Archiv:Über die Anfänge des landwirtschaftlichen Vereinswesens im Aukrug

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Über die Anfänge des landwirtschaftlichen Vereinswesens im Aukrug

Es war im Frühjahr des Jahres 1869 - wenige Jahre nach der Eingliederung der Herzogtümer in den preußischen Staat - als sich 21 Bauern aus den Aukrugdörfern und aus Wiedenborstel in Bünzen zusammenfanden, um für das Gebiet des Aukrugs ein landwirtschaftliches Casino zu gründen. Die Anregung hierzu hatte der Wanderlehrer des landwirtschaftlichen Generalvereins, Kiel, Dr. Giersberg, gegeben, der in mehreren Veröffentlichungen im "Landwirtschaftlichen Wochenblatt" die Auffassung vertreten hatte, daß neben den großen landwirtschaftlichen Vereinen, die sich oft über ein Kirchspiel oder gar ein Amt ausdehnten, kleinere örtliche Zusammenschlüsse entstehen müßten, ~ allen Dorfbewohnern - auch den kleineren Landwirten und Kätnern - die Teilnahme an den Versammlungen und sonstigen Veranstaltungen zu ermöglichen.

Erfahrungsgemäß nahmen an den Tagungen der landwirtschaftlichen Vereine nur die größeren Bauern teil. Er sah in diesen sog. Casinos - die Bezeichnung hatte er aus seiner rheinischen Heimat mit nach Holstein gebracht - hinsichtlich der Schulung und geistigen Weiterbildung der Landwirte eine Art Vorstufe zu den landwirtschaftlichen Vereinen. Über die Gründungsversammlung des Bünzener landwirtschaftlichen Casinos berichtete das "Landwirtschaftliche Wochenblatt, Kiel" unter dem 14. 4. 1869 wie folgt:

„Landwirthschaftliches Casino in Bünzen.

Am 30. März war eine Versammlung in Bünzen anberaumt zum Zwecke der Begründung eines ländlichen Casinos, angeregt von dem Herrn Privat-Förster Christiansen; hier und in weiteren Kreisen bekannt als sehr thätig für Holz-Cultur.Es waren zu dieser Versammlung erschienen 21 Männer aus den Dörfern Böcken, Innien, Bünzen, Bargfeldt und Wiedenborstel, es wurde der Vorstand gewählt und zum Präsidenten fast mit Einstimmigkeit Herr Förster Christiansen, möge demselben dies eine Anerkennung sein für die vielen uneigennützigen Mühen und Beschwerden in Flur und Wald.

Die Statuten sind berathen worden und festgesetzt und werden mit allernächstem dem Königlichen Landrathsamte zur Genehmigung eingesandt und wird aller Wahrscheinlichkeit nach, die erste ordentliche Versammlung des Casinos am Mittwoch vor Pfingsten abgehalten werden. Das Casino ist constituirt, mit vorläufig 23 Mitgliedern, ein Paar Abwesende haben Auftrag gegeben zur Einzeichnung; es ist sofort ein Quartalsbetrag an den Cassirer eingezahlt und sind 5 Exemplare des landw. Wochenblattes auf der Post bestellt worden. Als Leser Ihres geschätzten Blattes habe ich diese vollendeten Thatsachen Ihnen nicht vorenthalten wollen. Meines Wissens ist dies das erste landwirthschaftliche Casino in den Herzogthümern, sollte aber schon eines existiren, so erlaube ich mir dasselbe collegialisch zu begrüßen. Der Name schwankte zwischen Casino an den Quellen der Stör oder Casino an der Bünzer Aue, und ist durch Beschluß festgesetzt: Casino an der Bünzer Aue, im April 1869."

Die Gründung erfolgte in Anlehnung an den landwirtschaftlichen Verein in Hohenwestedt, der wenige Monate später (23. 7.) mit allen Mitgliedern eine Wagenfahrt durch den Vereinsbezirk unternahm. Daran beteiligten sich auch zahlreiche Aukrugbauern und Bäuerinnen. Die Fahrt war - nach einem Bericht in den "Itzehoer Nachrichten" - vom schönsten Wetter begünstigt; sie verlief sehr befriedigend; 44 reich mit Blumen und Laubgewinde geschmückte Wagen - größtenteils von prachtvollen Pferden gezogen - fuhren "mit dem Schlage der Mittagsstunde" vom Versammlungsplatz in Hohenwestedt nach dem Gut Nienjahn. Der Berichterstatter fährt dann wie folgt fort: "Die musterhaft geführte und als solche bekannte Wirtschaft ist auf die großartigste Anwendung konzentrierter Düngemittel eingestellt. Mit Korn sind in diesem Jahr 121 t bestellt; von diesen nur 8 t mit sehr gutem Weizen, der mit Stalldünger gedüngt war. Das übrige Areal hatte 250 Ztr. Guano und 70 Ztr. Knochenmehl als Dünger bekommen. Von Nienjahn fuhr der Zug über Poyenberg und Henstedt in das Lokstedter Gehölz. Hier war vom Vorstand des landwirtschaftlichen Casinos an der Bünzener Au und einigen Mitgliedern des Vereins an der Stör unter altehrwürdigen prächtigen Buchen ein Festplatz hergerichtet wie er einladender zur Rast nicht sein konnte.“

In dieser Versammlung wurde das vom Hohenwestedter Verein vorbereitete Statut über eine Waldbaugenossenschaft beraten. Über die Fragen einer intensiveren Bewirtschaftung der in bäuerlichem Besitz befindlichen Waldungen wurde zu jener Zeit eingehend in dem preußischen Abgeordnetenhaus verhandelt und in den Tageszeitungen berichtet. Dabei wurde immer wieder auf die im Hannöverschen gegründeten Waldbaugenossenschaften verwiesen. Jede Waldbaugenossenschaft erstreckte sich über einen so großen Waldkomplex, daß es sich lohnte, einen bestens ausgebildeten Förster anzustellen, nach dessen Weisungen dann die Pflege des Waldes und der jährliche Holzumschlag zu erfolgen hatte. Nach der Meinung des Vorsitz enden des Hohenwestedter landwirtschaftlichen Vereins sollten sich hier im erweiterten Aukruggebiet 36 Dörfer mit rd. 20.000 t Waldareal an der neu zu gründenden Genossenschaft, der ersten Waldbaugenossenschaft Schleswig-Holsteins, beteiligen. 4 Schilling ( = 50 Pf.) hatte jedes Mitglied je t Waldareal als Jahresbeitrag an die Genossenschaft zu zahlen. Sobald 5.000 t Waldfläche verbindlich von den Mitgliedern gezeichnet seien, sollte die Genossenschaft mit ihrem Geschäftsbetrieb beginnen. Das war ein sehr mutiger, in die Zukunft weisender Schritt, der vermutlich noch nicht sofort zum Erfolg führte. Unter dem 12.9.1869 meldeten die "Itzehoer Nachrichten", daß noch nicht ausreichende Anmeldungen erfolgt seien.

Inzwischen veranstaltete das Bünzener Casino seine erste Winterversammlung. Auch hierüber veröffentlichen wir wiederum das uns vorliegende Protokoll in vollem Wortlaut, um gleichzeitig darzulegen, welchen besonderen Aufgaben sich das Casino in seiner praktischen Arbeit zuwenden will.