Archiv:Menschen und Schicksale

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Menschen und Schicksale

Jürgen Friedrich Ahrens

Jürgen Friedrich Ahrens
Titel der Erstausgabe

von Klaus Köster, 1924 —1933 Lehrer in Bünzen

1834 in Sarlhusen geboren, wuchs er in Bünzen als Sohn eines Brennmeisters auf. Knappe wirtschaftliche Verhältnisse im Elternhause, in dem sechs Kinder zu versorgen waren (der Lohn betrug neben Kost und Familienwohnung wöchentlich 2,—Mark, später 3,— Mark), machten es erforderlich, daß Jürgen Friedrich als Hütejunge mitverdienen mußte. Für die Schule blieben wöchentlich nur zwei halbe Tage (die „Sommerschule")!

Sein Trieb zu geistiger Tätigkeit war nicht zu hemmen. Ahrens wurde Lehrer mit Hilfe von einigen Bauern, die ihm mit Geld beistanden. Seine Schrift „Unnerköster" ist ein treffliches Zeitbild aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, als er seine Präparandenzeit in Langwedel, Hüttenwold, Ehndorf, Neumünster und Altona durchlebte und die Ausbildung im Lehrerseminar Segeberg erfuhr. Ahrens war Lehrer an verschiedenen Orten des Landes, darunter Itzehoe, und Hauptlehrer in Kiel, von 1879 an hauptamtlicher Direktor der Gewerbeschule in Kiel. Er war lange Jahre Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerbelehrerverbandes. Manches andere Ehrenamt hatte er zu bekleiden.

Jürgen Friedrich Ahrens verfaßte Bücher für Fortbildungs- und Gewerbeschulen, schrieb über die Verwendung von Maschinen in Betrieben, über die Lehrerbildung, die Erziehung zum selbständigen Arbeiten der Schüler, Werkunterricht, Wanderfahrten, über Schleswig-Holsteinische Geschichte und was sonst den Lehrer angeht. Manches nette Verslein entschlüpfte seiner Feder; die Gedichtsammlung „Feldblom" ist köstlich zu lesen.

Als Ahrens 1903 seinen Abschied nahm, hatte er die Kieler Gewerbeschule in 30 Jahren so aufgebaut, daß die Zahl der Lehrkräfte von 9 auf 80, die Klassen von 10 auf 88 und die der Schüler von 273 auf 2336 gestiegen war.

„Du lehrst miendag keen Rieden!" hatte ihm als Kind ein Bauer zugerufen, als er mit einem Pferd nicht zurechtkommen konnte. „Un lehrt heff ick dat doch, wenn ok op en anner Perd!" schrieb er an seinem Lebensabend; er starb am 14. Juli 1914. Jürgen Friedrich Ahrens hat der Bünzer Schule eine Bücher- und Geldstiftung vermacht. Das kleine Kapital ist leider durch zwei Geldentwertungen zerschmolzen.

Schummerstunn

Wi schön is doch de Schummerstunn, 
Wenn ünnern Abn drömt de Hunn, 
Un oppen Abn de Appeln
brad Un all Mann rundrüm sitt un staht.

Uns Vadder denn ut Brennhus keem, 
Un von de Wand de Piep sik nehm, 
Un sett in'n Lähnstohl sik un smök, 
Dat ganz de Döns na Petum rök.
Am meisten harre wi doch Pläsier, 
Wenn mal de Snider bi uns weer. 
De seet denn inne Schoppstunn ok 
In'n Lähnstohl achtern Abn un rok.

Wat de lütt Kerl voll Düntjens steek! 
De kunn vertelln de ganze Wek, 
He harr in' Rügg so'n lütte Knoll, 
Se sä'n, de weer bet baben voll.

„Klassnider, nu vertell mal wat, 
Wi hebbt langn keen Geschichten hadd!"
Un he vertell von braken Schäp, 
Von Ulenspegels Künst und Knep.

Dat mak uns Görn unbanni Spaß, 
Denn in't Vertelln weer he en Bas; 
Un dat is seker, menni Korn
Wat afspill, güngn dar ni verlorn.

Doch dar kämmt Modder inne Dör 
Mit Licht un mit de Lamp darher 
Un seggt: „So, Jungns, nu stramm an't Bok,
Mein Gott, wat is de Döns voll Rok!"

