Landwirtschaftlicher Verein an der Bünzau
Der Landwirtschaftliche Verein an der Bünzau gegründet am 30. März 1869 als Landwirthschaftliches Casino an der Bünzer Aue in der Harmsschen Gastwirtschaft in Bünzen war ein Zusammenschluss der Bauern im Aukrug. Die Anregung dazu ging von dem Privatförster Christiansen aus Kellinghusen aus, der sich viel im Aukrug aufhielt, ohne hier seinen Wohnsitz zu haben.
Gründung
21 Bauern aus Innien, Bargfeld, Bünzen, Böken, Homfeld und Wiedenborstel traten zur Gründung zusammen. Bald erweiterte sich der Kreis und reichte bis Brokstedt, Kellinghusen und Hennstedt. Der Versammlungsort, der zwischen Bünzen und Bargfeld wechseln sollte, war bald in diesen Dörfern, bald in Brokstedt, Kellinghusen, Hennstedt, Sarlhusen oder Wiedenborstel. Der Jahresbeitrag betrug 20 Schilling Courant. Im Winter sollte jeder Monat, im Sommer alle zwei Monate eine Versammlung stattfinden. Als Name des Vereins wurde bestimmt Landwirthschaftliches Casino an der Bünzer Aue. Christiansen wurde „fast mit Einstimmigkeit zum ersten Präsidenten“ gewählt. Schriftführer wurde Lehrer Johann Ahmling in Bünzen.
Satzung
Wenngleich auch der Zweck dieses landwirtschaftlichen Vereins schon genügend durch den Namen gekennzeichnet ist, so dürfte es doch angebracht sein, eine in alten Vereinssatzungen gefundene Formulierung der Zweckbestimmung hier anzufügen:
"Der Zweck des Vereins ist die Vervollkommnung jedes Zweiges der Landwirtschaft im weitesten Sinne des Wortes, welcher gewiß am sichersten dadurch erreicht wird, wenn jedes Vereinsmitglied den andern seine gemachten Erfahrungen mitteile und wieder diejenigen Belehrungen und Erfahrungen von den andern zu erlangen sucht, welche ihm selbst fehlen.
Wenn auch Nachrichten und Belehrungen über jeden Zweig der Landwirtschaft wünschenswert sind, so ist es doch nicht zu leugnen, daß für unsere Herzogtümer besonders folgende Gegenstände von größter Wichtigkeit sind:
- Die Vervollkommnung der Viehzucht im weitesten Sinne des Wortes, nämlich der Pferde-, Rindvieh-, Schaf- und Schweinezucht.
- Einführung einer auf richtige Prinzipien gestützten und der Lokalität und dem vorhandenen Absatz angemessenen Wechselwirtschaft.
- Die Vervollkommnung der vorhandenen und Einführung besserer landwirtschaftlicher Geräte."
Darüber hinaus aber haben Sozialprobleme und Fragen der Ausbildung und Weiterbildung der ländlichen Jugend schon frühzeitig in unseren alten landwirtschaftlichen Vereinen einen besonderen Platz in der Rangfolge der einzelnen Aufgabengebiete gehabt; wie auch die allgemeine Förderung des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens, der Kreditwesens, der Transport- und der Verkehrsverhältnisse und des Versicherungswesens zu den satzungsgemäßen Aufgaben der Vereine gehörten.
Geschichte
Die Protokolle des Vereins sind, mit Ausnahme der Jahre von 1895 bis 1902, erhalten und recht ausführlich geführt. Aus ihnen kann man vieles aus der Entwicklung der Landwirtschaft herauslesen: Einführung von Kunstdünger, Maschinen, Übergang von der Wechselweide zur Dauerweide, Heidekultur. Aus der Fülle des Materials kann ich nur einiges herausgreifen. Manche der Versammlungen von 1869 bis 1884 galten der Errichtung von Meiereien, die 1886 in Bargfeld, Homfeld und Innien entstanden.
