Archiv:Die Zeit vor dem II. Weltkrieg (Stecher)

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Die Zeit vor dem Il. Weltkrieg

Die Gelegenheit einer Erstbewährung ergab sich schon bald, als kurz nach seiner Inbetriebnahme durch die unvorhergesehene Auflösung der Heilstätte Bad Kleinen in Mecklenburg, in der eine große Anzahl der durch die LVA Schleswig-Holstein zu betreuenden Patienten untergebracht war, diese im interesse einer ungestörten Weiterführung ihrer dringlichen Behandlung in Tönsheide aufzunehmen waren. Die Aufgabe wurde ohne besondere Schwierigkeiten gemeistert und hierdurch nicht nur die klinische Leistungsfähigkeit der Anstalt, sondern auch die echte Bedarfssituation für eine solche im Bereich der LVA Schleswig-Holstein unter Beweis gestellt. Das letzte galt umso mehr, als sich noch im Laufe des ersten Halbjahres Tönsheide zunehmend mit Kranken füllte und dieses bald voll belegt war.

Von Anfang an befanden sich unter den dort zu versorgenden Patienten stets eine große Anzahl Schwerkranker mit umfangreichen offenen Tuberkulosen. Hierfür war jedoch keine diesbezüglich besondere epıdemiologische Situation in Schleswig- Holstein, sondern vor allem der Umstand maßgeblich, daß ın Tönsheide dank seiner hervorragenden ärztlichen Besetzung wie einrichtungsmäßigen Auslegung alle der damals zur Behandlung der Lungentuberkulose zur Verfügung stehenden Kollapsverfahren einschl. der sog. großchirurgischen Methoden Anwendung finden konnten. Auch in dieser Hinsicht entsprach demnach die Konzeption der neuen Klinik dem im Versorgungsbereich der LVA Schleswig- Holstein vorliegenden Bedarf, wodurch die Zielgerechtigkeit in ihrer Planung und Errichtung noch zusätzlich dokumentiert wurde.

Im übrigen war in Tönsheide nach nur kurzer Zeit des Einarbeitens im Zusammenspiel seiner ärztlichen und pflegerischen Besatzung damit begonnen worden, die Leistungsfähigkeit des Hauses über den schon im Patientenkreis gewonnen guten Ruf hinaus einer breiteren Öffentlichkeit und hier vor allem im Interesse eines gedeihlichen Zusammenwirkens bei der Bekämpfung der Tuberkulose der Ärzteschaft Schleswig-Holsteins vorzustellen und ın dieser bekanntzumachen. Besichtigungstage unter sachkundiger Führung ließen bei reger Anteilnahme ein größeres Publikum die Heilmöglichkeiten des Hauses kennenlernen und diese darüber hinaus durch Darstellung ihrer Indikation, Durchführung und Effizienz auf Vortragsveranstaltungen enger in das Bewußtsein interessierter Kollegen rücken.

Insbesondere in letzter Beziehung machte sich bereits frühzeitig die Handschrift des damaligen Oberarztes und stellvertretenden Direktors, Herrn Dr. HEIN, bemerkbar, der nach seiner endgültigen Bestellung zum ärztlichen Direktor Tönsheides im Jahre 1931 dessen Geschicke bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1966 bestimmte. Beider Namen und Wirken sind daher in der Tuberkulosebekämpfung unabdingbar miteinander verknüpft und die Leistungen der Klinik auf diesem Gebiet ohne seine vitale Persönlichkeit, der die Lungenheilkunde und Phthisiologie (Phthise = Auszehrung, Schwindsucht, spez. Lungentuberkulose) in ihrer Entwicklung zahlreiche und wegweisende Impulse verdankt, undenkbar. Einer preußischen Offiziersfamilie alter Tradition entstammend und als Sohn eines königlich-preußischen Generals am 4.7.1901 in Neiße in Oberschlesien geboren, hatte Herr Dr. HEIN, der als 17jähriger noch am Ersten Weltkrieg teilnanm und im Jahre 1919 bei seinem alten Regiment im Grenzschutz Ost ım Einsatz stand, sein Medizinstudium in Berlin, Halle, Marburg, Leipzig und Rostock absolviert. Im Alter von 22 Jahren beschloß er dasselbe in Rostock, um anschließend in Hamburg zu promovieren. Der Promotion folgte eine Medizinalpraktikanten- und Assıstentenzeit an klassischen Stätten. Im Universitäts- Krankenhaus Eppendorf waren die Pathologen Eugen FRAENKEL und Theodor FAHR sowie der Physiologe KASTNER seine Lehrer. Am nachhaltigsten und entscheidendsten für seine gesamte spätere Laufbahn wurde Dr. Hein jedoch in der dortigen |. Medizinischen Klinik von der kraft- und lebensvollen Persönlichkeit des Vaters der Kollapsbehandlung LUDOLPH BRAUER beeindruckt und gefördert.