,Ja Modder, dat is ni umsunst, 
Klassnider mak hier blauen Dunst", 
Sä Vadder, güng na't Brennhus rut, 
De schöne Schummerstunn wer ut.

Bald harre wi denn de Böker fat, 
Klassnider sett sik opp de Lad. 
Un trock dat Beenwark ünnert Lief 
Un nei denn wedder stramm un stief.

De Lad stunn von de Wand ni wid, 
Dat Licht, dat dröp em von de Sid, 
Denn spel as Schatten an de Wand 
Sin Kopp, sin Knast, sin Arm, sin Hand.

Doch rascher as de Schummerstunn 
De Tied, de schöne Tied verswunn, 
Klassnider slöppt all inne Eer 
Un ok de Olen sand ni mehr.

Un doch de schöne Schummertied 
Spelt as en Drom so hell un blid, 
Wenn se ok gar to gau  verswunn, 
Noch ümmer in min Schummer-stunn.

„Der Held aus Homfeld"

Der Stein steht an der Straße zum Boxberg in Homfeld. Er wurde vom Landschaftsmaler Willy Koepke erstellt.

Daß es in Aukrug mindestens einen gab, der am Rade der Weltgeschichte etwas mitdrehte, daran erinnert der Gedenkstein mit der Aufschrift: Zum Gedächtnis des Patrioten Fr. Rathjen 1870/71, geb. 1850, gest. 1925.

Gemeint ist Friedrich Rathjen aus Homfeld, der als junger Bauernsohn den Krieg 1870/71 als Kanonier mitgemacht hatte.

In der entscheidenden Schlacht bei Sedan am 1. September 1870 war die Geschützstellung Friedrich Rathjens auf einem Hügel bis auf 6 Mann und 8 Kanonen aufgerieben worden.

Dennoch gelang es den verbliebenen 6 Kanonieren, den nachstürmenden Gegner abzuweisen, indem sie mit letztem Einsatz bis zur äußersten Erschöpfung aus ihren acht Rohren feuerten, so schnell sie irgend konnten — damit täuschten sie eine weit stärkere Streitmacht vor. Die Franzosen schwenkten ab und stießen so auf die Hauptmacht der Preußen, die schließlich den Sieg davontrugen.

Friedrich Rathjen und seine fünf Kameraden wurden als „Helden von Sedan" persönlich zur Kaiserkrönung nach Versailles befohlen, wo sie die ihrem Dienstrang entsprechende höchstmögliche Auszeichnung empfingen.

Baurat Jürgen Kröger

Das Grab Jürgen Krögers auf dem Innier Friedhof

von Georg Reimer

Er stammt aus Vaasbüttel, sein Onkel war der Dichter Timm Kröger. Baurat Kröger hat sich vom einfachen Zimmergesellen zu seiner geachteten Stellung emporgearbeitet: Bauschule Eckernförde, Arbeit beim Kirchenbaumeister Otzen in Berlin, selbst Kirchenbaumeister. Jürgen Kröger machte die Entwürfe für 25 gebaute Kirchen und baute mehrere große Bahnhöfe. Er wohnte bis 1918 in Berlin.

Seinen Lebensabend verbrachte der Kaiserliche Baurat in Innien. Da die Inflation sein Vermögen gemindert hatte, erfaßte er wieder den Zeichenstift und entwarf Bauernhöfe und Wohnhäuser. Der Turm der Aukruger Kirche ist sein 25. Turmbau. Auch an Kleinigkeiten erkannte man den Meister, wie z.B. am Transformatorenhaus am Bahnhof und dem Ehrenmal bei der Kirche. Jürgen Kröger verstarb, 72 Jahre alt, am 27. Februar 1928 in Innien.

„De Schlangengrieper"

Klaus Hauschildt, „de Schlangengrieper"

von Werner Hauschildt

Gemeint ist mein Großvater Klaus Hauschildt, der 1853 in Hohenwestedt geboren wurde. Er besaß in der Bargfelder Straße 12 einen „Hökerladen", den seine Frau Magdalena betrieb. Das Geschäft lief einigermaßen, weil sich hier im Sommer die Wanderarbeiter aus Lippe-Detmold, die in der nahen Ziegelei beschäftigt waren, mit Lebensmitteln versorgten.