Ein zufällig in alten Zeitschriften der Landesbibliothek, Kiel, gefundenes Protokoll aus dem Jahre 1873 trägt die Überschrift '57. Versammlung des landwirtschaftlichen Vereins an der Bünzau in Bargfeld ist ein Beweis dafür, wie aktiv dieser junge Verein seit der 1869 vollzogenen Gründung war. 57 Versammlungen in vier Jahren – das sind jährlich 14 Versammlungen; so ernst nahmen es unsere Vorfahren mit ihren Aufgaben, in allen Kreisen der landwirtschaftlichen Bevölkerung für eine umfassende Aufklärung über neuzeitliche Wirtschaftsmethoden zu sorgen. Das Protokoll lässt erkennen, wie bedeutungsvoll die Fragen einer verbesserten Wiesenwirtschaft (Berieselung und Düngung) damals vor mehr als 100 Jahren für die Aukrugbauern waren. Die Wanderlehrer des landwirtschaftlichen Generalvereins gaben mannigfache Hilfestellungen. Sie waren immer wieder zur Stelle, wenn sie gerufen wurden. Da der Vorsitzende in Bargfeld wohnte, ist wohl auch Bargfeld immer wieder als Versammlungsort gewählt worden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass nicht nur Teilnehmer aus den fünf Aukrugdörfern zugegen waren; auch von außerhalb kam man gern zu den Versammlungen nach Bargfeld.
1869
1869 am 15. Mai wurde ein Vortrag über den Flachsbau, der damals schon im Rückgang begriffen war, gehalten. Es wurde ihm ein Reinertrag von 160 — 180 Mark die Tonne nachgesagt. Die Mitglieder zeichneten 20 Tonnen Land zu seinem Anbau. Ein Fabrikherr sollte für die Abnahme des Flachses gewonnen werden, aber noch lieber möchte er hier eine Flachsfabrik errichten!
Am 18. Juni des gleichen Jahres wurde die Errichtung einer ländlichen Fortbildungsschule angeregt. Die Lehrer, die damals noch selbst Landwirte waren, erklärten sich sofort bereit, auf ein Jahr unentgeltlich den Unterricht zu erteilen. Es war an Abendkurse gedacht. Dieser Vorschlag fand ungeteilte Zustimmung. Am 23. Oktober wurde die Errichtung beschlossen und am 10. November, abends 6 Uhr, wurde sie im Bargfelder Schulhaus feierlich eröffnet. Es sollte in Geschichte, Erdkunde, deutscher Sprache, Naturwissenschaften und Mathematik unterrichtet wanden. Jeder Lehrer übernahm ein bestimmtes Fach, und danach wechselte auch das Unterrichtslokal. Anfangs war der Besuch recht gut, wurde aber bald schwächer. Schließlich ging die Fortbildungsschule aus Mangel an Teilnehmern ganz ein. Erst nach fast 80 Jahren ist dieser Plan Wirklichkeit geworden durch gesetzlichen Zwang.
Der gleiche 23. Oktober 1869 gab dem Aukrug die Gründung der Sparkasse in Innien (s. weiter unten). Im selben Jahr wurde ein Vortrag mit Experimenten über Bodenuntersuchungen gehalten.
1870
Am 29. Januar 1870 wurde der Anschluss an den „Landwirtschaftlichen Generalverein“ beschlossen und am 5. November dieses Jahres wurde der Name des Vereins in „Landwirtschaftlicher Verein an der Bünzau“ abgeändert.
1871
Am 21. Januar 1871 war die Frage gestellt: Welche Mittel und Wege führen am schnellsten zur rationalen Be- und Entwässerung der Wiesen an der Bünzau, und wie ist der Schifffahrt auf der Au, die jetzt darniederliegt, aufzuhelfen? Beraten wurde die Frage auf zwei Versammlungen. Auf den letzten Teil der Frage wusste man anscheinend keine Antwort, und gerade die später durchgeführte Entwässerung des Bünzautals gab der Schifffahrt auf der Au den Todesstoß. Der „Schiff- und Ladeplatz Bünzen" hörte auf „ein Handels- und Stapelplatz“, das Ein- und Ausfuhrtor des Aukrugs zu sein. Da fast gleichzeitig die Bahn durch den Aukrug gebaut war, hatte dies für den Aukrug keinen Nachteil.
Gleichzeitig (21. Januar 1871) wurde das Projekt einer Pferdebahn oder Chaussee zwischen Meezen, Homfeld, Mörel, Heinkenborstel über Bünzen nach Neumünster eingehend erörtert. Man hoffte dadurch für die waldreichen Dörfer die Abfuhr des geschlagenen Holzes, die auf den damaligen Sandwegen mit den größten Schwierigkeiten verbunden war, zu erleichtern.
