Elektrizitätswerk Innien und Umgebung

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Das ehemalige Elektrizitätswerk Innien
Zwei alte Bilder zeigen das Gebäude noch mit Schornstein und den Maschinenraum

Nach den Aufzeichnungen in der Reimer'sehen Chronik ist das Elektrizitätswerk Innien und Umgebung als eingetragene Genossenschaft bereits 1908 gegründet worden; d. h. zu einer Zeit, als nur erst wenige Dörfer Schleswig-Holsteins mit elektrischem Strom versorgt waren.

Erste Genossenschaften in Schleswig-Holstein

Die ersten genossenschaftlichen Zusammenschlüsse dieser Art entstanden 1906 im Kreis Stormarn und Oldenburg. In beiden Fällen handelte es sich um Genossenschaften mit eigener Stromerzeugung. Ein Anschluss an eine Überlandleitung war seiner Zeit noch nicht möglich. Deshalb war auch die Genossenschaft in Innien auf die eigene Stromerzeugung eingestellt ; das war für Innien ein bedeutsames Unternehmen, zumal öffentliche Einrichtungen für die Elektrifizierung des platten Landes nicht bestanden. Diese waren sicherlich zu jener Zeit auch gar nicht bereit. Das mit dem Ausbau von ländlichen Versorgungsleitungen verbundene Risiko allein zu tragen. Wenn unsere Dörfer sich die Segnungen der Technik sichern wollten, mussten sie selber Hand ans Werk legen. So entstand das mehr als 300 Dörfer umfassende Netz der in Selbsthilfe gegründeten Elektrizität Genossenschaften, die rund 40 Jahre lang das Leben in unseren Dörfern entscheidend mitgestaltet haben. Am Anfang dieser Entwicklung stand Innien mit seinem dorfeigenen Elektrizitätswerk.

Strombedarf und -verbrauch

Der relativ geringe Stromverbrauch im ländlichen Bereich erschwerte diese Ausbaumaßnahmen sehr. Noch in der Zeit vor Beginn des Zweiten Weltkrieges gab es innerhalb der genossenschaftlich versorgten Dörfer einzelne Elektrizitätsgenossenschaften, die jährlich weniger als 7.000 kWh an ihre Mitglieder abgaben. Das entspricht für heutige Verhältnisse etwa dem Stromverbrauch eines voll elektrifizierten Sechs-Personen-Haushalts. Der höchste Lichtstrombedarf eines Mitglieds dieser Genossenschaft betrug 302 kWh und der niedrigste Verbrauch 8 kWh jährlich. Das sind - wir wiederholen es nochmals - Verbrauchszahlen aus dem Jahre 1936. Wir sind aber fest davon überzeugt, dass 30 Jahre zuvor - 1908, als Innien elektrifiziert wurde - die dortigen Verbrauchszahlen - auf einzelne Haushaltungen oder landwirtschaftliche Betriebe bezogen – noch viel niedriger lagen. Dennoch war man entschlossen, gemeinschaftlich das in der geringen Auslastung der Erzeugungs- und Verteilungskapazitäten begründete Risiko auf sich zu nehmen. Der nach landwirtschaftlichem Fortschritt strebenden Bevölkerung musste geholfen werden. Wie in Innien hätten in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg die Bewohner mancher Dörfer noch lange bei ihren Petroleumlampen sitzen und auf die so mannigfache Anwendung des elektrischen Stroms in ihren Betrieben verzichten müssen, wenn sie sich nicht zur Eigenhilfe entschlossen hätten.

Genossenschaftsgründung und Kraftwerksbau

Eintragung des Elektrizitätswerkes ins Genossenschaftsregister 1911
Daß an der Stelle des jetzigen Blumenladens Bargfelder Straße 1 ein Transformatorenhaus stand, wissen nur noch wenige. Die Buchstaben EWI bedeuten „Elektrizitäts-Werk Innien“.
Trafohaus der EWI (Elektrizitätswerke Innien), entworfen vom Kaiserlichen Baurat Jürgen Kröger, Zeichnung von Pruch: Dorfstraße in Innien, Holstein, 1949.

