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Der II. Weltkrieg und das Kriegsende
Der Ernstfall trat schon bald ein. Mit Ausbruch des Krieges wurde Tönsheide Reservelazarett. Neun ausländische Ärzte — vorwiegend Engländer —, von denen die allgemeine politische Lage unterschätzt wurde, konnten noch frühzeitig genug zur Rückkehr in ihre Heimat bewegt werden und entgingen damit einer Internierung. Unter ihnen befanden sich zwei Oberärzte, Peter EDBERGS, der nach dem Kriege als Ltd. Sanitätsoffizier der englischen Militärregierung in Schleswig-Holstein Tonsheide in der Nachkriegssituation manche Unterstützung gewährte.
Im MOB-Plan war auch der erst kurz vor Ausbruch des Krieges fertiggestellte Anbau des Nachfürsorgeheimes nicht ausgenommen worden. In schwierigen, aber-auf Verständnis stoßenden Verhandlungen konnte erreicht werden, daß dieser in vollem Umfang der Versorgung ziviler Tuberkulosekranker erhalten blieb, nachdem es gelungen war, dıe für das Reservelazarett Tönsheide vorgesehene Anzahl von Betten durch entsprechende Nutzbarmachung von Räumen im Haupthaus Tönsheides und in Tannenfelde doch noch zu erreichen. Das Projekt der Arbeitsbehandlung Tuberkulöser im Heidhof, das in dessen Abteilung für geschlossene Kranke bereits erfolgreich zur Durchführung gekommen war, fand damit sein Ende. Der Heidhof und die Klinik Kaiserberg mit insgesamt 140 Betten fungierten nunmehr als ziviles Krankenhaus für die klinische Versorgung Tuberkulosekranker, während das Reservelazarett Tönsheide das Haupthaus und die Nebenstelle Tannenfelde umfaßte.
Zum Chefarzt des Reservelazarettes wurde mit entsprechendem Rang und Titel der Direktor des Krankenhauses Tönsheide, Dozent Dr. HEIN, ernannt, der zugleich aber auch Leiter des zivilen Restkrankenhauses blieb und damit weiterhin den Gesamtkomplex Tönsheide führte. Die Personalunion bedeutete sicher für den Betroffenen eine merkliche Erhöhung seiner Arbeitslast, bot aber gleichzeitig auch Möglichkeiten für eine Koordinierung von Tuberkulosebekämpfungsmaßnahmen auf dem militärischen wie dem zivilen Sektor im Sinne einer entsprechend integrierten Tuberkulosebekämpfung auf der Basis Tönsheider Vorstellungen. Sie wurde schon allein deshalb bereitwilligst angenommen. im übrigen hatte die Verwendung Tönsheides als Speziallazarett für Thoraxverletzte keine Realisierung gefunden. Vielmehr ging der Polenfeldzug vorbei, ohne daß solche Einweisungen erfolgt wären. Dafür fanden nunmehr eine große Anzahl tuberkulosekranker Soldaten in Tönsheide Aufnahme, das sich bald mit solchen füllte. Für eine ganze Reihe derselben war dies ein Wiedersehen, da sie, obwohl tuberkulosekrank, teilweise sogar aus dem Krankenhaus Tönsheide im ersten Durcheinander der Mobilmachung zum Wehrdienst einberufen worden waren, dessen Belastung nicht standgehalten hatten und nunmehr zumeist mit gravierenderen Prozessen zurückkehrten, die nach Art und Ausdehnung auch schon zur Ansteckung von Kameraden geführt haben mußten. Da der alte Mitarbeiterstab, sei es nun in Uniform oder auch durch Freistellung vom Wehrdienst, in Tönsheide verblieben war, verlief dort der klinische Betrieb sehr schnell wieder in den gewohnten Bahnen. Weiterführung fanden ebenfalls die Tönsheider Fortbildungsveranstaltungen, nun mit Kursen für Sanitätsoffiziere und Studierende, zu denen jetzt Angehörige der betreffenden Studentenkompanien aus Kiel für 8 Tage nach Tönsheide kamen, um dort Einblick in die Behandlung der Tuberkulose bzw. der Bekämpfung derselben zu erhalten.
