Landwirtschaftlicher Konsumverein zu Innien
Der Landwirtschaftliche Konsumverein e.G.m.u.H. zu Innien, später auch Bezugs- und Absatzgenossenschaft genannt, entstand 1885 als Zusammenschluss der Bauern zwecks gemeinsamen Einkaufs der für einen fortschrittlichen Betrieb erforderlichen Bedarfsartikel wie Dünger, Futtermittel, Saaten, Sämereien und Maschinen 1885 auf Veranlassung des Landwirtschaftlichen Vereins an der Bünzenerau. Wahrscheinlich bestand er bis zum Ersten Weltkrieg.
Geschichte
Die Idee gab vermutlich Claus Gloy, der wenige Wochen nach der Gründungsversammlung die Belange des Konsumvereins in der Presse öffentlich vertreten musste. Ein Händler hatte einem Kätner des Aukrugs Erdnussmehl geliefert. Nach der Verfütterung erkrankte eine Kuh, ein Stück Jungvieh ging sogar binnen 24 Stunden ein. Claus Gloy war um Rat gebeten worden. Wie er geholfen hat, ergibt sich aus dem nachfolgenden von ihm selbst abgezeichneten Bericht, wozu noch bemerkt wird, dass dieser Veröffentlichung bereits zwei weitere Presseartikel in den Folgen 9 und 14 des „Landwirtschaftlichen Wochenblatts“ Kiel (1885) vorausgegangen waren:
Gloys Erklärung
"Ein Kätner hier im Ort fragte mich um Rath für seine erkrankte Kuh. Auf mein Befragen, was für Kraftfuttermittel er gebe, äußerte er, daß die Kuh von dem fraglichen Erdnußmehl erhalten habe; ich rieth ihm, das Erdnussmehl zurückzustellen und dasselbe entweder wegzuwerfen oder sehr vorsichtig mit den Schweinen zu verfüttern. Die Kuh genas bald und es stellte sich auch die zurückgegangene Milchergiebigkeit bald wieder im vorigen Maaße wieder ein, ohne daß Arzneimittel angewendet worden wären. Anstatt jedoch meinem Rath ganz zu folgen, gab der Mann einem Stück Jungvieh von diesem Mehl. Dasselbe erkrankte und zeigte - bisher hier nicht gefundene Krankheitssymptome und krepierte binnen 24 Stunden. - Infolge dieser Thatsachen nahm der betreffende Händler das betreffende Erdnußmehl wieder zurück im Umtausch gegen andere Futterstoffe. Ohne persönliches Interesse resp. persönliche Rücksichten habe ich als Landmann und als Vorsitzender eines landwirthschaftlichen Vereins mich verpflichtet gefühlt, in1 Interesse unserer Landwirthschaft und des Consumvereins diese Thatsache an gegebener Stelle zu veröffentlichen. Ich kann diese festgestellten Thatsachen zu jeder Zeit bezeugen und anderweitig bezeugt erhalten und möchte Herrn . . . ersuchen, in der nächsten Nummer ds. Blattes von den betreffenden Stellen eine Bescheinigung zu bringen, daß das betreffende Mehl nicht durch seine Vermittlung hierher gelangt ist, resp. daß die von mir angeführten Thatsachen unwahr sind. Geschieht dies nicht, so halte ich es für vollständig überflüssig, mich noch weiter in dieser Sache auszulassen. In Folge der Krankheitserscheinungen bei dem Vieh glaubte ich, von einer Analyse des betreffenden Mehls absehen zu dürfen, denn unser Vieh analysirt wohl am besten selbst. - Zur Berichtigung des in Nr. 9 des Blattes Angeführten muß ich noch bemerken, daß das Mehl von den Abnehmern auf Glauben gekauft war, dieselben sich aber gleich nach Empfang der Waare getäuscht fanden.
Innien, den 4. April 1885 C. Gloy jr.“
Preise und Warenqualität
Eine eindeutige Stellungnahme, die erkennen lässt, dass der junge Vorsitzende durchaus gewillt war, dafür Sorge zu tragen, über den landwirtschaftlichen Konsumverein einwandfreie Ware zu gerechten Preisen zu liefern und der Landwirtschaft selbst eine Einflussnahme auf das marktwirtschaftliche Geschehen zu sichern. Mit dieser Zielsetzung begann der Konsumverein seine Arbeit. 1912 gehörten ihm bereits 75 Mitglieder an. Der Warenumsatz belief sich auf 84.290 M; das entspricht einem durchschnittlichen Umsatz je Mitglied von 1.123 M bei einem provinziellen Durchschnittsumsatz von 590 M je Mitglied. Unter den 96 Konsumvereinen, die sich wenige Jahre später als "landwirtschaftliche Bezugsvereine" umfirmierten, gehörte die Aukruger Genossenschaft zu den sechs größten Betrieben. 22.000 Ztr. Handelsdünger, 6.225 Ztr. Futtermittel und 38 Ztr. Saaten und Sämereien wurden 1912 im Großeinkauf über die schleswig-holsteinische landwirtschaftliche Hauptgenossenschaft Kiel - meistens waggonweise – gemeinschaftlich bezogen und sofort an die Mitglieder verteilt.
