus Rreideablagerungen stammende Anteil dieses Rkoräncnschutles ist so erheblich, daß man hier fast von einer Lokalmoräne sprechen und jedenfalls annehmen kann, daß die, wenn auch aus dem Gesteinsverbande herausge- brachten Rreidemassen keinen weiten Transport erlebt haben. Auch die dilu- vialen Bildungen als solche erheischen hier ein Wort der Diskussion. Rings umher haben wir Sanduntergrund beobachtet, den man stellenweise durch Lupinen-Einsaat an Nährstoffen anzureichern sucht. Der Sand mag zum großen Teil als „Geschiebedecksand", ein letztes Ausschlemmungs- und Berwitterungs- produkt eines gealterten Geschiebemergels darstellen. Hier liegt nun nahe der Oberfläche ein wenig oder garuicht verwitterter Geschiebemergel, der sogar Düngewert für die Sandäcker besitzt. Allerdings sind auch an den Wänden unserer Wergelgrube Berwitterungserscheinungen zu beobachten, die aber weniger den ausgebeuteten Geschiebemergel betreffen als vielmehr sein „Hangendes". Wir haben auch hier ei» zusammengesetztes Schichtprosil vor uns, das übrigens nicht leicht zu deuten ist. Es scheint so, als ob hier von einer bereits in er- heblichem Umfange ausgebildet gewesenen Berwitterungsrinde des Geschiebe- mergels etwas fehlt, das späteren Abtragungsvorgängen zum Opfer siel. Die Berwitterungseinflüsse der jüngsten Vergangenheit, so die chemischen Einflüsse des Rohhumus einer Wald- und Heidevegetation machen sich in einer sandigen Oberflächenschicht geltend, die mit dem Geschiebemergel unten nicht in direktem Zusammenhang steht. Folgender Erklärungsversuch mag zu Hülfe genommen werden, ehe genauere Angaben auf Grund geologischer Spezialuntersuchungen der ganzen Umgebung möglich sind: Wir befinden uns weit außerhalb der Endmoränen- bögen der letzten Vereisung. Blag vielleicht auch dieses juugdiluvale Eis über die Stillstandslage der großen Endmoräne zeitweilig hinausgegriffen haben, so sind ihm doch nicht die mächtigen Geschiebeablagerungen zuzuordnen, die *) Die Annahme solcher von Schlichting vorausgeahnter Zusammenhänge behält ihre Berechtigung, wenn auch der Erz- und Sulfatgehalt des Farbberges hinter den Be rechnungen Schlichtings wohl erheblich zuriickblcibt. Bur die eine Seite des Berges und auch die vorzugsweise uur oberflächlich ist derartig reich an Miueralausscheidnngen, daß die Asche z. B. Hö"/» ps» 0, enthält. Daß V« Millionen Pfund Schwefel in dem Berge stecken, ist recht unwahrscheinlich. Eine chemische Prüfung des Wassers der heute stärksten Vuelle neben dem Farbberge, die dankenswerterweise im Kieler Hygienischen Institut (Dir.: Prof. l)r. Kißkalt) ausgeführt wurde, ergab, daß der Kalkgehalt mit jo? 6a 0 pro l immerhin noch geringer ist als in der relativ kalkärmsten (Huelle der Kalkquellen des Kellcrsce-Gebietes, daß dagegen der Eisengehalt mit ca. o,2—o,3 Po 0 pro I etwas höher ist als dort, aber ebensowenig extrem erscheint wie der Kalkgehalt, wenn man zum pergleich Analysen anderer (Huellen und Grundwässer der Provinz heranzicht, die, soweit sie ans dem Gcschiebemcrgcl stammen, durchweg sehr mineralreich sind und insbesondere die Bezeichnung Karbonatwässer verdienen.