Opa Hauschildt hatte stets Sinn für das Besondere, Unkonventionelle, und er war ein unruhiger Geist. Bevor die Familie sich in Innien niedergelassen hatte, war sie aufgrund einer Weltuntergangsprophezeiung 1890 drauf und dran gewesen, in den Kaukasus auszuwandern. Sie war schon in Odessa am Schwarzen Meer angekommen, hat dort aber den Entschluß auf Anraten deutscher Siedler aufgegeben und ist per Schiff zurück nach Hamburg gereist.

Zur Aufbesserung des Einkommens, aber auch aus Spaß an der Sache, fing Klaus Hauschildt Frösche und Schlangen, um sie an Hagenbecks Tierpark als Tierfutter zu verkaufen. Daher sprachen die Leute von ihm als „De Schlangengrieper". Die Beute ist per Frachtgut in Blechbehältern mit der Eisenbahn nach Hamburg transportiert worden. Außerdem verschickte er, in Jutesäcke verpackt, Tannengrün und vor allem Stechpalmenzweige an Berliner Friedhofsgärtnereien. Eines seiner Hobbys war das Fischen in der Au. Als Telegrammbote für Innien und Umgebung mußte er oft bis nach Meezen laufen. Er starb 1939 in Innien.

Onkel Wilhelm

Onkel Wilhelm tastet sich durch Homfeld

In einem Gespräch mit Paul Ratjen kommt man zu der Überzeugung, man sollte auch einmal über jemanden schreiben, der ein stilles Leben führte. Onkel Wilhelm war so ein Mensch. Wilhelm Rathjen wurde am 20.11.1890 in Homfeld geboren. War ein Kind wie alle anderen. Als junger Mensch hatte er unheimliche Kräfte, benutzte beim Üllerladen (Mistladen) die Rübenforke. In seiner Freizeit spielte er gerne Karten. Viele können sich noch an den gesunden Willem erinnern. Das Hören und Sehen ließen aber allmählich nach. Hans Jakob Ratjen erzählte später, Wilhelm hätte beim Drillen auf dem Bauch gelegen, um festzustellen, ob auch genug Saatkörner aus der Maschine herausgekommen waren.

Onkel Willem wurde dann ganz taub und blind. Er wohnte mit seiner Schwester Marie Joost im Altenteil auf dem Hof seines Vaters Friedrich Rathjen. Dieser vermachte ihm eine kleine Landstelle von 19 ha. Zu dieser Fläche gehörte ein Waldstück mit sehr gutem Eichenbestand. Später wurde auf der Koppel von Marie, gegenüber der Gastwirtschaft Wüstenberg, ein Haus gebaut. Einige Eichen wurden geschlagen und der Erlös machte diesen Hausbau erst möglich. Marie und Willem zogen in das neue Haus ein. Für Willem war es in der ersten Zeit schwer, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Er pflegte dann zu sagen: „Ole Böm schall man ni umplanten." Bald hatte er sich aber an das Haus und die nähere Umgebung gewöhnt.

Ein Wort der Klage oder Unzufriedenheit über seine Behinderung hat man nie von ihm gehört, denn seine gesunden Sinne waren umso stärker ausgeprägt. Er hatte ein sehr feines Gefühl. An den Händen konnte er feststellen, ob er eine Frau, einen Mann oder ein Kind vor sich hatte. Er wollte sich auch immer gerne irgendwie nützlich machen. So half er beim Einmachen. Er kam zum „Stickbeern afkiem", so nannte er es, Bohnenschnippeln und Erbsenpalen. Man mußte zwar die Würmer später aussammeln, aber er kam mit einer Begeisterung, daß man ihm die Freude an der Arbeit nicht nehmen durfte.

Da früher jede Menge Holz zum Heizen gebraucht wurde, kann man sich vorstellen, welche Arbeit das Spalten machte. Willem übernahm das Holzspalten bei sich, bei Hans-Jakob Ratjen und auch noch bei anderen im Dorf. Auch bei Paul Ratjen spaltete er Holz. Paul erinnert sich noch an einen Tag, als Willems Hand blutete. Er hatte sich mit der Axt verletzt. Paul will gar nicht beschreiben, wie die Hand aussah. Willem fragte nur: „Is dat slimm woorn"? Pauls Frau Mimi hat die Hand dann schnell verbunden. Es war zum Glück nur eine Fleischwunde. Wenn man mal zuguckte und sah, wie profihaft er zu Werke ging, dann merkte man gar nicht, daß er blind war. Auch beim Dreschen machte er sich nützlich, stand hinter der Dreschmaschine, machte die leeren Kornsäcke fest und paßte auf, daß sie nicht überliefen. Die vollen Säcke stellte er zur Seite.