Eine für den Aukrug erstaunliche Leistung war das 1908 in Innien gegründete „Elektrizitätswerk Innien und Umgegend eGmbH“. Als selbst noch in den Städten der elektrische Strom im Hausgebrauch etwas Seltenes war, brannten im Aukrug in den Wohnungen und Ställen schon die elektrischen Birnen. Die Namen der Männer, die zuerst den Gedanken fassten und das Kapital zur Errichtung des Werkes und der Netzanlage zusammenbrachten, können nicht mehr mit Sicherheit genannt werden. Es ist aber anzunehmen, dass es die führenden Männer des „Landwirtschaftlicher Verein an der Bünzau“ waren, die so fortschrittliche Gedanken hatten und auch die Energie, sie in die Tat umzusetzen. In einem noch wieder aufgefundenen „Anteilschein Nr. 63“ über 500 M vom 1.1.1909 heißt es in dem beigedruckten Genossenschafts-Statut unter § 2: „Der Gegenstand des Unternehmens ist die Errichtung und der Betrieb eines Elektrizitätswerkes zur Versorgung der Genossenschafter und der sonstigen Einwohner der Gemeinden Innien, Homfeld, Bargfeld, Böken und Bünzen mit elektrischer Energie für Licht und Kraft.“

Unterschrieben ist der Anteilschein von Hans Ratjen sen. u. Fr. Domine, so daß wohl angenommen werden kann, daß die genannten Personen des „Gesellschaftsvertrages“ von 1911 auch die Gründer der Genossenschaft gewesen sind.

Die Entwicklung dieses kühnen Unternehmens ist leider nur lückenhaft zu verfolgen, da die Unterlagen nicht mehr aufzufinden sind. Es scheint aber zunächst keinen sehr glücklichen Verlauf genommen zu haben, denn es ist schon wenige Jahre nach der Gründung in Konkurs gegangen. Das ist aus einem 1911 abgeschlossenen „Gesellschaftsvertrag“ zu entnehmen, in dem ein später wohl wegen unklarer Ausdrucksweise gestrichener Passus besagt:

„Die übrigen Gesellschafter inferieren ihre Stammeinlagen wie folgt: Sie haben von dem Gesellschafter Schlapmann die Rechte aus einem ihm vom Verwalter im Konkurse über das Vermögen des Elektrizitätswerks Innien und Umgebung wegen Übernahme des zur Konkursmasse gehörenden Grundbesitzes nebst Maschinen und Leitungsnetz gemachten Kaufantrages erworben.“

Der Gesellschaftsvertrag ist vereinbart „zwischen den Herren:

  1. Rentner Hans Ratjen sen. in Homfeld,
  2. Ziegeleibesitzer Friedrich Domine in Innien,
  3. Hofbesitzer Heinrich Heeschen in Homfeld,
  4. Hofbesitzer Wilhelm Schwieger, daselbst,
  5. Hofbesitzer Friedrich Rathjen, daselbst,
  6. Hofbesitzer Heinrich Ratjen, daselbst,
  7. Amtsvorsteher Claus Gloy in Innien,
  8. Hofbesitzer Henning Gloy, daselbst,
  9. Kornhändler Johannes Behrens, daselbst,
  10. Rentner Claus Rohweder, daselbst,
  11. Rentner Friedrich Sibbert, daselbst,
  12. Hofbesitzer Claus Harms, Bünzen,
  13. Gemeindevorsteher Hans Ratjen in Innien,
  14. Rentner Claus Kahlke in Homfeld,
  15. Ingenieur Richard Schlapmann in Bremerhaven,

ist folgender Gesellschaftsvertrag vereinbart:

§ 1 Die vorgenannten 15 Herren errichten unter der Firma: „Überlandzentrale Innien GmbH“ eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

§ 2 Sitz der Gesellschaft ist Innien.

§ 3 Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb des Elektrizitätswerks Innien und Umgebung mit den dazugehörigen Grundstücken, eingetragen im Grundbuche von Innien Bd. III Bl. 127 und der Weiterbetrieb dieses Werkes, eventuell in Verbindung mit anderen industriellen Nebenbetrieben, ferner der An- und Verkauf gleichartiger Werke sowie der Erwerb und die Veräußerung der dazu erforderlichen Grundstücke, und evtl. auch der Betrieb eines technischen Geschäftes.

