Archiv:Genossenschaftliche Zusammenschlüsse

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Genossenschaftliche Zusammenschlüsse

a) Raiffeisengenossenschaft (siehe S. 158)

Der erste Rendant war Hans Jargstorff, Innien. Das Jahr 1896 hatte einen Überschuß von 78 M, das Jahr 1897 schon einen Gewinn von 244,94 M, wovon der Rendant 200 M Jahresvergütung erhielt. Sein geschwächter Gesundheitszustand — eine Folge seiner Teilnahme am Krieg 1870/71 — mußte ihn veranlassen, schon 1899 sein Amt niederzulegen, und der Innier Kaufmann W. Ovens wurde sein Nachfolger. Die Überschüsse wuchsen stetig. Das Vertrauen zu der kleinen Bank stieg.

1907 schied C. Rickers, Homfeld, wegen Fortzugs aus dem Aufsichtsrat aus. Ihm folgte Heinrich Heeschen aus Homfeld, und nach seinem Tod 1912 wurde Heinrich Ratjen in den Aufsichtsrat gewählt.

1916 zeichnete die Kasse 20 000 und 1917 und 1918 je 30 000 M Kriegsanleihe. An bedürftige Soldatenfrauen wurden während des 1. Weltkrieges laufend Unterstützungen gezahlt, ebenso an den Frauenverein Innien.

Ende 1919 schied W. Ovens nach 20jähriger Tätigkeit aus seinem Amt als Rendant aus, und Molkereiverwalter Hansen, Innien, übernahm die Geschäftsführung. Ihm folgte 1923 August Jensen, Innien. Er stammte aus Stafstedt und war dort Geschäftsführer eines Mühlenbetriebes. Eine schwere Kriegsverletzung belastete seine Gesundheit. Er leitete die Kassengeschäfte fast 25 Jahre bis zu seinem 1947 erfolgten Tode.

Am 7. 2. 1946, dem 50. Gründungstage des Unternehmens, konnte Detlef Ratjen, Bargfeld, als einzig noch lebender Mitbegründer feierlich geehrt werden.

Am 12. 3. 1947 wählten Aufsichtsrat und Vorstand den Genossenschaftsbankangestellten Hans-August Jensen, Sohn des bisherigen Rendanten, zum Geschäftsführer und bestellten ihn zum Vorstandsmitglied unter Zustimmung des Verbandes, der damaligen Militärregierung und der Entnazifizierungsbehörde mit nachträglicher Genehmigung der Mitgliederversammlung. Im gleichen Jahr wurde mit Zweidrittel-Mehrheit die Verschmelzung der Spar- und Darlehnskasse mit der seit 1885 bestehenden Bezugs- und Absatzgenossenschaft beschlossen.

Es folgte 1952 der Bau eines Lagerhauses gegenüber dem Bahnhof. 1953 übernahm Hans Bach, Angestellter der Landesgenossenschaftsbank in Kiel, die Geschäftsführung und Hans-August Jensen die Leitung des Warenlagers unter gleichzeitiger Ausscheidung aus dem Vorstand, in den nun an seine Stelle Hans Bach gerufen wurde.

Die Bedeutung dieses Geld- und Wareninstitutes nahm immer mehr zu. Es wurde nicht nur von den Landwirten, sondern in zunehmendem Maße auch vom Handel und Gewerbe in Anspruch genommen. Dieser Entwicklung trug man Rechnung durch die Wahl des Sattlermeisters Willi Stahl, Innien, in den Aufsichtsrat.

In der politisch und wirtschaftlich so wechselhaften Zeit ihres nunmehr 82jährigen Bestehens blieb die Spar- und Darlehnskasse unerschüttert. Sie hat ihren Mitgliedern und Kunden durch zwei katastrophale Geldentwertungen sicher hindurchgeholfen; Mitglieder- und Kapitalbestand sowie Waren- und Gesamtumsatz vergrößerten sich stetig.

Folgende Zahlenübersicht mag das verdeutlichen:

1949 1959 1969 1977
Mitgliederzahl: 257 215 254 334
Eigenkapital: 20 100 140 500 387 400 604 300,— DM
Warenumsatz: 451 800 1 278 000 1 875100 3 132 000,— DM
Gesamtumsatz: 27 265 000 36 150 000 74 486 000 148 250 000,— DM
Personal: 3 AK 10 AK 12 AK 12 AK

1952 bis 1961 Bau und Erweiterungsbauten des Warenlagers.