Auch auf dem zivilen Sektor blieb Tönsheide aktiv. Hier bewährte sich insbesondere die schon früher geschaffene Einrichtung der "fliegenden Tuberkuloseärzte", deren Tätigkeit für die Frühentdeckung von Tuberkulosefällen wegen der kriegsbedingten Entblößung der Fürsorgestellen von sachverständigem Personal zunehmend an Bedeutung gewann. Schwierigkeiten bei der Unterbringung solcher Kranken zur Frühbehandlung aufgrund der stark verringerten Bettenzahl im zivilen Bereich begegnete die LVA mit der Einrichtung des Schnelleinweisungsverfahrens, das durch einen direkten Kontakt mit Tönsheide gestattete, die Zuweisung der Kranken nach dort zu entbürokratisieren und hierdurch deren schnelle Unterbringung unter Voranstellung von Dringlichkeitsgesichtspunkten ermöglichte, so daß das Prinzip der Frühbehandlung mindestens bei den Kranken eingehalten werden konnte, bei denen ihre Unterlassung nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für seine Umgebung eine besondere Gefährdung bedeutet hätte.
Zusätzliche, über die klinische Behandlung hinausgehende Aufgaben in der Tuberkulosebekämpfung erwuchsen ebenfalls dem Reservelazarett.
Zum beratenden Tuberkulosearzt des zuständigen Wehrkreises bestellt, fiel seinem Chefarzt in Wahrnehmung dieses Amtes die häufig fehlerhafte Beurteilung von Lungen-Rötgenaufnahmen bei Wehrmachtsangehörigen auf. Diese gab ihm Anlaß, zuständigenorts eine Anordnung zu bewirken, daß alle entsprechenden, und zwar auch bei Nachuntersuchungen von Röntgenreihenkontrollen angefertigten Filme mit kurzem Begleitbefund der ebenfalls unter seiner maßgeblichen Mitwirkung in Tönsheide eingerichteten Tbc-Wehrkreiszentrale vorzulegen waren. Deren Zuständigkeitsbereich umfaßte ein Gebiet, das von der holländischen Grenze bis nach Jütland hinaufreichte. Entsprechend hoch war der Anfall der nunmehr zusätzlich zur klinischen Alltagsarbeit durch die Ärzte des Reservelazaretts Tönsheide endgültig auszuwertenden Röntgenaufnahmen. Hinzu kam, daß sich schon bald die Notwendigkeit ergab, Träger eines Lungenbefundes zur diagnostischen Abklärung bzw. auch zur Beurteilung der Wertigkeit desselben in der Wehrtauglichkeit exakt nachuntersuchen zu lassen. Die günstigen Erfahrungen mit der zentralen, nach einheitlichen Beurteilungskriterien erfolgenden Auswertung von Lungen-Röntgenfilmen durch die Tbc-Wehrkreiszentrale ließ es angeraten erscheinen, die erforderlichen Nachkontrollen unter analogen Bedingungen vorzunehmen. Es kam daher in Tönsheide zur Angliederung eines Beobachtungslazaretts mit einer Aufnahmekapazität von 400 Patienten, für die Unterbringungsmöglichkeiten in Baracken geschaffen wurden, um dem Reservelazarett die dringend benötigten klinischen Betten zu erhalten.
Der zusätzliche Arbeitsaufwand durch das Beobachtungslazarett war erheblich. Trotz Personalvermehrung bedeutete die Durchführung der erforderlichen diagnostischen Maßnahmen insbesondere für die zentralen Untersuchungseinrichtungen wie die Laboratorien und speziell die Röntgenabteilung eine besondere Belastung, da diese außer durch das Reservelazarett und das Restkrankenhaus nun auch durch das Beobachtungslazarett in Anspruch genommen wurden. Insbesondere das Engagement des Hilfspersonals ließ auch diese Aufgaben meistern. In diesem Zusammenhang sind insbesondere zwei ehemalige, nach operativen Eingriffen genesene Patienten des Krankenhauses, Herr TAPPENDORF und Herr WARTA, zu nennen, die als sog. Arbeitspatienten mit den technischen, in der Röntgenabteilung anfallenden Arbeiten vertraut gemacht wurden und nicht nur während des Krieges, sondern auch später ein Arbeitsleben lang unerschütterliche Säulen des Gesamtunternehmens Tönsheide darstellten.