Zur Gründung der Landwirtschaftlichen Schule in Hohenwestedt zeichnete der Landwirtschaftliche Verein für Aktien. (1871).
1871 legte Christiansen den Vorsitz nieder und Hartwig Breyholz in Wiedenborstel trat an seine Stelle. Er setzte sich schon im selben Jahr stark für die Heidekultur ein, empfahl auch den Anbau von Serradella. Auf Anregung von Lehrer Ahmling wurde in Bünzen eine Obstbaumschule des Vereins angelegt. Die Leitung hatte Ahmling, der auch das Propfen der Bäume besorgte. Aus dieser Anlage entstammten noch um 1910 die meisten der älteren Obstbäume auf unseren Gehöften, ja noch heute sind einige davon erhalten.
1872
1872 wurde zum ersten Male im Vereinsgebiet, in Sarlhusen, eine Jungviehschau abgehalten. In einer Versammlung dieses Jahres wurde erklärt: "Es ist ein Irrtum, wenn man meint, daß sich eine ländliche Landwirtschaft durch Kornbau hält; es muß dies durch Viehhaltung geschehen. Dadurch wird sie aufblühen." Die Ringelwalze wurde empfohlen. Parzellierungen, die damals erst aufkamen, wurden in gewissem Umfange als empfehlenswert erachtet.
ab 1873
Der Vorsitz lag 1873 in Händen des Lehrers Lohse in Bargfeld. Der Verein umfasste damals 71 Mitglieder. Die Sparkassensache rief 1873/74 einen Streit im Verein hervor, in dessen Verlauf Breyholz den Vorsitz niederlegte. In einer Versammlung am 22. April 1874 zu Hennstedt wurde der Aukrug aus dem Verein ausgeschlossen. Dieser Beschluss befreite den Verein von den weit entfernt wohnenden Mitgliedern, denn die Aukruger nahmen nun unter dem alten Namen die Vereinstätigkeit wieder auf und Breyholz blieb Vorsitzender. 1876 wurde eine Düngereinkaufsgenossenschaft gegründet, die sich im nächsten Jahre an die Hohenwestedter anschloss. 1885 wurde sie in den Landwirtschaftlichen Konsumverein umgewandelt und war von da an selbständig. Seit 1875 tagte der Landwirtschaftliche Verein in Innien. Von 1877 an wurden viele Versammlungen der Melioration des Bünzautals gewidmet (3).
1877
Am 27. Januar 1877 wurde Claus Gloy aus Innien zum Vorsitzenden gewählt. Er hat die Geschicke des Vereins bis 1922 geleitet. Gloy war einer der ersten Schüler der Hohenwestedter Landwirtschaftsschule und erst 27 Jahre alt, als er zum Vorsitzenden gewählt wurde. Er wurde nun die Seele des Vereins und steckte voller Pläne. Er beherrschte auch die Kunst, die richtigen Leute zur Ausführung seiner Pläne zu finden, und verstand es ausgezeichnet, die Mitglieder des Vereins zur Bekanntgabe ihrer „Beobachtungen und Erfahrungen des letzten Sommers“ anzuregen, wobei er immer eine rege Aussprache herbeizuführen verstand. Großen Wert legte er auf die Teilnahme der Lehrer an den Versammlungen, seit sie selbst nicht mehr durch Landwirtschaft einen Teil ihres Gehalts verdienen mussten. Die Dorflehrer mussten die Belange der Bauern kennen, sie mussten mit der Wirtschaft und der Gedankenwelt der Bauern vertraut sein. Sie erhielten deshalb stets eine Einladung zu den Versammlungen, obgleich kein Lehrer im Aukrug seit 1897 mehr Landwirt im Nebenberuf sein musste.
1879
1879 stellte der Verein einen Antrag zur Errichtung einer Poststation in Innien, die 1881 als Postagentur eröffnet, 1908 in ein Postamt und 1923 wieder in eine Agentur verwandelt wurde. Im gleichen Jahre besorgte der Verein auf genossenschaftlichem Wege einige Ladungen Stroh aus der Marsch für 13 Mark je 1000 Pfd.