1954 Bau eines Bankgebäudes. Bis dahin waren die ganzen Jahrzehnte hindurch Geschäftsführung und Bankbetrieb in den Privaträumen des jeweiligen Rendanten.

1954 zugleich die Errichtung einer Kartoffeldämpfanlage.

1966 Bau eines Getreidesilos mit Vermahlungseinrichtung.

1974 Erstellung einer Düngerhalle und Pensionierung des erfolgreichen Geschäftsführers Hans Bach.

In dem Geschäftsbericht auf der Mitgliederversammlung vom April 1974 wurde hinsichtlich des Düngergeschäftes eine gewisse Stagnation festgestellt, die zu der Überlegung führte, daß der Bau einer Halle zur Lagerung und zum schnellen Umschlag von losem Dünger erforderlich sei. Auf Empfehlung der Hauptgenossenschaft wurde von der Versammlung der sofortige Bau einer Lagerhalle beschlossen. Der Düngerverbrauch nahm erheblich zu. Die Entwicklung führte zu großen Düngerstreuern mit loser Ware, die nur eine leistungsfähige ortsansässige Firma liefern konnte. Ab 1975 besitzt die Genossenschaft zwei eigene Großflächenstreuer, mit denen der lose Dünger unmittelbar auf die Koppeln gebracht wird.

Mit Ablauf des Geschäftsjahres, am 31.12.1974, legte der Geschäftsführer Hans Bach sein Amt aus Gesundheits- und Altersgründen nieder.

Hans Bach, gebürtiger Stettiner, kam nach dem Kriege nach Kiel und war dort Abteilungsleiter in der Hauptgenossenschaft. Durch seinen beruflichen Werdegang war er mit der genossenschaftlichen Bank- und Warenwirtschaft bestens vertraut. Als Folge einer Umstellung in der hiesigen Genossenschaft wurde er nach Zustimmung der Mitgliederversammlung mit der Geschäftsführung beauftragt und in den Vorstand gewählt.

Unter seiner zielstrebigen und umsichtigen Leitung hat die Genossenschaft einen großen Aufschwung genommen. Er hat es gleich zu Beginn seiner Tätigkeit in kühner Entschlußkraft durchgesetzt, daß ein eigenes Bankgebäude errichtet wurde. Ein besonderes Anliegen war ihm die Ausbildung des Nachwuchses. Mehrere Abteilungsleiter haben hier ihre Volontärzeit absolviert. Hans Bach hat sich Vertrauen und Anerkennung erworben, und sein 1976 erfolgter Tod hat weithin große Anteilnahme ausgelöst.

1975 Einführung des neuen Geschäftsführers Jürgen Sievers, Umbenennung der Genossenschaft, Anschluß an eine elektronische Datenverarbeitungszentrale. Aufgrund einer Empfehlung des Spitzenverbandes, alle Raiffeisenkreditgenossenschaften zu einer einheitlichen Namensgebung zu veranlassen, beschloß die Mitgliederversammlung vom Mai 1975 die Umfirmierung der Genossenschaft in „Raiffeisenbank AG Aukrug".

Jürgen Sievers, 1935 in Kiel geboren, trat 1952 in die Banklehre bei der Genossenschaftlichen Zentralbank in Rendsburg, verbrachte seine Angestelltenjahre in Husum und Kiel und war ab 1961 Geschäftsführer einer Raiffeisenbank in Weddingstedt und später in Wacken.

Die Buchhaltung der Bank ist seit 1975 einer modernen elektronischen Datenverarbeitungszentrale in Kiel angeschlossen. Mit Spezialmaschinen werden sämtliche Buchungsvorgänge auf einen Belegstreifen gebracht, der nur von Computern weiterverarbeitet werden kann. Diese Belegstreifen werden mit einem eigens dafür eingerichteten Kurierdienst am späten Nachmittag in die Datenzentrale nach Kiel gebracht. In der Nacht erfolgt dort die Verarbeitung, und um 5.00 Uhr am nächsten Morgen befinden sich alle Unterlagen mit den einzelnen Kontoauszügen für die Kunden schon wieder auf der Bank in Aukrug.