Ebenso verhielt es sich mit Herrn KELLING, einem Parlamentsstenngraphen, der als Sanitätsdienstgrad nach Tönsheide eingezogen worden war. Seiner Schnelligkeit in der Ausfertigung der Röntgenbefundberichte war es trotz des hohen Durchgangs an Patienten zu verdanken, daß diese praktisch ohne jede Verzögerung den jeweils zuständigen Dienststellen zugeleitet und die im Einzelfall erforderlichen Konsequenzen umgehend in die Tat umgesetzt werden konnten, zumal die betreffenden Beurteilungen nach einer Anordnung des Wehrkreisarztes in jeder Beziehung verbindlich waren. Diese Verfahrensweise fand ihre besondere Bewährung bei der Schirmbilderfassung Musterungspflichtiger, die für die Wehrkreis-Tbe-Zentrale Tönsheide erwirkt wurde, nachdem in deren Zuweisungsgut wie denen des Reservelazaretts ein hoher Anteil jugendlicher Tuberkulöser - mit foudroyant verlaufender Tuberkulose vom Erstinfektionstyp auffällig geworden war, und es dringlich erschien, dıe offensichtlich zwischenzeitlich ohne vorausgegangene Tuberkuloseinfektion zum Wehrdienst herangewachsene Generation, die allein schon deshalb durch eine besondere Anfälligkeit gegenüber einer Ansteckung mit Tuberkulose gekennzeichnet war, durch die frühzeitige Eliminierung ansteckungsfähiger Kranker vor einer Tuberkuloseinfektion mit vielfach "malignem” Ablauf zu schützen.
Drastisch unterstrichen worden war die Notwendigkeit solchen Handelns durch die Feststellung einer Tuberkulose jüngsten Datums in Form von Infiltratbildungen bei fünf neu eingestellten jugendlichen Wehrmachtsangehörigen, die nur relativ Kurzfristig die Stube mit einem Kameraden geteilt hatten, bei dem nachgehend eine beidseitige kavernöse und damit ansteckungsfähige Lungentuberkulose zur Entdeckung kam.
Solche und ähnliche Beobachtungen, die auch andernorts getroffen worden waren, ließen schon damals der späten Erstinfektion mit Tuberkulose Jugendlicher in Tönsheide nicht nur aus Gründen der Prophylaxe, sondern ebenfalls im Hinblick auf therapeutische Folgerungen wegen ihrer Neigung zu einer phthisischen Entwicklung mit exsudativen Prozeßbildern, aber auch zur Einbeziehung der serösen Häute der Lunge und zu Bronchialeinbrüchen evtl. unter Entstehung von Lymphknotenkavernen sowie wegen ihrer Tendenz zur raschen Generalisation auf dem Blutwege, besondere Aufmerksamkeit widmen. Diese wurde auch trotz der hohen allgemeinen Arbeitsbelastung Weiterentwicklungen auf dem therapeutischen Sektor wie beispielsweise der Kavernensaugdrainage nach Monaldi geschenkt und dieser aufgrund der eigenen Erfahrungen entgegen den hohen Erwartungen, die von anderer Seite an dieses Verfahren als isolierte Behandlungsmethode der kavernösen Lungentuberkulose geknüpft worden waren, ein allenfalls begrenztes Indikationsgebiet zuzgewiesen.
Des weiteren liefen eingehende Untersuchungen zur Frage der Ölverschleppung ins Mittelfeld und dessen Organe bzw. in die kontralaterale Pleura bei der primären, 1943 durch KLEESATTEL angegebenen und zunächst enthusiastisch begrüßten Ölplombe an, in denen unter der Federführung von O. NAGEL, dem Oberarzt des Restkrankenhauses Tönsheide, versucht wurde, an Sektionsfällen wie auch in Tierversuchen den Mechanismus und die Spätfolgeerscheinungen dieser Komplikationen des Verfahrens aufzuklären und aufzuzeigen. Die bei laufender Weiterverfolgung dieses Problems gewonnenen Erkenntnisse, über die 0. NAGEL abschließend erst nach dem Kriege berichten konnte, führten wegen der gravierenden, nahezu ausschließlich mit diesem Verfahren verbundenen Spätschäden in Form sklerosierender Mediastinal-Prozesse mit entsprechenden Folgeerscheinungen an dessen Organen zur Eliminierung der primären Ölplombe aus dem Repertoire der aktiven Behandlung der Lungentuberkulose.