Der sich von Jahr zu Jahr steigernde mengenmäßige Umsatz war aber allein nicht ausschlaggebend. Ebenso wichtig war die laufende Überprüfung der Qualität der gelieferten Waren. Weil schlechte Qualität geliefert worden war, hatte Claus Gloy ja einen öffentlichen Disput mit seinem Kontrahenten geführt. Der Konsumverein hat seit seiner Gründung jede genossenschaftlich bezogene Warenmenge hinsichtlich ihres tatsächlichen Gehalts nachuntersuchen lassen. Dazu bediente sich der Vorstand der seit Beginn der 1970er-Jahre in Kiel bestehenden Untersuchungsstelle des landwirtschaftlichen Generalvereins. Festgestellte Mindergehalte wurden von den Lieferfirmen entschädigt.
Von den Nachuntersuchungen hatte der einzelne Warenbesteller keinerlei Kosten. Diese trug der Lieferant oder der Verband der landwirtschaftlichen Konsumvereine in Kiel. Der Vorstand der Genossenschaft hatte nur für eine ordnungsgemäße Probenahme, Verpackung und Einsendung an die Untersuchungsstation Sorge zu tragen. Auch für die Saaten und Sämereien wurden ähnliche Kontrollen hinsichtlich der Keimfähigkeit, der Sortenechtheit und Reinheit durchgeführt. Bei den gezahlten Rückvergütungen für Mindergehalte bzw. Minderwerte handelte es sich oft um beträchtliche Beträge, die der Konsumverein seinen Mitgliedern zur Verfügung stellte.
So war es möglich, die Mitglieder zu einem qualitäts- und preisbewussten Einkaufen ihrer Bedarfs- und Hilfsstoffe anzuhalten und zu erziehen· wodurch zweifellos eine breitere Basis für den Einsatz von Handelsdüngern und käuflichen Futterstoffen geschaffen wurde. Zumindest wurde durch die Maßnahmen des genossenschaftlichen Warenbezugs, das zu jener Zeit in weiten Kreisen der Landbevölkerung gegen fremde Handelswaren noch vorhandene Misstrauen überwunden und eine wesentliche Verbesserung der allgemeinen Handelsusancen erreicht.
Finanzierung
Die Finanzierung der gemeinsamen Warenbezüge bereitete kaum besondere Schwierigkeiten; da vorwiegend seitens der Warenbezieher bar bezahlt wurde, war für den Großeinkauf kein nennenswerter Kreditbedarf gegeben. Investitionen waren – jedenfalls vorerst – noch nicht erforderlich. Die bereits erwähnte Verteilung ab Waggon war immer noch die billigste Verkaufsart. Restbestände wurden auf der Scheunendiele des Vorsitzenden gelagert. Als in späteren Jahren eine Modernisierung des Warenumschlags mit größerer Lagerhaltung und einem entsprechenden Fuhrpark notwendig wurde, erfolgte eine Verschmelzung des Konsumvereins mit der Spar- und Darlehnskasse, wodurch die Abwicklung des Geschäfts - vor allem im Hinblick auf die Finanzierung und die Buchhaltung - wesentlich vereinfacht wurde. Das war der Beginn umfassender Rationalisierungsmaßnahmen im landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen, worüber wir in einem anderen Zusammenhang später noch eingehender berichten werden.
Warenbezug
Hier die Warenbezugzahlen der ersten Geschäftsjahre:
Geschäftsjahr | Zahl der Genossen | Gesamtwarenbezug in Mark | Durchschnittsbezug pro Mitglied in Mark |
---|---|---|---|
1986/87 (2 Jahre) | 27 | 10.015 | 190 |
1890 | 26 | 5.786 | 223 |
1893 | 26 | 1.852 | 71 |
1896 | 26 | 5.739 | 223 |
1899 | 34 | 20.019 | 589 |
1902 | 41 | 36.803 | 890 |
1905 | 44 | 45.838 | 1.042 |
Diese Zusammenstellung weist im Allgemeinen eine günstige Entwicklung des Konsumvereins nach. Auf den ersten Blick erscheint allerdings das Jahr 1893 bedenklich; dies lag aber mit Wahrscheinlichkeit an einem Wechsel im Vorstand. Im Übrigen ist von Jahr zu Jahr eine Steigerung des Gesamtumsatzes zu verzeichnen, wie auch eine Steigerung des von jedem Genossen beim Bezugsverein gedeckten Bedarfs. Letzteres ist gewiss eine Bestätigung dafür, dass die Genossen die Vorteile des gemeinsamen Bezugs immer mehr erkannt haben. Die Existenzberechtigung dieser Genossenschaft ist somit nachgewiesen.