1977 Beschluß eines Erweiterungsbaues des Bankgebäudes. Das Bauvorhaben wurde nötig durch die zunehmende Erweiterung des Geschäftsverkehrs und durch eine Verordnung der Bundesregierung, für alle Banken das sogenannte „Vier-Augen-Prinzip", d. h. die Einstellung von zwei vollberechtigten Direktoren, durchzuführen. Auch die elektronische Datenverarbeitung erfordert neue Arbeitsräume und nicht zuletzt den Ausbau dringend erforderlicher Dienstleistungen (Nachttresor, verbesserte Sicherheitsanlagen und Räume zur Kundenbetreuung im allgemeinen Wettbewerb um den Kunden).

Von der Größe und Bedeutung einer Bank gibt u. a. die Bilanzsumme Ausdruck. Sie betrug für die Raiffeisenbank Aukrug 1976 12 Millionen DM, das Guthaben der Kunden 10,5 Millionen und zusammen mit den verwalteten Wertpapieren sogar 11,4 Millionen DM.

Wenn man bedenkt, daß Aukrug etwa 3000 Einwohner hat, so bedeutet das, daß pro Kopf der Bevölkerung von unserer Raiffeisenbank ein Geldbetrag von 3800 DM verwaltet wird. Aus allem ergibt sich, daß die Raiffeisenbank aus dem wirtschaftlichen Leben der Gemeinde Aukrug nicht wegzudenken ist. Sie fühlt sich als finanzielle Betreuerin aller Schichten der Bevölkerung und hat ihren Gemeinsinn in mancherlei Spenden, u. a. auch in der maßgebenden Finanzierung des Georg Reimerschen Buches „Geschichte des Aukrugs" unter Beweis gestellt. Seit einigen Jahren ist der auch als Gemeindevertreter in der Öffentlichkeit bekannte Landwirt Klaus Detlef Ratjen, Bargfeld, als Nachfolger des geschätzten früheren Bürgermeisters von Homfeld, Paul Ratjen, Vorsitzender des Vorstandes, dem weiter der frühere Landwirt und jetzige Angestellte Claus Butenschön, Innien, und der Meiereiverwalter Heinrich Asmus angehören. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Landwirt Hans Carstens, Sohn des geschätzten langjährigen Amtsvorstehers des Amtes Innien.

Mitglieder des Aufsichtsrates sind:

  • Landwirt Hans Holm, Bünzen;
  • Bauunternehmer Erwin Kruse, Bünzen;
  • Landwirt Klaus-Friedrich Rathjen, Homfeld;
  • Bäckermeister Erwin Butenschön, Innien.

b) Das Elektrizitätswerk Innien

(Siehe Seite 222)

Eine für den Aukrug erstaunliche Leistung war das 1908 in Innien gegründete „Elektrizitätswerk Innien und Umgegend eGmbH". Als selbst noch in den Städten der elektrische Strom im Hausgebrauch etwas Seltenes war, brannten im Aukrug in den Wohnungen und Ställen schon die elektrischen Birnen. Die Namen der Männer, die zuerst den Gedanken faßten und das Kapital zur Errichtung des Werkes und der Netzanlage zusammenbrachten, können nicht mehr mit Sicherheit genannt werden. Es ist aber anzunehmen, daß es die führenden Männer des „Landwirtschaftlicher Verein an der Bünzau" waren, die so fortschrittliche Gedanken hatten und auch die Energie, sie in die Tat umzusetzen. In einem noch wieder aufgefundenen „Anteilschein Nr. 63" über 500 M vom 1.1.1909 heißt es in dem beigedruckten Genossenschafts-Statut unter § 2: „Der Gegenstand des Unternehmens ist die Errichtung und der Betrieb eines Elektrizitätswerkes zur Versorgung der Genossenschafter und der sonstigen Einwohner der Gemeinden Innien, Homfeld, Bargfeld, Böken und Bünzen mit elektrischer Energie für Licht und Kraft."