Alle haben „Onkel Willem" bewundert und hatten Achtung vor ihm. Am besten konnten sich Johannes Münz sowie Johannes und Greten Gloy mit ihm verständigen.

Er hat sich natürlich auch mal verlaufen. Aber es ging immer gut aus, er fand immer wieder nach Hause. Zur Orientierung hatte er einen großen Stab mit Knick, mit dem er seine Umgebung abtastete. Wollte er eine Straße überqueren, hielt er den Stock hoch, zeigte auf die Straße und lief auch gleich los. Er kam immer heil hinüber.

Alle Homfelder haben sich gewundert, daß nie etwas Ernsthaftes passiert ist. Damals war eben noch nicht soviel Verkehr. War er einmal vom Weg abgekommen, so nahmen ihn selbst Schulkinder bei der Hand und führten ihn auf den rechten Weg zurück.

Er war ein großer Kinderfreund und dankbar für jede Hilfe. Zu Kindergeburtstagen brachte er eine große Tafel Schokolade mit. An seinem eigenen Geburtstag wurden alle Kinder, die er kannte, eingeladen. Er war ein guter Gastgeber und überzeugte sich immer wieder, ob auch alle Kinder Saft und Kuchen bekommen hatten.

Als in seinem Haus ein Fernseher aufgestellt wurde, kam er ganz aufgeregt bei Paul und Mimi an und sagte: „Wi hebbt en Stubenkino". Diesen Ausdruck hatten die beiden noch gar nicht gehört, sie wunderten sich natürlich und fragten sich: Wie kam Willem darauf?

Als Willem sein Testament machen wollte, war Paul Ratjen als Bürgermeister und Helfer in Amtsfragen auch dabei. Auf dem Amtsgericht in Nortorf wurde alles in Zeichensprache geregelt. Paul hielt ihn an der Hand und erklärte alles mit den Bewegungen, die „Willem" kannte. Amtmann Hermann Carstens, Rechtsanwalt, Amtsrichter und Paul waren sich einig, man hatte alles so geregelt, wie „Onkel Wilhelm" sich das Testament vorgestellt hatte. Als Hans Jakob Ratjen ihn das letzte Mal besuchte, sagte Willem zum Abschied: „Nun geiht de grote Reis los, Hans". Am 8. September 1966 starb Wilhelm Rathjen.

Professor Dr. med. Joachim Hein

Joachim Hein

Joachim Hein wurde am 04. Juli 1901 in Neiße/Schlesien geboren. Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums legte er 1918 in Halberstadt das „Notabitur" ab, um anschließend sofort als Fahnenjunker beim „Kaiser-Franz-Grenadier-Regiment Nr. 2" zu dienen. Sein Medizinstudium absolvierte er dann nach dem 1. Weltkrieg in Berlin, Halle, Marburg, Leipzig und Rostock.

Mit 22 Jahren bestand er das Staatsexamen. Die Promotion erfolgte an der Universität Hamburg. In der ersten Medizinischen Klinik der Universität Eppendorf stellten sich unter dem damals weit bekannten Professor Ludolph Brauer die Weichen für seinen weiteren Weg. Dr. Hein vertiefte sein Fachwissen dann bei Professor Stoecklin in Davos, als Oberarzt bei Professor Roepke in der Heilstätte Stadt Melsungen sowie seine chirurgische Ausbildung bei dem Sauerbruch-Schüler Professor Jehn in der chirurgischen Klinik Mainz.

Der Lebensweg von Dr. Hein ist gekennzeichnet durch einen nahezu kompromißlosen Einsatz bei der Behandlung und Prävention der Tuberkulose, die damals als „unheilbare Volksseuche" galt. Im Juni 1931 führte ihn der Weg als Oberarzt nach Tönsheide, wo gerade ein neues Tuberkulose-Krankenhaus eröffnet worden war. Bereits ein halbes Jahr später wurde Dr. Hein mit der Vertretung des Chefarztes beauftragt.