im Innern der Geestnicken überall angetroffen werden. Sie müssen einer älteren Glazialzeit angehöre». Die Erklärung dafür, daß dieser ältere Gc- schiebemergel hier Höhenzüge bildet, könnte von der Annabme ausgehen, daß nach der vorletzten Vergletscherung unseres Landes, das heißt während der letzten Interglazialzeit, sich in dieser Gegend die Wasserscheide unserer Halbinsel herausgcbildet habe, deren Herrschaft durch die letzte Vergletscherung aufgehoben wurde. Statt der Annahme, daß hier an der vorgestellten einstigen Wasser- scheide der Geschiebemergcl als Erosionsüberrest emporrage und sich auch als Gcländeschwelle erhalten hat, als während des Höhepunkts der nachfolgenden letzten Vereisung zwar nicht mehr Gletschererosion, wohl aber Erosion durch die reichlich fließenden Schmelzwässer wirken konnte, liegt nur noch der Ablauf zweier geologischer Ereignisse im Bereiche der Möglichkeit, die zur Heraus- bildung von Geländeschwellen zu führen vermögen und hier zusammengewirkt haben können: s. tektonische Bewegungen des Untergrundes, also Ansätze einer diluvialen Gebirgsbildung und 2. Schichtenstauchung unter der Schubwirkung von Gletschereis. Im Bereich einer tektonischen Störungszone können ver- schiedene ältere Ablagerungen schreibe- und Tertiärschichten) an die Erdoberfläche gerückt worden sein, sodaß sie beim nächsten Eisvorstoß, in unserem Falle während der vorletzten Vergletscherung unserer Halbinsel, vom Gletschereis erfaßt und teilweise als Schollen weitergeschleppt werden konnten, oder auch so, daß der vorwärtsdrängende Eiswall die widerstandleistenden älteren Schichten, mehr oder weniger schon von Moränenschutt bedeckt und mit solchem durch- mengt, zu Falten zusammenschob. Für die letzteren Vorstellungen bieten unsere Beobachtungen in den Gcestrücken allerlei Stützen: — die Schrägstellung der Schichten in der Sandgrube Nindorf, die allerdings nicht so deutlich zu er- kennen war, wie beispielsweise die schönen Stauchungserscheinungen in einem weiter westlich gelegenem Geestrücken zwischen Wacken und Schenefeld, auf- geschlossen in der berühmten Tongrube bei Wacken, oder wie die Stauchungs- erscheinungen in den Aufschlüssen der Nmgegend von Itzehoe. In den letzeren Fällen nehmen übrigens ebenso wie Nindorf glaziale Stauseeablagerungen an dem Zusammenschub teil, deren Vorhandensein selbst wiederum das Bestehen wasserslauender Geländeschwellen zur Voraussetzung hat. wir brauchen auf der Straße nach Bargstedt nur wenige sOO m weiter zu wandern, um dicht unterhalb des Gipfels des Hanradesberges (65 m), auf der Westseite der Thaussee, einen neuen Aufschluß zu finden, der wiederum Material für unsere Erklärungsversuche liefert. Auch hier steckt im Aern des Berges Geschiebemergel, während weiter nach 8^V zu am Hange früher vor- wiegend Sand abgegraben worden zu sein scheint. Das augenblickliche Gruben- profil läßt zwar auch etwas zu wünschen übrig, doch fällt der äußerst un- regelmäßige Verlauf der Verwitterungszonen des Geschiebemergels aus, der es zuläßt, daß stellenweise stark verwitterte Sandpartien bis zum Grund des Ausschlusses hinabgreifen, während daneben noch kalkhaltiger Mergel bis nahe an die heutige^Gberfläche emporragt. Das deutet wohl auf Steilstellung und Faltenbau der Moränenablagerungen hin. Außerdem stecken in diesem Ge- schiebemergel wieder Areideschollen, diesmal allerdings solche von mlr geringen