Unterschrieben ist der Anteilschein von Hans Ratjen sen. u. Fr. Domine, so daß wohl angenommen werden kann, daß die genannten Personen des „Gesellschaftsvertrages" von 1911 auch die Gründer der Genossenschaft gewesen sind.

Die Entwicklung dieses kühnen Unternehmens ist leider nur lückenhaft zu verfolgen, da die Unterlagen nicht mehr aufzufinden sind. Es scheint aber zunächst keinen sehr glücklichen Verlauf genommen zu haben, denn es ist schon wenige Jahre nach der Gründung in Konkurs gegangen. Das ist aus einem 1911 abgeschlossenen „Gesellschaftsvertrag" zu entnehmen, in dem ein später wohl wegen unklarer Ausdrucksweise gestrichener Passus besagt:

„Die übrigen Gesellschafter inferieren ihre Stammeinlagen wie folgt: Sie haben von dem Gesellschafter Schlapmann die Rechte aus einem ihm vom Verwalter im Konkurse über das Vermögen des Elektrizitätswerks Innien und Umgebung wegen Übernahme des zur Konkursmasse gehörenden Grundbesitzes nebst Maschinen und Leitungsnetz gemachten Kaufantrages erworben."

Der Gesellschaftsvertrag ist vereinbart „zwischen den Herren:

  1. Rentner Hans Ratjen sen. in Homfeld,
  2. Ziegeleibesitzer Friedrich Domine in Innien,
  3. Hofbesitzer Heinrich Heeschen in Homfeld,
  4. Hofbesitzer Wilhelm Schwieger, daselbst,
  5. Hofbesitzer Friedrich Rathjen, daselbst,
  6. Hofbesitzer Heinrich Ratjen, daselbst,
  7. Amtsvorsteher Claus Gloy in Innien,
  8. Hofbesitzer Henning Gloy, daselbst,
  9. Kornhändler Johannes Behrens, daselbst,
  10. Rentner Claus Rohweder, daselbst,
  11. Rentner Friedrich Sibbert, daselbst,
  12. Hofbesitzer Claus Harms, Bünzen,
  13. Gemeindevorsteher Hans Ratjen in Innien,
  14. Rentner Claus Kahlke in Homfeld,
  15. Ingenieur Richard Schlapmann in Bremerhaven,

ist folgender Gesellschaftsvertrag vereinbart:

§ 1 Die vorgenannten 15 Herren errichten unter der Firma: „ Überlandzentrale Innien GmbH" eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

§ 2 Sitz der Gesellschaft ist Innien.

§ 3 Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb des Elektrizitätswerks Innien und Umgebung mit den dazugehörigen Grundstücken, eingetragen im Grundbuche von Innien Bd. III Bl. 127 und der Weiterbetrieb dieses Werkes, eventuell in Verbindung mit anderen industriellen Nebenbetrieben, ferner der An- und Verkauf gleichartiger Werke sowie der Erwerb und die Veräußerung der dazu erforderlichen Grundstücke, und evtl. auch der Betrieb eines technischen Geschäftes.

§ 5 Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt M 28 000. Auf dieses Stammkapital sind von den Gesellschaftern folgende Stammeinlagen zu leisten:"

Soweit der Wortlaut des Vertrages. Alle Gesellschafter leisteten eine Stammeinlage von 1500 M, nur Friedrich Domine 2500 und Richard Schlapmann 3000 und einen 30 bis 40 pferdigen Dieselmotor angerechnet mit 3000 M, zusammen 28 000 M. Sie bringen außerdem den aus dem Konkurs erworbenen Grundbesitz mit Zubehör zum Preise von M 120 000 in die Gesellschaft ein. Auf den Grundstücken stehen für die Sparkasse in Glückstadt M 80 000 und für die Spar- und Leihkasse an der Bünzau in Innien M 20 000, zusammen 100 000, als Hypothek eingetragen, welche die Gesellschaft zu übernehmen hat. Die Organe der Gesellschaft sollten bestehen aus dem Geschäftsführer, dem Aufsichtsrat und der Gesellschafter-Versammlung.

Zu Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats wurden gewählt:

  1. Hofbesitzer Claus Harms, Bünzen,
  2. Hofbesitzer Heinrich Heeschen, Homfeld,
  3. Hans Ratjen sen., Homfeld,
  4. Kornhändler Johannes Behrens, Innien,
  5. Ziegeleibesitzer Friedrich Domine, Innien.