1934 wurde er dann endgültig zum Direktor der Tuberkuloseklinik Töns-heide bestellt. 1938 habilitierte sich Dr. Hein, der durch seine vorausgegangenen zahlreichen Arbeiten zur Tuberkuloseforschung schon frühzeitig die Aufmerksamkeit der fachwissenschaftlichen Welt auf sich gezogen hatte, für das Fach der Inneren Medizin an der Universität Kiel.

Im gleichen Jahr wurde der „Hein-Kremer-Schmidt" veröffentlicht, in dem Hein als Mitautor besonders über die Thorakoplastik, eine damals von ihm propagierte operative Therapie der Lungentuberkulose, schrieb.

Neben der fachgerechten Behandlung des einzelnen Kranken vertrat Hein eine zentralisierte Tuberkulosebekämpfung. Auf seine Anregung hin wurde zunächst der „fliegende Tuberkulosearzt" geschaffen, der zur Beurteilung von Röntgenbildern durch die Gesundheitsämter angefordert wurde.

Im Jahre 1944 ermöglichte er erstmalig die Schirmbilderfassung Musterungspflichtiger. Das Schirmbildgesetz in Hamburg 1945 und das Gesetz über die Röntgenreihenuntersuchung in Schleswig-Holstein 1947 gingen im wesentlichen auf seine Initiative zurück. Es half damals in dem mit Flüchtlingen überfüllten Schleswig-Holstein die Tuberkulose unter Kontrolle zu bringen. Dieses Vorgehen wurde zum Vorbild für andere Bundesländer.

Professor Hein wurde national und international auf vielfältige Weise geehrt. Er war Präsident des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, wurde bereits 1966 mit dem großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet und war in verschiedenen wissenschaftlichen und politischen Gremien tätig, so im wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer und dem wehrmedizinischen Beirat der Sanitätsinspektion der Bundeswehr.

Nach seiner Pensionierung im Jahre 1966 lebte er mit seiner Familie im Ostseebad Sierksdorf im Kreis Ostholstein. Herr Professor Hein verstarb am 05.05.1987.

Friedrich Christiansen

Friedrich Christiansen
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Anmerkung vom Chronikteam: Diese Darstellung aus dem Jahr 1995 von Friedrich Christiansens "Tätigkeit" als Wehrmachtsbefehlshaber wurde schon bei der Erstellung den historischen Tatsachen in keinster Weise gerecht. Der neue Artikel informiert umfassend über seine Kriegsverbrechen sowie seiner Verurteilung.

(Pionier der Luftfahrt)

Am großen Herbstflottenmanöver 1913 nahmen bereits vier Seeflugzeuge teil. In diesen Tagen faßten zahlreiche junge Männer den Entschluß, Flieger zu werden. So auch der Kapitän auf Großer Fahrt Friedrich Christiansen aus Wyk auf Föhr. Er erreicht am 28. März 1914 (drei Tage nach seinem Pilotenexamen) mit der „Hansa Taube" nach einem Dauerflug von 10 Stunden 15 Minuten von Hamburg aus über Kiel die Stadt Dresden.

Im ersten Weltkrieg wurde er als der Flieger von Zeebrügge bekannt und mit dem „Pour le merite" ausgezeichnet. Die ganze Fliegerei war aber in jenen Tagen ja doch noch etwas Neues und Unerforschtes. Die Dornierwerke versuchten es mit der „DO X" (12 Motoren, 13 Mann Besatzung und über 50 Fluggäste). Kapitän Friedrich Christiansen wurde der Kommandant. Er konnte es sich erlauben, 1932 beim großen Flug über Schleswig-Holstein auch den Aukrug zu streifen. Alle wußten, die „DO X" kommt. Das mit Spannung erwartete Schauspiel dauerte natürlich nur Minuten, dann war das Flugzeug in nördlicher Richtung verschwunden. Von Flensburg wird dann berichtet: Endlich, kurz vor drei Uhr, kündigte ein sonores Brummen die Ankunft des Silbervogels an: „DO X" — das legendäre Flugschiff der Superlative auf „Tournee" in den Norden des Landes. Das große Flugboot, welches den Start in die neue Zeit bringen sollte, erwies sich später als unrentabel und wurde aus dem Verkehr gezogen.