Dimensionen, wagenradgroße Massen weißer, Feuerstein führender Areide von recht zäher Beschaffenheit. Also auch hier Stauchung- und Schollenführung als Begleiterscheinungen der vorletzten Vereisung, während wir auf unseren früheren Wanderungen^ das Gleiche für den Bereich der letzten Inlandeis- bedeckung feststeUten. Angesichts des immerhin beträchtlichen Ausmaßes der Verwitterung, die hier den alten Geschiebemergel betroffen hat, fällt uns das andersartige Verwitterungsprofil des vorigen Aufschlusses wieder ein. wenn in der Luhn-
stedter Ulergelgrube auf dem fast unverwitterten kreidereichen Geschiebemergel grünlich-gelbe, streifige oder auch fast weiße Lande lagern, so sind das jedenfalls nicht die Verwitterungsprodukte des älteren Geschiebemergels. Deren Fehlen kann aber durch Abtragung erklärt werden. Besonders lebhafte Abtragungs- vorgänge sind im besonderen anzunehmen für die letzte Vergletscherungsperiode, die uns im Gsten unseres Landes die jüngere Grundmoräne brachte, die aber hier im Vesten teils energisch wirkende Lchmelzwässer schuf, teils wokl auch auf den eisfreien, aber doch frostreichen Höhen die heute im hohen Norden vorkommende Erscheinung „des Bodensließcns" zeitigte. Die Verwitterungs- erscheinungen des Luhnstedter Profils sind, wie erwähnt, wohl im wesentlichen nacheiszeitlich. Bei anderer Gelegenheit wird aus derartige Verwitterungsprofile zurückzukommen sein. Vom Hanradesberg steigt die Landstraße, an deren Ltatt wir auch ab- kürzende Waldwege wählen können, mit ziemlichem Gefälle nach Bargstedt hinunter. Während wir zumeist Land — Geschiebedecksand — unter unfern Füßen fühlen, sehen wir am Hange zwischen Oldenhütten und Bargstedt Ziegeleibetriebe liegen. Hier wird heute hauptsächlich der Geschiebemergelkern des Geestrückens trotz des noch vorhandenen Ualkgehaltes zu Ziegeln gebrannt, nachdem Lchollen von kalkfreiem, besser geeignetem alttertiären Ukeereston und von kalkarmem interglazialen Weereston wohl ziemlich restlos ausgebeutet worden sind. Von den diesbezüglichen Verhältnissen, über die R. Ltruck sZO? berichtet hat, können wir uns beim heutigen Ltand der Aufschlüsse kaum mehr überzeugen. Doch interessiert es uns, daß Ltruck Ltauchungserscheinungen an diesen verschiedenen in der Ukoräne vereinigten Ukaterialien beobachtet hat. Wir verlassen die Geestrücken von Znnien und Hohenwestedt mit dem Eindruck, daß sie der Ltruktur nach recht komplizierte Gebilde sind, da in ihnen die ältere diluviale Grundmoräne in teilweise deformiertem Zustande vorhanden ist und größere und kleinere Lchollen von Ureide- und Tertiärgestein in sich ausgenommen hat, wofür oben das Zusammenwirken mehrerer Ursachen angenommen werden mußte. Die Gelündescholle östlich Bargstedt zeigt Aufschlüsse in Landen mit einer dünnen Geschiebemergeldecke — vielleicht jungglaziale „Vorschüttungssande" und darüberhin in verdünnten, „auskeilenden" Fetzen gebreitete Zungmoräne—, dann führt das Endstück unsers Wanderweges in gerader Richtung auf Nortors zu. Dabei durchqueren wir zum zweiten Wal den Niederungszug, in den wir bereits nördlich von Znnien eingetreten waren. Auch hier herrscht wiederum Uloorbildung, wovon uns zahlreiche Torfstiche leicht überzeugen. Uber sie nach Norden hinausschauend, erblicken wir am Horizont die malerischen Ge- ländeformen der südlichen Umrahmung des Westensees, ein Ltück der jung- glazialen, schleswig-holsteinischen Endmoräne.