Abgesehen von seinen sonstigen Qualitäten als damaliger Oberarzt Tönsheides erwarb sich NAGEL noch durch die Aufnahme der Flächenkaustik bei Pneumothoraxverwachsungen in das dort zur Verfügung stehende Spektrum von Behandlungsverfahren besondere Verdienste und wußte, diesem von ihm als endothorakale extrapleurale Pleurolyse bezeichneten Eingriff ein anerkanntes Indikationsgebiet zu verschaffen und zu erhalten. Tönsheide bewahrte demnach auch in Kriegszeiten seinen Ruf als Innovationsstätte für die Tuberkulosebekämpfung, jedoch gewannen Probleme der Praxis in dieser zunehmend vordergründigen Charakter. Mit der Begründung, zur Erhaltung der übrigen Arbeitskräfte müßten die Tuberkulösen rechtzeitig ausgesondert werden, wurden Schirmbilduntersuchungen in KZ-Lagern und unterirdischen Arbeitsplätzen initiiert, die, was die Zahl der Aufgefallenen und die Art und Ausdehnung deren tuberkulöser Prozesse betraf, ein geradezu bestürzendes Resultat zeitigten. Hieraus wurde die Notwendigkeit zu routinemäßigen Kontrollen der zur Zwangsarbeit nach Deutschland verpflichteten Personen aus den besetzten Ostgebieten abgeleitet und für Schleswig-Holstein veranlaßt, daß der betreffende Personenkreis unmittelbar nach seiner Ankunft durch die Schirmbildtrupps der Tbc-Wehrkreiszentrale zu untersuchen war.
Die Einhaltung der hierzu ergangenen Anordnung, alle erfaßten Kranke wie insbesondere Offentuberkulöse sofort wieder in ihre Heimat zurückzuschicken, ließ sich nicht in allen Fällen vermeiden. Vielfach gelang es jedoch, die Aufgefallenen in den trotz erheblicher Schwierigkeiten auf Betreiben Tönsheides für Fremdarbeiter geschaffenen Tuberkuloseheimen Westerrönfeld und Schäferkate, deren ärztliche Versorgung ebenfalls von Tönsheide aus erfolgte, unterzubringen und hier einer ausreichenden Versorgung zuzuführen, die entgegen allen Bestimmungen im Bedarfsfall auch eine operative Versorgung im Krankenhaus selbst einschloß. Leichter Erkrankte aus diesem Personenkreis wurden je nach Belastungsfähigkeit unter laufender Kontrolle ihrer Prozesse zu einer halbtätigen oder auch vierteltägigen Beschäftigung in das arbeitende Personal eingegliedert und gehörten dann auch dazu.
Entgegen seinerzeitigen Tendenzen war in Tönsheide der Humanitätsbegriff in seiner ursprünglichen nichtteilbaren Bedeutung bewahrt worden und fand hier in seiner Praktizierung keine Aufweichung und Aufsplitterung. Dies zeigte sich auch, als der Chefarzt des Reservelazarettes bei einer in seiner Eigenschaft als beratender Tuberkulosearzt ‚des Wehrkreises vorgenommenen Inspektion eines Kriegsgefangenenlagers in der Nähe von Bremervörde feststellen mußte, daß es den dort diensttuenden kriegsgefangenen Ärzten an den notwendigen Geräten wie beispielsweise schon Pneumothoraxkanülen für eine Tuberkulosebehandlung mangelte und dieser — zutiefst betroffen von diesem Umgang mit kranken Gefangenen — außerhalb jeder Zulässigkeit das für die Abwendung erster Not erforderliche Instrumentarium persönlich beschaffte. Weitere Aktivitäten seinerseits auf dem zivilen Sektor der Tuberkulosebekämpfung führten zur Umwandlung eines Lagers mit fünf Steinbaracken für Kanalarbeiter in der Nähe Osterrönfelds in das Hilfskrankenhaus Osterrönfeld, das ärztlich und verwaltungsmäßig von Tönsheide betreut wurde und mit seinen 220 Betten für Tuberkulöse die entsprechende, schon prekär gewordene Bettensituation fühlbar entlastete. Hierzu trug auch die Belegung frei gewordener Betten in den Landeskrankenanstalten Heiligenhafen und Neustadt mit Tuberkulosekranken bei. Im Gegensatz zu Osterrönfeld, das bis zum Jahre 1949 als Nebenstation des Krankenhauses Tönsheide fungierte und dann bis 1960 noch als selbständiges Haus unter der Bezeichnung Lungenheilstätte Osterrönfeld weitergeführt wurde, unterstanden die in den Landeskrankenanstalten geschaffenen Tuberkuloseabteilungen Tönsheide nicht unmittelbar. Jedoch waren dort zuvor in Tönsheide tätig gewesene Ärzte zur Versorgung des betreffenden Patientengutes eingesetzt, die diese Aufgabe in enger Verbindung mit ihrem Stammhaus wahrnahmen.
