Archiv:Chefarzt-Wechsel (Stecher)

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Chefarzt-Wechsel

Zum Nachfolger von Herrn Professor HEIN wurde dessen langjähriger Oberarzt und Stellvertreter Dr. STECHER ernannt. Der Übergang gestaltete sich reibungslos. Dies war insbesondere der Loyalität aller Mitarbeiter, vor allem aber der des ärztlichen Sektors, zu verdanken. Beseelt vom Geist, Tönsheide — auch nachdem dessen vieljähriger Lotse von Bord gegangen war — auf Kurs zu halten, gaben alle ihr Bestes und nahmen hierbei viele Ungelegenheiten in Kauf.

Diese ergaben sich für den Einzelnen allein schon durch den Anstieg der Arbeitsbelastung, da durch den Leitungswechsel im Krankenhaus frei gewordenen Dienstpositionen aus dem Kreis der weiteren Ärzte durch Mitarbeiter besetzt worden waren und neue Ärzte in der damaligen Arbeitsmarktsituation zur Auffüllung des an sich schon unterbesetzten Stellenplans Tönsheides nicht gewonnen werden konnten. Klinische und Funktionsoberärzte unternahmen daher zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben dienstliche Obliegenheiten im Stationsbereich und hielten damit das Krankenhaus funktionstüchtig. Wesentlichen Anteil daran hatte aber auch das Pflege- und Laborpersonal, das sich in analoger Bereitschaft der neuen Leitung Tönsheides zur Verfügung stellte. Eine spürbare Entlastung wenigstens für die letzteren ergab sich dann aber, als es 1967 gelang, mehrere jugoslawische Krankenschwestern und einen medizinisch-technischen Assistenten gleicher Nationalität für das Krankenhaus zu gewinnen. Allerdings war die Freude nur von kurzer Dauer, da die meisten der hervorragend ausgebildeten, aber jungen und dazu noch annehmlich aussehenden Schwestern sich bald umorientierten und Tönsheide, das ihnen auf Grund seiner abgelegenen Lage zu einsam erschien, zugunsten anderer Arbeitsstellen in offensichtlich erlebnisträchtigeren Gegenden wieder verließen. Immerhin verblieben zwei von ihnen, die Schwestern Dragica und Darinka, noch viele Jahre im Krankenhaus und rechneten dort ebenso wie der jugoslawische Laborassistent, Herr Jantol, dank ihres Könnens wie IDIET Zuverlässigkeit und ihres Arbeitseifers zu den "Stützen der Gesellschaft".

Ähnliche Erfahrungen wurden gemacht, als in einem zweiten, schon nicht mit so großer Begeisterung unternommenen Anlauf, erneut ausländische Pflegekräfte, und zwar diesmal Koreanerinnen, nach Tönsheide verpflichtet wurden, da auch diese Damen bald wieder in belebtere Gegenden entschwanden und Tönsheide eigentlich nur Zur Eingewöhnung in eine andere Kulturwelt und zur Erlernung erster deutscher Sprachkenntnisse benutzt hatten.

Auch sonst segelte Tönsheide in einem keineswegs ruhigen Fahrwasser. Die hohe Effizienz der Chemo- und antibiotischen Therapie der Tuberkulose mittels einer Dreierkombination entsprechender Wirkstoffe, die auf jeden Fall das Rifampicin und das Isoniazid zu umfassen hatte und in der Routinebehandlung in der Regel noch das Prothionamid bzw. das Myambutol beinhaltete, war bei annähernd gleicher Erfolgsquote, auch was Entseuchung und Rezidivhäufigkeit betraf, zunehmend zur stationären Anwendung der betreffenden Antituberkulotika in Konkurrenz getreten. Hieraus resultierte ein sehr eindeutiger Rückgang der Heilverfahrensanträge wegen Tuberkulose bzw. auch bei der hohen Ergiebigkeit antituberkulöse: Therapie ein sich immer deutlicher abzeichnender Rückgang in der Heilverfahrensdauer wie in der Notwendigkeit, im Interesse einer endgültigen Sanierung noch operativ eingreifen zu müssen.

Folge dieser Entwicklung war ein Überhang an Betten im Bereich der LVA Schleswig-Holstein, obwohl diese in den vorausgegangenen Jahren, als der betreffende Trend auffällig geworden war, sich bereits von einer ganzen Reihe von Häusern zur Aufnahme tuberkulöser Erwachsener getrennt hatte und Ende der 60er Jahre nur noch über zwei eigene entsprechende Anstalten, das Krankenhaus Tönsheide und das Krankenhaus Mölln, verfügte. Die Sorge, Tönsheide könne ebenfalls diesem Schicksal verfallen, wurde immer drückender und führte im Betrieb zu erheblicher Unruhe, die erst wieder abklang, als 1970 der Entschluß der LVA bekannt wurde, daß das Krankenhaus Mölln Opfer des Bettenüberhanges wurde.

Zwischenzeitlich war in Tönsheide versucht worden, die Existenzberechtigung des Hauses in Fortsetzung der Bestrebungen von Herrn Prof. HEIN durch Intensivierung der ärztlichen Bemühungen auf dem gesamtpneumologischen Sektor abzusichern. Diesem Zwecke dienten zur Verbreiterung der Möglichkeiten in der Abklärung pulmonaler Affektionen die Einführung der Mediastinoskopie wie Vorträge in den ärztlichen Kreisvereinigungen und wissenschaftlichen Gesellschaften, in denen die großen Möglichkeiten Tönsheides auf diesem Gebiete anhand praktischer Fallbeispiele immer wieder demonstriert wurden, aber auch gezeigt werden konnte, daß dank dessen Verbindung zu spezialisierten Fremdinstituten durch entsprechende Untersuchung von in Tönsheide entnommenen Biopsiematerial selbst in seltenen Fällen von Lungenerkrankungen noch gültige Fallaufklärungen erzielt werden konnten.

Tatsächlich fand die diffential-diagnostische Abteilung auch eine zur Vollbelegung des Krankenhauses maßgeblich beitragende Inanspruchnahme, deren zügige Effizienz von den jeweils zuständigen gesetzlichen Krankenkassen bei den ja meist unspezifischen Erkrankungsfällen im Interesse ihrer Patienten insofern honoriert wurde, als sich diese in einem Abkommen bereitfand, über das Durchschnittsmaß hinausgehende Untersuchungskosten nicht mit dem Tagespflegesatz als abgerechnet anzusehen, sondern der LVA außerhalb desselben gesondert zu erstatten.



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