Friedrich Christiansen

Aus Aukrug Geschichte Wiki
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Kapitän Friedrich Christiansen, 1933
Friedrich Christiansen (2. v. r.) im Jahr 1937
Zum Gedenken der Opfer in Putten wurde 1947 ein Denkmal errichtet, das 1949 von Königin Juliana feierlich enthüllt wurde, hier dargestellt auf einer Briefmarke der DDR von 1965

Friedrich Christiansen (* 12. Dezember 1879 in Wyk auf Föhr; † 3. Dezember 1972 in Aukrug) war ein deutscher Offizier, zuletzt General der Flieger sowie Wehrmachtbefehlshaber in den besetzten Niederlanden. Nach Kriegsende wurde er von einem niederländischen Sondergericht als Kriegsverbrecher zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Leben

Christiansen am Zaun seines Wohnhauses "Nordfriesland" in der Bargfelder Straße. Vor der Fassade ist auch das Flugzeugmodell zu erkennen.

Christiansen stammte aus einer alten Seefahrerfamilie und wurde zunächst Handelsschiffkapitän. Er besaß wie sein jüngerer Bruder Carl Christiansen das seemännische Patent als Kapitän für Große Fahrt. Unter anderem fuhr er als Zweiter Offizier auf der Preußen. Am 1. Oktober 1901 trat er der Kaiserlichen Marine bei, aus der er nach einjähriger Dienstzeit am 30. September 1902 als Reservist entlassen wurde. Am 27. März 1914 absolvierte er die Prüfung zum Piloten bei der Hanseatischen Flugschule von Karl Caspar und arbeitete danach als Fluglehrer. Er gehört somit zu den sogenannten Alten Adlern, d. h. den Flugzeugführern, die ihren Pilotenschein bereits vor dem Ersten Weltkrieg erworben haben. Am 2. Juni 1908 heiratete er in Innien Amanda Ratjen (*1881; †1971)[1].

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Christiansen zur Marine einberufen und diente zunächst als Ausbilder bei der Seeflugstation Holtenau. Am 5. Januar 1915 versetzte man Christiansen als Seeflieger an die belgische Küste und beförderte ihn am 18. Februar 1916 zum Leutnant der Reserve der Matrosen-Artillerie sowie am 25. Juni 1917 zum Oberleutnant der Reserve. Ab 16. September 1917 fungierte Christiansen als Staffelführer innerhalb der Seeflugstation Flandern I in Zeebrugge. Dabei gelang ihm am 11. Dezember 1917 der Abschuss des britischen Luftschiffs C 27. Daraufhin verlieh ihm Kaiser Wilhelm II. nach insgesamt 440 Feindflügen am 11. Dezember 1917 den Pour le Mérite,[2] den Christiansen dann im Großen Hauptquartier aus der Hand des Kaisers ausgehändigt bekam. Er war somit der erste Reserveoffizier der Marine, der die höchste preußische Tapferkeitsauszeichnung erhielt. Am 27. September 1918 wurde er zum Kapitänleutnant der Reserve der Matrosen-Artillerie befördert. Den Krieg beendete er mit 21 bestätigten Luftsiegen.

Nach der Novemberrevolution von 1918 gehörte er der 3. Marinebrigade unter Wilfried von Loewenfeld an und schied am 6. März 1919 aus dem Militärdienst aus.

Ab 1922 betätigte sich Christiansen erneut in der Handelsschifffahrt, bis er 1929 bei Claude Dornier beschäftigt wurde. Als Kommandant des Großflugboots Do X wurde er auch im Ausland bald bekannt, unter anderem bei der Amerikatour von 1931.

Seine Auszeichnungen führten schließlich dazu, dass er von 1933 bis 1937 als Ministerialrat ins Reichsluftfahrtministerium berufen und 1936 zum Generalmajor befördert wurde. Im selben Jahr wurde er zum Kommandanten bzw. Inspekteur aller Fliegerschulen ernannt. 1937 wurde Christiansen, der Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 800.471) war,[2] Korpsführer des NS-Fliegerkorps und zum Generalleutnant befördert. Am 1. Januar 1939 wurde er – auf dem Höhepunkt seiner militärischen Karriere – zum General der Flieger ernannt.[2]

Während des Zweiten Weltkriegs nach dem Westfeldzug war Christiansen vom 29. Mai 1940 bis zum 7. April 1945 Wehrmachtbefehlshaber in den von Deutschland besetzten Niederlanden und zugleich vom 10. November 1944 bis 28. Januar 1945 Oberbefehlshaber der dort eingesetzten 25. Armee.