Am 16. Juni 1933 erklärte sich die Gemeindevertretung Innien damit einverstanden, den Kapitän, Ministerialrat Friedrich Christiansen, zum Ehrenbürger der Gemeinde zu ernennen und ihm die Ehrenurkunde am Tage seiner Silberhochzeit zu überreichen.

Im III. Reich begann sein steiler Aufstieg bei der Luftwaffe mit der Ernennung zum General der Flieger. Durch seine dienstliche Tätigkeit als Wehrmachtsbefehlshaber im besetzten Holland wurde er dort nach Kriegsende zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Daß er aber ein „Sohn des Dorfes" geblieben war, beweist die Eintragung von 1951 in der Bökener Schulchronik: „Fiete" oder „Chrischan" kehrt heim. Kurz vor Weihnachten kehrte General der Flieger Friedrich Christiansen nach Innien aus holländischem Gefängnis zurück. Er wurde feierlich empfangen. Nach einem ruhigen Lebensabend verstarb er am 3. Dezember 1972 in Innien.

Maria Rohwer

Maria Rohwer (3. von links) mit Schwiegertochter Käthe (links) und Schwiegermutter

Das Schicksal einer Aukruger Familie

Als Tochter des Zimmermanns und Sägereibesitzers Jürgen Sierck wurde sie im Haus Ecke Bargfelder- und Bünzer Straße geboren, das jetzt noch ganz so wie früher aussieht. Sie heiratete Johannes Matthias Rohwer, Sohn des Webers Rohwer aus Bünzen. Er war Techniker und gründete in Bünzen (jetziger „Bünzer Kroog") ein Baugeschäft. Dann baute die Familie am anderen Dorfende das Haus an der heutigen Straße Am Sportplatz 1. Nach kurzer Zeit schon mußte Marias Mann als Soldat in den 1. Weltkrieg. Er starb an der Westfront, und sie blieb mit fünf Söhnen zurück. Die Tochter Kathrine war an Diphterie gestorben. Der jüngste Sohn, Jürgen, hat den Vater schon gar nicht mehr kennengelernt. Maria Rohwer war 36 Jahre alt, als sie Witwe wurde.

Für sie begann eine schwere, entbehrungsreiche Zeit, denn neben der Versorgung der großen Familie mußten auch noch die Schulden für das Haus abgetragen werden. Noch bitterer wurde das Leben, als der Nationalsozialismus im Dorfe Schritt faßte und es schließlich deutlich wurde, daß Mutter und Söhne nicht mit den Wölfen heulten. Johnny, als ältester 1906 geboren, hatte um 1927 zusammen mit anderen einen Ortsverein der SPD gegründet. Für die „Braunen", die Nazis, galten die Familienmitglieder als „vaterlandslose Gesellen", vor allem der Reichsbannermann Johnny.

Während des 2. Weltkriegs wurden die fünf Söhne eingezogen. Dreimal mußte dann Sturmführer Brammer vor der schwergeprüften Mutter erscheinen und ihr mitteilen, daß zwei ihrer Söhne gefallen seien und einer, Johnny, als vermißt galt. Als dieser zum letzten Mal auf Urlaub gekommen war, konnte er seine Frau Käthe nicht sehen. Sie war für Jahre in das KZ Russee bei Kiel gesteckt worden, weil sie einem geflohenen Polen weitergeholfen hatte.

Marie Rohwer starb im Mai 1946. Die beiden überlebenden Söhne Hermann und Fritz berichteten, sie habe die Schicksalsschläge zuletzt ohne eine einzige Träne aufgenommen. Schmerz und Enttäuschung hatten sie starr und verbittert gemacht.

Pastor Tramsen

Konfirmation 1934, Pastor Tramsen mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden vor der Kirche

geschrieben in der Innier Kirchenchronik von seinem Amtsbruder Propst Treplin kurz nach dem Ende des Krieges

Pastor Johannes Tramsen hat die Gemeinde Innien 29 Jahre betreut und so mit ihr diese schwere und notvolle Zeit durchlebt. Sein Wirken ist im Sinne Gottes gewesen und sein Werk überdauert seinen Tod. Das Evangelium hat er verkündet, seinem Ordinationsgelöbnis gemäß, als biblischer und reformatorischer Christ und Theologe lutherischer Prägung. Sein Hausbesuch als Seelsorger, seine Unterweisung im Konfirmandenunterricht haben in diesen kritischen Jahren die Gemeinde im sonntäglichen Gottesdienst unter Gottes Worten gehalten.