§ 5 Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt M 28 000. Auf dieses Stammkapital sind von den Gesellschaftern folgende Stammeinlagen zu leisten:"

Soweit der Wortlaut des Vertrages. Alle Gesellschafter leisteten eine Stammeinlage von 1500 Mark, nur Friedrich Domine 2500 und Richard Schlapmann 3000 und einen 30 bis 40 pferdigen Dieselmotor angerechnet mit 3000 Mark, zusammen 28.000 Mark. Sie bringen außerdem den aus dem Konkurs erworbenen Grundbesitz mit Zubehör zum Preise von Mark 120.000 in die Gesellschaft ein. Auf den Grundstücken stehen für die Sparkasse in Glückstadt Mark 80.000 und für die Spar- und Leihkasse an der Bünzau in Innien Mark 20.000, zusammen 100.000, als Hypothek eingetragen, welche die Gesellschaft zu übernehmen hat. Die Organe der Gesellschaft sollten bestehen aus dem Geschäftsführer, dem Aufsichtsrat und der Gesellschafter-Versammlung.

Zu Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats wurden gewählt:

  1. Hofbesitzer Claus Harms, Bünzen,
  2. Hofbesitzer Heinrich Heeschen, Homfeld,
  3. Hans Ratjen sen., Homfeld,
  4. Kornhändler Johannes Behrens, Innien,
  5. Ziegeleibesitzer Friedrich Domine, Innien.

Insolvenz und Verkauf

Postkarte des RAD Abteilung 3 74, Reichsarbeitsdienstlager am ehemaligen Elektrizitätswerk in Innien (Erlenweg), gelaufen, vermutlich aus den 1930er-Jahren

Über den Geschäftsgang der Gesellschaft und die Sitzungen des Aufsichtsrats sind leider keine Unterlagen mehr vorhanden, so daß nur einige wenige Angaben in Veröffentlichungen der Stadtwerke Neumünster Hinweise auf den Entwicklungsverlauf des Unternehmens geben können. In einer Jubiläumsausgabe „75 Jahre Stadtwerke Neumünster“ heißt es in einer Datenübersicht: 1912 Erweiterung der Überlandversorgung durch Pachtvertrag mit der Elektrizitätsgesellschaft Innien. Versorgung der Orte Einfeld, Loop, Schönbek, Krogaspe, Timmaspe, Gnutz, Böken, Bünzen Bargfeld, Homfeld und Innien."

„1922 Übernahme der Hoch- und Niederspannungsnetze des Elektrizitätswerks Innien.“ Eine Ablichtung des Vertragstextes ermöglicht eine Kenntnisnahme von den Bestimmungen des Vertrages:

Vertrag „Zwischen der Stadt Neumünster und der Elektrizitätswerke Innien GmbH. § 1 Die Elektrizitätswerke Innien GmbH verpachtet ihre gesamten Leitungsanlagen mit Zubehör ab 1. November 1922 an die Stadt Neumünster.

Die Stadt Neumünster übernimmt vom genannten Zeitpunkt ab den pachtweisen Betrieb der vorbezeichneten Anlagen. Das Recht zur ausschließlichen Stromlieferung, soweit es die Elektrizitätswerke Innien GmbH besitzt, wird daher in folgenden Gemeinden und Gutsbesitzen: Tungendorf Dorf, Tungendorf Kolonie, Stover, Einfeld, Loop, Krogaspe, Timmaspe, Schülp, Dätgen, Gnutz, Viertshöhe, Böken, Innien, Bünzen, Bargfeld, Homfeld, Tannenfelde, Schönbek, Bucken, während der Pachtdauer auf die Stadt Neumünster übertragen."

Vermutlich ist dieser Pachtvertrag mit der Stadt Neumünster nicht mehr von der ursprünglichen Gesellschaft abgeschlossen worden. Nach einer memoirenhaften Darstellung des Kornhändlers Johannes Behrens, Innien, der vom Beginn des Ersten Weltkrieges an für den sofort zu den Waffen eingezogenen Direktor Schlapmann, Innien, die Geschäfte des Werkes führen musste, ist das Unternehmen 1922 für 540.000 Papiermark an den Ziegeleibesitzer Jürgen Ulrich, Innien, verkauft worden. Dieser wenig Weitblick verratende Entschluss der Gesellschaft erfolgte, weil sie nicht mehr bereit war, weitere Gelder in den Betrieb zu investieren. Die immer größer werdenden Geldbeträge durch die fühlbar einsetzende Inflation haben gewiss die kaufmännisch wenig versierten Gesellschafter unsicher gemacht. Der clevere Kaufmann Jürgen Ulrich sah die große Gewinnchance und kaufte. Um sich von der großen Verwaltungslast zu befreien, so kann man vermuten, hat er dann am 31. 10. 1922 durch seinen Geschäftsführer H. Baack den Pachtvertrag mit der Stadt Neumünster unterschreiben lassen.