Über den Geschäftsgang der Gesellschaft und die Sitzungen des Aufsichtsrats sind leider keine Unterlagen mehr vorhanden, so daß nur einige wenige Angaben in Veröffentlichungen der Stadtwerke Neumünster Hinweise auf den Entwicklungsverlauf des Unternehmens geben können. In einer Jubiläumsausgabe „75 Jahre Stadtwerke Neumünster" heißt es in einer Datenübersicht: „1912 Erweiterung der Überlandversorgung durch Pachtvertrag mit der Elektrizitätsgesellschaft Innien." Versorgung der Orte Einfeld, Loop, Schönbek, Krogaspe, Timmaspe, Gnutz, Böken, Bünze], Bargfeld, Homfeld]] und Innien.

„1922 Übernahme der Hoch- und Niederspannungsnetze des Elektrizitätswerks Innien." Eine Ablichtung des Vertragstextes ermöglicht eine Kenntnisnahme von den Bestimmungen des Vertrages:

Vertrag „Zwischen der Stadt Neumünster und der Elektrizitätswerke Innien GmbH. § 1 Die Elektrizitätswerke Innien GmbH verpachtet ihre gesamten Leitungsanlagen mit Zubehör ab 1. November 1922 an die Stadt Neumünster.

Die Stadt Neumünster übernimmt vom genannten Zeitpunkt ab den pachtweisen Betrieb der vorbezeichneten Anlagen. Das Recht zur ausschließlichen Stromlieferung, soweit es die Elektrizitätswerke Innien GmbH besitzt, wird daher in folgenden Gemeinden und Gutsbesitzen: Tungendorf Dorf, Tungendorf Kolonie, Stover, Einfeld, Loop, Krogaspe, Timmaspe, Schülp, Dätgen, Gnutz, Viertshöhe, Böken, Innien, Bünzen, Bargfeld, Homfeld, Tannenfelde, Schönbek, Bucken, während der Pachtdauer auf die Stadt Neumünster übertragen."

Vermutlich ist dieser Pachtvertrag mit der Stadt Neumünster nicht mehr von der ursprünglichen Gesellschaft abgeschlossen worden. Nach einer memoirenhaften Darstellung des Kornhändlers Johannes Behrens, Innien, der vom Beginn des 1. Weltkrieges an für den sofort zu den Waffen eingezogenen Direktor Schlapmann, Innien, die Geschäfte des Werkes führen mußte, ist das Unternehmen 1922 für 540 000 Papiermark an den Ziegeleibesitzer Jürgen Ulrich, Innien, verkauft worden. Dieser wenig Weitblick verratende Entschluß der Gesellschaft erfolgte, weil sie nicht mehr bereit war, weitere Gelder in den Betrieb zu investieren. Die immer größer werdenden Geldbeträge durch die fühlbar einsetzende Inflation haben gewiß die kaufmännisch wenig versierten Gesellschafter unsicher gemacht. Der clevere Kaufmann Jürgen Ulrich sah die große Gewinnchance und kaufte. Um sich von der großen Verwaltungslast zu befreien, so kann man vermuten, hat er dann am 31. 10. 1922 durch seinen Geschäftsführer H. Baack den Pachtvertrag mit der Stadt Neumünster unterschreiben lassen.

Johannes Behrens fügt seiner Angabe über den Verkaufsabschluß mit Ulrich bezeichnenderweise hinzu, daß er für seinen Anteil „lumpige" 45 000 M bekommen und sie sofort zum Pastor gebracht habe, um dafür die Kirche malen zu lassen; der habe das Geld aber verfallen lassen.

In der Datenübersicht der Stadtwerke heißt es dann weiter

„1929 Ankauf des Elektrizitätswerkes Innien"

Johannes Behrens macht dazu in seinen Aufzeichnungen die lakonische Bemerkung: „Er (gemeint ist Jürgen Ulrich) verkaufte später das Werk wieder für 300 000 Goldmark (!) an die Stadt Neumünster."