Über die Grenzen seiner Gemeinde hinweg ist Tramsen dann ein führender Pastor der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche geworden. Denn in dem in der Hitlerepoche herrschenden Kirchenkampf wurde er von der Bekennenden Kirche [1] zum Vorsitzenden ihres Bruderrates gewählt. Unermüdlich und unerschrocken hat er die kämpfende Kirche geführt. Seine Gemeinde stand weithin hinter ihrem Pastor und hat es mit großem Verständnis getragen, daß er von den Aufgaben des Bruderrates über Gebühr in Anspruch genommen wurde. Im Jahr 1943 warf ihn Blasenkrebs aufs Krankenlager. Am B. September 1943 ist er gestorben und am 13. Sept. 43 auf dem Friedhof in Innien unter überwältigender Teilnahme seiner Gemeinde und der Bekenntnisgemeinde der Landeskirche beerdigt.

Carl Reimers

Carl Reimers
Carl und Elisabeth Reimers 1952 zu Besuch bei der Landjugend Waldeck. Das Bild wurde scherzhaft „Der Heiratsmarkt” genannt.

Am 6. März 1914 wurde Carl Reimers in Böken geboren. Seine Eltern waren der Bauer und Imker Johannes Reimers und seine Frau Alwine, geborene Bredahl. Johannes Reimers war Böker Bürgermeister und später Amtsvorsteher.

Im Anschluß an die Dorfschule besuchte Carl die Mittelschule in Neumünster. Nach einer Reihe eher freudloser Schuljahre verstand es der Pädagoge Hans Carstens [2] in ihm den Willen zum Lernen zu wecken, und er schloß die Schule mit dem Prädikat „gut" ab. Bauer wollte er werden, doch seine Eltern hatten ihn zum Lehrer bestimmt und den jüngeren Bruder zum Erben des Anwesens. Carl mußte sich ihrem Willen beugen und wechselte auf die Holstenschule über.

Aber noch vor dem Abitur ging ihm die Geduld aus; er verließ die Schule, um sich der Landwirtschaft zu widmen. „Ich merkte, daß das wichtigste beim Bauern der „Hof' ist, ohne den es nun eben keinen Bauern gibt", schreibt er in seinem Lebenslauf[3]. Er hatte wenig Aussicht, je einen Hof zu bekommen, und orientierte sich um.

Voller Idealismus trat er 1933 dem Reichsarbeitsdienst bei und wurde schnell Unterführer. Seine Erwartungen wurden enttäuscht: „Mir wurde der Arbeitsdienst zu sehr „Organisation", ich hatte mir das alles ganz anders vorgestellt, ohne „Sterne und Lametta", ohne „Sie" und „Herr" in der Anrede. Ich wollte nur Können und Leistung gelten lassen". Nach der Arbeitsdienstzeit wurde er 1935 Erzieher für das als neuntes Schuljahr eingerichtete „Landjahr" im Landjahrlager Lütjenwestedt.

Die guten Erfahrungen im Umgang mit den Jugendlichen bewogen ihn nun doch dazu, den Lehrerberuf zu ergreifen. Er holte die Hochschulreife nach, ging an die jetzige Kant-Hochschule für Lehrerbildung in Braunschweig und machte 1939 die 1. Prüfung für das Lehramt an Volksschulen. Die schon zugeteilte Lehrerstelle konnte er wegen der Einberufung zum Wehrdienst nicht antreten. 1941 heiratete er seine Frau Elisabeth, geb. Wölm. Die Spätfolgen eines schweren Motorradunfalls bewirkten die Entlassung aus der Wehrmacht, und er wurde 1943 Betriebs- und Schulleiter des Landdienstlehrhofes Abtsdorf bei Wittenberg an der Elbe.