Johannes Behrens fügt seiner Angabe über den Verkaufsabschluss mit Ulrich bezeichnenderweise hinzu, dass er für seinen Anteil „lumpige“ 45.000 Mark bekommen und sie sofort zum Pastor gebracht habe, um dafür die Kirche malen zu lassen; der habe das Geld aber verfallen lassen.

In der Datenübersicht der Stadtwerke heißt es dann weiter

„1929 Ankauf des Elektrizitätswerkes Innien“

Johannes Behrens macht dazu in seinen Aufzeichnungen die lakonische Bemerkung: „Er (gemeint ist Jürgen Ulrich) verkaufte später das Werk wieder für 300.000 Goldmark (!) an die Stadt Neumünster.“

Der große zukunftsweisende Gedanke der Gründer, unter ihnen wieder der ideenreiche, vorwärtsdrängende Claus Gloy aus Innien, gerade auch die bäuerliche Wirtschaft schnell mit einer arbeitserleichternden Energiequelle zu versehen, hatte nicht die Vorstellung einer so rasanten Entwicklung der Elektrizität in sich bergen können. Um aus eigener Kraft mitzuhalten, hätte es einer Kapitalmenge bedurft, die die Gesellschafter ohne die Unterstützung bedeutender Banken nicht aufzubringen vermochten. Einem so groß gewordenen Unternehmen als Geschäftsführer vorzustehen, war für Johannes Behrens sicher keine leichte Aufgabe. So ist es zu verstehen, wenn er in seinen Aufzeichnungen davon spricht: „Es waren schlimme Zeiten, die mich nervös gemacht haben, denn der Betrieb umfasste 16 Dörfer.“

Leider sind betriebliche Unterlagen über den Aufbau des eigenen E-Werks nicht mehr vorhanden. Deshalb können auch keine Angaben über den Stromverbrauch 1n den ersten Jahren des Bestehens der Anlage gemacht werden. Das Dorf sollte sich stets dessen bewusst bleiben, dass die Elektrizitätsgenossenschaft wie auch die Wasserleitungsgenossenschaft Versorgungsaufgaben zu bewältigen hatten, die in der heutigen Zeit den Kommunen bzw. kommunalen Verbänden obliegen. So dürfen wir wohl mit Fug und Recht feststellen, dass beide Genossenschaften innerhalb des Aukrugs den Weg für die in späteren Jahren gegründeten kommunalen Einrichtungen der Strom- und Wasserversorgung entsprechend vorbereitet und die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass das Versorgungsnetz über einen weitaus breiteren Kreis von Abnehmern ausgedehnt werden konnte.

Stilllegung und neue Nutzungen

Das Werk ist stillgelegt, und die Gebäude sind unterschiedlichen Verwendungen zugeführt worden (Wollaufbereitungsanlage für eine Tuchfabrik in Neumünster, später Unterbringung einer RAD-Abteilung). In den 1930er-Jahren kaufte sie schließlich der Stellmachermeister Detlef Reimer aus Homfeld, um eine Karosseriebau-Werkstatt darin zu betreiben. In den Jahren vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hat eine Zeit lang wohl der Plan bestanden, in den Gebäuden eine Zentralmeierei für den Aukrug zu errichten (S. 361). Andere Überlegungen höheren Orts haben dann diesen Plan schnell verfliegen lassen. Der Verlauf des Zweiten Weltkrieges sollte aber doch das Schicksal der Werkgebäude bestimmen, denn als nach dem verheerenden Bombenangriff der Engländer auf Hamburg die Auslagerung von Betrieben notwendig wurde, wurde eine Gummireifenvulkanisieranstalt in die Gebäude verlegt. Sie hat der früheren E-Werksanlage bis heute im Volksmund die Bezeichnung „Gummifabrik“ eingetragen. Der hohe Schornstein blieb bis zum Abriss ein "Wahrzeichen" des Aukrugs. Das Kraftwerksgebäude wurde später zu Wohnungen ausgebaut und steht noch heute im Erlenweg.

Siehe auch