Nach dem Krieg wurde Christiansen verhaftet und vom Sondergericht im niederländischen Arnheim in der Strafsache Putten am 12. August 1948 zu zwölf Jahren Haft verurteilt:[3] Er hatte nach Anschlägen auf die Wehrmacht am 2. Oktober 1944 befohlen, das niederländische Dorf Putten niederzubrennen und alle Männer des Dorfes im wehrfähigen Alter in das Lager Amersfoort und von dort in das Konzentrationslager Neuengamme zu deportieren.

Der Stadtrat seiner Heimatstadt Wyk nahm seine Freilassung im Jahre 1951 zum Anlass, die ihm 1932 verliehene Ehrenbürgerschaft zu erneuern und eine Straße, die bereits früher seinen Namen getragen hatte, wieder nach ihm zu benennen. Dies wurde in den Niederlanden und in Dänemark mit Empörung aufgenommen. Im Mai 1980 erhielt die „Friedrich-Christiansen-Straße“ ihren alten Namen „Große Straße“ nach einer mehrmonatigen, in der Stadt Wyk umstrittenen Diskussion zurück. Die Ehrenbürgerschaft wurde ihm nicht aberkannt, da sie mit seinem Tode erloschen war.[4][5][6][7] Im März 2016 entschied der Gemeinderat von Aukrug, Christiansen die 1933 verliehene Ehrenbürgerschaft wegen seiner Teilnahme an Kriegsverbrechen symbolisch mit einem protokollierten Beschluss abzuerkennen.

Strafsache Putten

Eins der 105 von den Deutschen in Brand gesteckten Häuser in Putten
Razziadenkmal in Putten
Mahnmal mit den 300 Namen der Opfer des Lagers Ladelund, 110 davon aus Putten. Die vollständigen Namen sind bei Genelaogy.net nachlesbar.[8].
Hamburg, KZ-Gedenkstätte Neuengamme: Gedenkhain, Gedenkstein Putten. Gedenken an die Deportation und Ermordung.
Wedel, Deutschland, Fall Putten: Namen der in Wedel ermordeten Opfer. Wedel war eine Außenstelle des KZ Neuengamme

Als Fall Putten wird das oben erwähnte Kriegsverbrechen bezeichnet, das die deutsche Wehrmacht am 2. Oktober 1944 in der niederländischen Ortschaft Putten beging. Dabei wurden 661 Männer aus der Ortschaft in verschiedene Konzentrationslager deportiert, von denen 552 dort umkamen.[9] Die restliche Bevölkerung musste das Dorf verlassen, das dann in Teilen von der Wehrmacht zerstört wurde.

Hergang

Ein Anschlag einer Widerstandsgruppe auf ein Auto der deutschen Wehrmacht gab den deutschen Besatzern Anlass zu Vergeltungsmaßnahmen gegen die Gemeinde Putten.[10]

„In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 1944 beschoss eine Widerstandsgruppe aus einem Hinterhalt einen Personenwagen der Deutschen Wehrmacht. In dem Auto saßen zwei Offiziere und zwei Gefreite. Es kam zu einem Feuergefecht, bei dem die beiden Gefreiten entkommen konnten. Einer der Offiziere flüchtete schwer verwundet zu einem nah gelegenen Bauernhof. Er wurde nach Harderwijk gebracht, wo er am folgenden Tag starb. Der andere Offizier wurde von der Widerstandsgruppe als Gefangener mitgenommen. Am Sonntag, den 1. Oktober 1944, führte die Deutsche Wehrmacht daraufhin in einem Großteil von Putten und einem Teil von Nijkerk eine Razzia durch. Auf Befehl von General Friedrich Christiansen, dem Wehrmachtbefehlshaber in den besetzten Niederlanden, wurde Putten von deutschen Truppen hermetisch eingeschlossen. Frauen und Kinder wurden zur Kirche getrieben, die Männer getrennt von ihren Familien in der Schule und der Eierhalle eingesperrt. Nach Stunden voller Angst und Ungewissheit wurden Frauen und Kinder am Abend unter der Bedingung frei gelassen, dass sie am folgenden Tag mit Essen für die Männer zurück kehren sollten. Am 2. Oktober kamen die meisten Frauen und Kinder zurück. Die Männer im Alter zwischen 18 und 50 Jahren wurden an diesem Tag verhaftet und in das Polizeiliche Durchgangslager Amersfoort gebracht. Frauen und Kindern wurde befohlen, das Dorf innerhalb von zwei Stunden zu räumen. Zusammen mit niederländischer SS steckten deutsche Truppen am Abend und in der Nacht ungefähr 110 Häuser in Brand. Viele Einwohner Puttens standen am folgenden Morgen vor den Ruinen ihrer Häuser.“