Als wohl typischster Brauer-Schüler wandte er sich dort dessen Spezialgebiet, den Lungenkrankheiten und speziell der Phthisiologie in der gewonnenen Erkenntnis zu, daß zur Besserung des individuelle Schicksals der einzelnen Tuberkulosekranken und zur Begrenzung der Seuchenhygienischen Probleme der Tuberkulose für die Allgemeinheit erfolgversprechende Behandlungs- und Präventivmöglichkeiten gegeben und auszubauen waren. Nach weiterer zielstrebiger Vertiefung in sein gewähltes Fachgebiet durch Sammlung neuer Erfahrungen am Krankenbett bei H. STOECKLIN in Davos und einer Oberarzttätigkeit bei Prof. Dr. ROEPKE in der Heilstätte Stadt-Melsungen sowie einer zwischenzeitlichen Vervollkommnung seiner chirurgischen Ausbildung bei dem Sauerbruch-Schüler JEHN in der Chirurgischen Klinik Mainz fand Herr Dr. Hein dann in Tönsheide den locus suae personae, dem er in den nächsten 35 Jahren den Stempel seiner Persönlichkeit aufdrückte. Auf diesem Wege war ihm die LVA in der Verwirklichung seiner Ziele im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein ebenso verständnisvoller wie großzügiger Dienstherr.

Nach der in der Hauptsache durch ihn erfolgten Etablierung der Kollapstherapie in Tönsheide in all ihren Formen einschl. der sog. großchirurgischen Verfahren erlaubte der hohe und differenzierte Ausbildungszustand der Ärzteschaft des Hauses schon bald die Einrichtung einer Beobachtungsabteilung, die nicht nur von der LVA, sondern auch von anderen Stellen wie dem Oberversicherungsamt, Versorgungsgerichten sowie einzelnen Krankenkassen und Wohlfahrtsamiern in Anspruch genommen wurde. Hierdurch steigerte sich der Durchgangsverkehr der Klinik mit entsprechender Erhöhung ihres Arbeitsaufwandes erheblich, ermöglichte dieser aber auch unter ökonomischen Vorteilen für ihren Kostenträger, der solche Untersuchungen früher in nicht eigenen Anstalten hatte vornehmen lassen müssen, Einfluß auf das Einweisungsgut an Patienten zu nehmen oder zum anderen auch in der Klinik erzielte Behandlungsresultate in späteren Beobachtungen zu überprüfen.

Als zusätzlicher Effekt ergab sich eine Erhöhung der Zusammenarbeit mit den Ärzten Schleswig-Holsteins, die sich schon zwischen den an der Pneumothoraxnachbehandlung beteiligten Kollegen und Tönsheide herausgebildet und sich im Interesse der betreffenden Patienten als sehr zweckmäßig erwiesen hatte. Gleiches galt für Nachuntersuchungstermine, die durch Tönsheider Ärzte für Kranke in den Lungenfürsorgestellen der Provinz regelmäßig wahrgenommen wurden, zumal hierdurch ein enges Zusammenwirken mit den einzeinen Lungenfürsorgestellen erreicht wurde.

Der Arm Tönsheides war damit langer geworden. Das lag im absoluten Interesse einer gezielten Tuberkulosebekämpfung nach einheitlichen Richtlinien und erwies sich im Einzelfall insofern als nützlich, als Abkürzungen von Heilverfahrenszeiten möglich wurden, da eine sachgerechte Nachbeobachtung sichergestellt war und im Bedarfsfall eine Wiedereinweisung nach Tönsheide bei Anbahnung eines Rezidivs oder auch nach Ausreifung entsprechender Prozesse für Kollapsmaßnahmen., etwa für Strangdurchtrennungen nach Pneumotnoraxanlage, aber auch für sonstige notwendig gewordene Zusatzoperationen vorgenommen werden konnte. Solche Aufnahmemöglichkeiten hatten sich im Jahre 1932 in Tönsheide durch den am 1.4. erfolgten Anschluß des Erholungsheimes Kaiserberg bei Itzehoe als zweiter Außenstation deutlich verbessert, da jedenfalls, was Männer mit einer geschlossenen Tuberkulose anging, durch die dortigen Unterbringungsmöglichkeiten die angespannte Bettensituation innerhalb des hochspezialisierten Haupthauses merkbar entlastet wurde, zumal nunmehr operierte Patienten zur Nachkur oder Pneumothoraxträger vor ihrer Entlassung direkt aus Tönsheide nach dorthin verlegt werden konnten.