ab 1880
1887 begannen die Klagen über die Notlage der Landwirtschaft, während noch 1884 erklärt wurde "Es muß freilich eingestanden werden, daß durchweg hier bei uns das Raubsystem angewandt ist, durch den direkten Kornverkauf sowohl als durch Düngervergeudung. Dem kann aber entgegengesetzt werden, daß dem Landmann die jetzige Konjunktur insofern günstig ist, indem das produzierte Korn jetzt durch Fütterung für das Vieh vorteilhafter verwertet wird als durch direkten Verkauf, und selbst ein Kornankauf noch als rentables Geschäft dasteht, wodurch der Boden wieder bereichert wird an Nährstoffen, und zudem die richtige Anwendung der künstlichen Dungstoffe als ein nicht zu unterschätzender Faktor zur Hand gegeben ist." "Es könnte bei richtiger Handhabe des Angeführten in mancher Wirtschaft wohl die Klage über mäßige Erträge des Bodens zum Schweigen gebracht werden." Aber auch diese Besprechung von 1887 ergab, daß von einem Notstande oder einer Notlage der Landwirtschaft im allgemeinen hier im Bezirke nicht die Rede sein könne."
In den folgenden Jahren traten Düngungs- und Viehzuchtfragen in den Vordergrund der Verhandlungen. Manche bedeutenden Anregungen wurden aus diesen Versammlungen mitgenommen und verwertet. Die Behandlung dieser Fragen erforderte aber einen Fachmann als Redner. Die Folge war, dass nun die Vorträge aus den eigenen Reihen immer seltener wurden. Gloy versuchte aber doch auch junge Leute zu Vorträgen heranzuziehen, denn nur die eigene geistige Arbeit erzieht den Bauern zum kritischen Beobachter und befähigt ihn, seinen Standpunkt auch in Reden und Verhandlungen klar zu vertreten. So war Gloys Meinung.
Aus den späteren Jahren möchte ich nur kurz die wichtigsten Ergebnisse der Verhandlungen anführen: 1880 Anschluss an den Hohenwestedter Rindviehzuchtverein, 1886 die Einrichtung eines Ferkelmarktes in Innien beantragt, der versuchsweise für 1887 und 88 genehmigt wurde, aber wenig Beteiligung fand. Er wurde am ersten Dienstag jeden Monats abgehalten. 1889 eine Hengststation in Innien eingerichtet, 1894 der Anschluss an den Landwirtschaftlichen Kreisverein vollzogen, 1896 eine Spar- und Darlehnskasse gegründet, 1902 ein Margarethenschrank gekauft, 1903 die Eintragung ins Vereinsregister vorgenommen, 1905 Auftrag zur Herausgabe einer Geschichte des Aukrugs erteilt, 1908 eine Volksbibliothek ins Leben gerufen und das Elektrizitätswerk gegründet, 1913 eine Beihilfe zum Druck der Geschichte des Aukrugs bewilligt, 1918 eine Schwesternstation eingerichtet, 1925 die Beschaffung einer Saatreinigungsanlage „Schule“ geplant.
Die Protokolle ergeben aber auch manche Nachrichten über die verschiedensten Neuerungen im Landwirtschaftlichen Betrieb des Aukrugs. 1887 stand die Frage der landwirtschaftlichen Lehrlinge auf der Tagesordnung, wurde aber zurückgestellt und kam nicht wieder. Man wusste wohl nichts damit anzufangen. Auch die Hebung der Dorfschule bewegte den Verein. In 13 Punkten fasste er seine Forderungen, wie die Bauern die Dorfschule fördern könnten, zusammen. 1875 wurde die Gründung einer Kranken- und Sterbekasse erwogen. Im Laufe der Jahre sind die Sommerversammlungen eingegangen. Dafür wurden gelegentlich Wagenfahrten oder Reisen zur Besichtigung landwirtschaftlicher Betriebe unternommen.
Auflösung
1933 wurde der Landwirtschaftliche Verein a. d. Bünzau, wie alle anderen landwirtschaftlichen Vereine aufgelöst, das Vermögen eingezogen und dem letzten Vorsitzenden, Detlef Ratjen, Bargfeld, die treuhänderische Aufbewahrung der Akten auferlegt. Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde der Landwirtschaftliche Verein a. d. Bünzau wieder ins Leben gerufen. Er tagt aber nur einmal im Jahr, wodurch er noch nicht wieder seine alte Bedeutung, der Wegweiser für das Leben im Aukrug zu sein, erlangt hat. Die Landjugendgruppe des Aukrugs versucht z. T. im Sinne des alten Landwirtschaftlichen Vereins weiterzuarbeiten und die Jungen und Mädchen zu kritisch denkenden Menschen zu formen.