Der große zukunftsweisende Gedanke der Gründer, unter ihnen wieder der ideenreiche, vorwärtsdrängende Claus Gloy aus Innien, gerade auch die bäuerliche Wirtschaft schnell mit einer arbeitserleichternden Energiequelle zu versehen, hatte nicht die Vorstellung einer so rasanten Entwicklung der Elektrizität in sich bergen können. Um aus eigener Kraft mitzuhalten, hätte es einer Kapitalmenge bedurft, die die Gesellschafter ohne die Unterstützung bedeutender Banken nicht aufzubringen vermochten. Einem so groß gewordenen Unternehmen als Geschäftsführer vorzustehen, war für Johannes Behrens sicher keine leichte Aufgabe. So ist es zu verstehen, wenn er in seinen Aufzeichnungen davon spricht: „Es waren schlimme Zeiten, die mich nervös gemacht haben, denn der Betrieb umfaßte 16 Dörfer."

Das Werk ist stillgelegt, und die Gebäude sind unterschiedlichen Verwendungen zugeführt worden (Wollaufbereitungsanlage für eine Tuchfabrik in Neumünster, später Unterbringung einer RAD-Abtlg). In den 30er Jahren kaufte sie schließlich der Stellmachermeister Detlef Reimer aus Homfeld, um eine Karosseriebau-Werkstatt darin zu betreiben. In den Jahren vor Ausbruch des 2. Weltkrieges hat eine Zeitlang wohl der Plan bestanden, in den Gebäuden eine Zentralmeierei für den Aukrug zu errichten (S. 361). Andere Überlegungen höheren Orts haben dann diesen Plan schnell verfliegen lassen. Der Verlauf des 2. Weltkrieges sollte aber doch das Schicksal der Werkgebäude bestimmen, denn als nach dem verheerenden Bombenangriff der Engländer auf Hamburg die Auslagerung von Betrieben notwendig wurde, wurde eine Gummireifenvulkanisieranstalt in die Gebäude verlegt. Sie hat der früheren E-Werksanlage bis heute im Volksmund die Bezeichnung „Gummifabrik" eingetragen. Der hohe Schornstein ist und bleibt ein „Wahrzeichen" des Aukrugs.

c) Schweinegilde

In dem Abschnitt „Aus der Geschichte des landwirtschaftlichen Vereinswesens" weist Georg Reimer auf die Fülle der genossenschaftlichen Zusammenschlüsse um die Jahrhundertwende im Aukrug hin. Raiffeisenverbandsdirektor i. R. Albert Lüthje behandelt in seiner Schrift: „Das landwirtschaftliche Vereins- und Genossenschaftswesen im Aukrug" ausführlich diese Entwicklung.

Die meisten Genossenschaften sind im Laufe der Zeit aufgegeben worden, weil ihre Aufgabenstellung durch den Wandel in der Landwirtschaft nicht mehr aktuell war. Aber eine dieser alten Genossenschaften oder Gilden hat sich erstaunlicherweise bis heute erhalten, und das ist die Schweinegilde Aukrug.

In dem noch vorhandenen, ununterbrochen geführten Protokollbuch heißt es auf der ersten Seite wörtlich:

„Am 12. Februar 1893 wurde im Lokale der Ww. Westphal eine Versammlung abgehalten behufs Gründung einer Schweine-Gilde. In der Versammlung kam man dahin überein, daß die Gilde sich über den Aukrug erstrecken sollte und wurde der Sitz der Gilde Homfeld.

Zum Altermann wurde gewählt der Meierei-Inspektor I. Boy, zum Stellvertreter für denselben der Käthner Joh. Butenschön und zum Schriftführer und Kassierer der Käthner C. H. Wieben.” In einer 14 Tage später abgehaltenen Versammlung heißt es dann folgerichtig: „In der heutigen Versammlung traten der Gilde bei die Dörfer Innien, Böken, Bünzen und Bargfeld. Zum Taxator für die Dorfschaft Innien wurde gewählt der Insten Heinrich Hein, für Böken der Käthner Christian Vollstedt, für Bünzen der Käthner I. Schött, für Bargfeld der Insten M. Suhr. Ferner wurde beschlossen, daß die Gilde mit dem 1. März dieses Jahres in Kraft trete und wurden die vom Vorstand entworfenen Statuten angenommen."