Gegen Kriegsende kurzfristig zum Volkssturm einberufen, geriet er als Verteidiger der Stadt Halle in amerikanische Gefangenschaft. In einem sogenannten „Vergeltungslager" entging er nur dadurch dem Tod durch Hunger und Typhus, daß er nach sechs Wochen in die britische Besatzungszone überführt wurde. („Ich war gerade so weit verhungert, daß ich mich nicht mehr ohne Hilfe erheben konnte.“) Nach sechs weiteren Wochen wurde er nach Hause entlassen.

Wiederhergestellt half er auf dem elterlichen Hof und arbeitete sich in die „Bezugs- und Absatzgenossenschaft Innien" ein, bei der sein Vater Geschäftsführer war. Als diese in dem Betrieb der Spar- und Darlehenskasse aufging, arbeitete er dort bis zu seinem Wiedereintritt in den Schuldienst (1950) als Warenkaufmann.

Er war dann zwei Jahre Lehrer in Heinkenborstel, übernahm 1952 die 5. Klasse (41 Schüler) der Innier Schule und machte die 2. Lehrerprüfung. 1955 wurde Carl Reimers Schulleiter in Bünzen. Soweit ist dies der ziemlich normale Lebenslauf eines Mannes seiner Generation, der Krieg und Gefangenschaft überlebt hat. Doch der Einsatz Carl Reimers für die Jugend erschöpfte sich beileibe nicht nur im Schuldienst. Schon im November 1945 war er Handballfachwart im TSV Aukrug, dessen langjähriger 1. Vorsitzender er später wurde. Ab Februar 1949 leitete er die Landjugend Aukrug, an deren Aufbau er maßgeblich beteiligt war.

Diese Landjugendgruppe entwickelte sich durch sein Engagement rasch zu einer großen, lebendigen Gemeinschaft und wurde durch vielfältige Aktivitäten im ganzen Land bekannt. Einmal richtete sie sogar ein Landes-Landjugendfest in der Nordmarkhalle Rendsburg aus. Im Kreis-Landjugendverband konnte er als Nicht-Landwirt lediglich 2. Vorsitzender sein, obwohl er geprüfter Landwirtschaftsgehilfe war. Später wurde er Ehrenvorsitzender der Landjugend Aukrug. Die rege Vortragstätigkeit von Seiten der Landjugend und des Bauernverbandes, mit dem sie ja verbunden war, ist als Vorläufer der Volkshochschule Aukrug anzusehen, auf deren Gründung er zusammen mit Heinrich Bünger und Hans August Jensen hinstrebte.

Natürlich lag ihm auch die Gemeindepolitik sehr am Herzen. Seit 1962 war er stellvertretender Bürgermeister in Bünzen, seit 1970 Gemeindevertreter der neuen Großgemeinde Aukrug und Vorsitzender des Ausschusses für Jugendpflege und Sport.

Am 9. August 1971 wurde dieser überaus aktive Mann mit 57 Jahren aus dem vollen Schaffen gerissen. „Carl Reimers hat als Aukruger für den Aukrug gelebt. Er hat das Geschehen über zwei Jahrzehnte in ständig steigendem Maße mitgestaltet, und alle, die ein Stück Weges mit ihm gingen, werden ihn nicht vergessen. "

Mit diesen Worten endet der Nachruf auf Carl Reimers in den damaligen Zeitungen, und mit ihnen soll auch dieser Beitrag abschließen.

Fußnoten

  1. Schon bald nach 1933 hatten sich mutige Pastoren in ganz Deutschland gegen die Gleichschaltung der evangelischen Kirche zur Wehr gesetzt und sich zur Bekennenden Kirche zusammengeschlossen. Die Bekennende Kirche stand im offenen Konflikt mit der Kirchenpolitik der Reichsführung und den „Deutschen Christen", die letztlich das Christentum durch das „Volkstum" ersetzen wollten. Viele Mitglieder der Bekennenden Kirche wurden drangsaliert, eingesperrt und auch, wie zum Beispiel Dietrich Bonhoeffer, in den Konzentrationslagern ermordet.
  2. Es handelt sich um Hans Carstens, Vetter von Timm Carstens an der Schanze in Bünzen. Er wurde später Rektor der Mittelschule in Neumünster. Beim ersten Luftangriff auf Neumünster sind er und seine Familie bis auf einen Sohn umgekommen.
  3. Auch die folgenden Zitate dieses Textes stammen daher