In Amersfoort wurden 59 von ihnen freigelassen, anschließend wurden 601 Männer in das KZ Neuengamme verschleppt, 13 konnten auf dem Weg aus dem Zug springen, so dass 588 am späten Abend des 14. Oktober in Neuengamme ankamen. Von dort aus wurden die Puttener Häftlinge in weitere Konzentrationslager geschickt, insbesondere in die Außenlager Neuengammes. Die größte Gruppe der Männer aus Putten litt und starb in den Außenlagern Husum-Schwesing und Ladelund in Nordfriesland. Allein im KZ Ladelund starben 111 Männer aus Putten.[11] In den sieben Monaten bis Kriegsende kamen die meisten der gefangenen und deportierten Männer in deutschen Konzentrationslagern um. Während der Razzia selbst wurden acht Menschen erschossen, darunter auch das einzige weibliche Todesopfer. Nur 48 der Deportierten kehrten nach der Befreiung zurück nach Putten, wobei weitere fünf von ihnen an den Folgen der KZ-Haft starben[12].

Aufarbeitung

Nach dem Krieg wurden die drei hauptverantwortlichen Militärs Fritz Fullriede, Friedrich Christiansen und Heinz-Hellmuth von Wühlisch von einem niederländischen Gericht dafür wegen Kriegsverbrechen verurteilt. Im Dezember 1951 wurde Christiansen vorzeitig entlassen und nach Deutschland abgeschoben.[2]

Zu Ehren der Opfer wurde im Zentrum der Gemeinde Putten ein Denkmal errichtet. Es wurde am 1. Oktober 1949 von Königin Juliana eingeweiht. Eine Ausstellung zur Geschichte der Razzia und Tafeln mit den Namen der Opfer ergänzen in einem 1999 eröffneten Gedenkraum diese Anlage[13].

1946 informierte der evangelische Pastor des nordfriesischen Dorfes Ladelund, dass 111 Männer aus Putten im dortigen Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme verstorben und am Ort bestattet worden seien[14]. Daraus entstand eine „für die Niederlande und Deutschland einzigartige Versöhnungs- und Erinnerungsarbeit“ von Putten und Ladelund.[15] Die Ereignisse in Putten und das Schicksal der Verschleppten wurden erstmals 1981 in einer Ausstellung und 2015 im Rahmen einer Sonderausstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme dargestellt.

In Wedel, wo sich ein Außenlager vom KZ Neuengamme befand, erinnert eine Straße und eine Gedenktafel an das Kriegsverbrechen.

Auszeichnungen

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Amanda Ratjen bei genealogy.net
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Friedrich Christiansen - Beamte nationalsozialistischer Reichsministerien
  3. Zusammenfassung des Urteils bei Justiz und NS-Verbrechen
  4. :Die Zeit 28. März 1980: „Die Wyker und ihr General“
  5. A. Bantelmann, A. Panten, R. Kuschert, T. Steensen: Geschichte Nordfrieslands. Hrsg. Nordfriisk Instituut und Stiftung Nordfriesland, Verlag Boyens & Co., Heide 1995, ISBN 3-8042-0759-6, S. 391.
  6. Der Inselbote: „Das brutale Gesicht der Diktatur“, vom 26. November 2012.
  7. Klaus Bästlein: Friedrich Christiansen - Vom Friesenjungen auf Föhr zum Wehrmachtsbefehlshaber und NS-Täter in den Niederlanden und gefeiertem Ehrenbürger in Schleswig-Holstein, Online als PDF
  8. Grabsteine KZ-Gedenkstätte Ladelund (Nordfriesland)
  9. 552 Niederlande
  10. Vergeltungsmaßnahmen gegen die Gemeinde Putten auf der Seite des Denkmals
  11. Oktober 44 und Gedenkstätte Ladelund
  12. Die Razzia von Putten auf www.annefrank.org
  13. Niederländische Seite des Denkmals Stichting Oktober 44
  14. Die Gedenkstätte des KZ Ladelund: Ein Rundgang
  15. Katharina Hertz-Eichenrode: ‚Vergeltungsaktionen‘ in Murat, Meensel-Kiezegem und Putten. In: Oliver von Wrochem (Hrsg.): Repressalien und Terror. Paderborn 2017, ISBN 978-3-506-78721-7, S. 189.
  16. 16,0 16,1 16,2 16,3 16,4 Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine für das Jahr 1918, Hrsg.: Marine-Kabinett, Mittler & Sohn Verlag, Berlin 1918, S. 200
  17. wikipedia:de:wikipedia:de:Klaus D. Patzwall: Das Goldene Parteiabzeichen und seine Verleihungen ehrenhalber 1934–1944, Studien der Geschichte der Auszeichnungen Band 4, Verlag Klaus D. Patzwall, Norderstedt 2004, ISBN 3-931533-50-6, S. 66
  18. Klaus D. Patzwall und Veit Scherzer: Das Deutsche Kreuz 1941–1945, Geschichte und Inhaber Band II, Verlag Klaus D. Patzwall, Norderstedt 2001, ISBN 3-931533-45-X, S. 538