Ein vergilbtes Exemplar dieser 1894 in der Buchdruckerei I. Petersen, Hohenwestedt, gedruckten Statuten ist noch vorhanden. Unter dem 1. Oktober 1893 heißt es im Protokoll:

㤠2 Feier des Gildetages. Auch wurde beschlossen, den Gildetag jedes Jahr feierlich zu begehen. Der Taxator eines jeden Dorfes sammelt 14 Tage oder 3 Wochen vorher von jedem Interessenten 50 Pfg. zur Bestreitung der Kosten."

Dieser Beschluß ist für den Zusammenhalt der Gilde fraglos von großer Bedeutung geworden, denn aus ihm hat sich die bis in die Gegenwart reichende Tradition gebildet, am 1. Sonnabend im März jeden Jahres den Gildetag durch ein Gildevergnügen, scherzhaft „Schweineball" genannt, festlich zu begehen. Dieses Vergnügen erfreut sich auch jetzt noch großer Beliebtheit.

Die Gilde ist, nach den anfänglich zwar kurzen, aber stets regelmäßig geführten Protokolleintragungen zu schließen, sehr gewissenhaft geleitet worden. Allmählich vergrößerte sich der Gildebereich. Schon 1895 trat Bucken hinzu, 1906 Hennstedt, 1907 Meezen und Poyenberg, 1920 Wiedenborstel. Am 15. Juli 1923, mitten in der sich überschlagenden Geldentwertung der Inflationszeit, wurde beschlossen, die Gilde bis auf weiteres ruhen zu lassen.

Am 1. März 1925 folgte dann die nächste Eintragung, die erkennen läßt, daß nach der Überwindung der entwerteten Reichsmark sofort wieder das Bestreben nach Fortsetzung der Schweineversicherung vorhanden war. Die monatliche Versicherung für jedes Schwein betrug nun 20 Pfg., für Sauen 50 Pfg., und jedes Mitglied, das keine Schweine zu versichern hatte, zahlte auch 20 Pfg. Beitrag.

1928 wurde beschlossen, daß keiner aufgenommen werden dürfe, der mehr als 6 Schweine halte. Daraus wird ersichtlich, daß die Gilde eine genossenschaftliche Schutzeinrichtung für Leute mit geringer Viehhaltung und nicht für bäuerliche Betriebe sein sollte. Sie unterlag bis vor 2 Jahren einem jährlichen Berichtszwang an das Landwirtschaftsministerium in Kiel.

Ab 1929 wurden die Protokollaufzeichnungen ausführlicher. Man beschloß unter anderem, in jedem Jahr einen Ball auf Vereinskosten anzusetzen.

1940 und auch 1941 wurde ein Antrag zur Übernahme der Wasbeker Schweinegilde einstimmig abgelehnt.

Die Bestimmung in den Statuten von 1893, daß Standort der Gilde Homfeld sei, wo auch alle Versammlungen abgehalten werden müßten, ist im Laufe der Zeit aufgegeben und am 9. Juli 1955 beschlossen worden, die Gaststätte Lipp in Innien als Gildelokal anzusehen.

1957 faßte man den bedeutsamen Entschluß, aus der Gilde ausgetretene Mitglieder nicht wieder aufzunehmen. Mit dem steigenden Wohlstand der Landbevölkerung verringerte sich die Neigung zur Schweinemästung in den Haushaltungen. Demzufolge lösten sich viele Schweinegilden, die früher in allen Teilen Schleswig-Holsteins anzutreffen waren, nach und nach auf. Die Schweinegilde Aukrug hielt sich und vergrößerte sogar ihren Bereich. Die Mitgliederzahl beträgt gegenwärtig 102, die Anzahl der versicherten Schweine 46.

Der 1. Vorsitzende der Gilde ist Helmut Stender, Schriftführer Otto Nagel.

In jedem Dorf ist ein Kassierer, der für ordnungsmäßige Beitragszahlung zu sorgen hat. Die große Zahl der Mitglieder gegenüber der Zahl der versicherten Schweine läßt erkennen, daß sich unter den Mitgliedern ein gewisser gesellschaftlicher Zusammenhalt herausgebildet hat, der in dem beliebten „Schweineball" in jedem Jahr seinen vergnüglich-harmonischen Ausdruck findet.