Im übrigen wurde Tönsheide zunehmend in die Kriegsgeschehnisse selbst einbezogen. Zwar flossen die Ströme der feindlichen Bomberflotten an ihm vorbei; jedoch kam es zu Bombennotwürfen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft und dies auch mit Personenschäden, bei denen durch Tönsheide erste ärztliche Hilfe geleistet wurde. Diese wurde übrigens ebenfalls einer englischen Flugzeugbesatzung zuteil, die über dem Gelände Tönsheides abgesprungen wär. Zudem konnte diese ‚durch raschen Abtransport Vor Übergriffen durch die aufgebrachte Bevölkerung umliegender Ortschaften bewahrt werden. Ebenso wurde nach dem Großangriff auf Hamburg versucht, durch befristete Personalabstellungen in zerstörten Stadtteilen Hilfe zu leisten. Effektiver dürfte aber die Unterstützung gewesen sein, die Patienten betroffener Krankenhäuser, und hier vor allem dem Eppendorfer Krankenhaus, durch ihre vorübergehende Unterbringung und Versorgung in Tönsheide und seinen Nebenstationen zuteil wurde.
Auch sonst wurde es in Tönsheide enger. Wie überall in Schleswig-Holstein und anderswo in Deutschland rückten in den Wohnungen auf seinem Gelände die Familien zusammen, um Ausgebombten wie vornehmlich Ostflüchtlingen Unterkunft zu gewähren. Hinzu kamen Schwierigkeiten im Versorgungsbereich wie insbesondere dem Stromsektor, auf dem das nicht mit einem Notstromaggregat ausgerüstete Tönsheide besonders empfindlich war, zumal die Wasserversorgung aus im Gelände vorhandenen Brunnen erfolgte, deren Pumpen zur Hebung und Weiterführung des Wassers elektrisch betrieben wurden. Die häufigen Stromausfälle in der damaligen Zeit ließen daher das innere Getriebe Tönsheides nicht selten knirschen. Sie bescherten aber auch dem Elektroinstallateur des Krankenhauses manche große Stunde, wenn dieser, wie dies sein ”MOB-Plan" vorsah, vor den ”Schalthebeln der Macht” im Transformatorenhaus versuchte, bei Ausfall einer der beiden Tönsheide versorgenden Stromleitungen noch der zweiten einige Quanten elektrischen Stroms zu entnehmen und die Lichter Tönsheides wieder flackern zu lassen. Dies gelang auch vielmals. Jedenfalls lief der klinische Betrieb — wenn auch nicht ohne Hemmnisse — in Tönsheide weiter, kam aber gegen Ende des Krieges, als die Stromversorgung völlig zusammengebrochen war, in erhebliche Bedrängnis. Retter ın dieser Not wurde eine nach dem durch die vereinten Mächte an der Westfront erzielten Durchbruch in die Umgegend von Tönsheide verlegte V2-Abteilung, die sich nach Stärkung ihrer Hilfsbereitschaft durch Beteiligung an den Alkoholbeständen des Lazaretts dazu bereit fand, Tönsheide einige Generatoren und etliche tausend Liter Treibstoff zur Verfügung zu stellen und dieses damit von der immer mehr zusammenbrechenden Elektrizitätsversorgung unabhängig zu machen.
Angehörige anderer Einheiten hielten jedoch nach bewährter Landsermanier vom Nehmen mehr als vom Geben und organisierten sich zur Marscherleichterung aus dem Tönsheider Bestand Pferde und die von allen wegen ihres drolligen Wesens hochgeschätzte Eselin Mia als Frachttiere, um auf dem Marsch zurück schneller und bequemer vorwärtszukommen. Durch die auf allen Zufahrtswegen nach Tönsheide aufgestellten, mit einem grausligen Totenkopf und gekreuzten Knochen verzierten Schilder, die zudem die Inschrift "Vorsicht Infektionsgefahr“ trugen, hatten sich die lieben Putzkameraden nicht weiter stören lassen. Die Pferde wie insbesondere die in Tönsheide heißgeliebte Eselin konnten aber auf Bauerngehöften der weiteren Umgebung, wo sie von ihren Zwischenbesitzern gegen dringlicher Erscheinendes umgetauscht worden waren, wiederentdeckt und heimgeführt werden. Ansonsten bewährte sich jedoch die auf den Zugängen Tönsheides plakatierte Abschreckung.
Jedenfalls nidierten sich keine Truppenverbände in den Waldungen Tönsheides, so daß die auf diese angesetzten Tiefflieger Tönsheide unbelästigt ließen und diesem der Schutz des Roten Kreuzes auch in den Wirren der letzten Wochen und Tage des Krieges voll erhalten blieb.