Die Notwendigkeit zu solchen Rotationen hatte sich mit zunehmendem Bekanntheitsgrad Tönsheides, das seit 1932 offiziell als Krankenhaus deklariert wurde, durch eine deutliche Steigerung der Operationsfrequenz bzw. überhaupt durch den Anstieg aktiver Tuberkulosebehandlungsmaßnahmen ergeben, da ein entsprechendes Patientengut in den Ein- und Zuweisungen, die inzwischen auch durch andere Kostenträger als die LVA erfolgten, überwog. Dessen ärztliche Behandlung erfolgte außerhalb jeglichen Schematismus. Maxime der Heinschen Schule in Tönsheide war es, im Rahmen eines vorausschauenden Therapieplanes erst nach gründlicher Analyse des Einzelfalls in Berücksichtigung seiner anatomischen und funktionellen Gegebenheiten in einem aufeinander abgestimmten Einsatz der jeweils zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden zum günstigsten Zeitpunkt derjenigen den Vorzug zu geben, die bei niedrig gehaltenem Risiko die größtmöglichste Aussicht auf einen von Komplikationen und Spätschäden unbelasteten Dauererfolg versprach.

Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen wurden publiziert oder in Vorträgen in Veranstaltungen der Ärztegremien der Provinz bzw. auf größeren Kongressen vorgetragen und hatten wegen ihrer Schlüssigkeit in der Fachwelt maßgeblichen Einfluß auf die Einstellung zur Kollapsbehandlung überhaupt wie speziell aber in der Indikationsstellung zur Durchführung solcher Maßnahmen. Hausintern resultierte aus ihnen im Interesse einer differenzierten Beurteilbarkeit tuberkulöser Lungenprozesse, was deren anatomisches Substrat, aber auch ihre funktionelle Bedeutung betraf, die Erweiterung der betreffenden, bis dahin bestehenden Explorierungsmöglichkeiten durch die Anschaffung eines Tomographen für die Röntgenabteilung bzw. durch den Auf- und Ausbau des funktionsanalytischen Laboratoriums unter Anpassung der dort gegebenen Untersuchungsmethodiken an den jeweils neuesten Erkenntnisstand. Fragen der allgemeinen Tuberkulosebekämpfung blieben daneben nicht ausgeschlossen. In dieser Beziehung wurde eine Forcierung der Frühdiagnostik und damit der Frühbehandlung der Tuberkulose angestrebt und propagiert bzw. auch durch die Intensivierung der Betreuung von Lungenfürsorgestellen in der Provinz durch Ärzte des Krankenhauses Tönsheide vorwärtsgetrieben. Außerdem nahm sich Tönsheide des bis dahin vernachlässigten Problems tuberkulöser Schwangerer an und sorgte in Zusammenarbeit mit der Universitäts-Klinik Kiel für deren spezielle Behandlung bis über die Entbindung hinaus.

Des weiteren wurde 1934 der Neubau eines Nachfürsorgeheimes auf dem Krankenhausgelände in Angriff genommen, nachdem sich bei Nachuntersuchungen von Patienten herausgestellt hatte, daß die unter stationärer Behandlung eingetretenen Behandlungserfolge unter den Belastungen nach der Entlassung bald wieder verlorengehen konnten, so daß es im Interesse eines dauerhaften Resultates nach stationärer Unterbringung ratsam erschien, betreffend gefährdete Patienten durch eine dosierte Arbeitsbelastung unter Verlängerung klinischer Kontrollen ihres Befundes an die Wiedereinschaltung in den Arbeitsprozeß zu gewöhnen. Mit dem Bau der betreffenden Einrichtung namens "Heidhof" wurde 1934 begonnen und das Nachfürsorgeheim, das für eine Kapazität von 40 geschlossenen Tuberkulösen errichtet worden war, 1935 unter weitgehender Erfüllung der in dieses gesetzten Erwartungen in Betrieb genommen. Aufgrund der günstigen Erfahrungen kamen dann 1936 Vorbereitungen für die Erweiterung des Nachfürsorgeheimes Heidhof auch für Offentuberkulöse in Gang. Weitere Bauaktivitäten hatten früher schon Belange im Personalbereich wahrgenommen und führten 1934 und 1936 zur Errichtung von zwei zusätzlichen Wohnhäusern für Verheiratete und Ledige sowie 1937 zur Inangriffnahme des Neubaues eines Schwesternwohnheimes. Noch früher, und zwar in den Jahren 1932 bis 1935, waren durch den Freiwilligen bzw. Reichsarbeitsdienst im engeren Krankenhausgelände Kultivierungsarbeiten unter Anpflanzung von Bäumen zu Windschutzzwecken aber auch Wegebauten vorgenommen worden. Durch den Arbeitsdienst kamen auch die Planierungsarbeiten für eine umfassende Rieselfeldanlage zur Durchführung, die in seuchenhygienischer Beziehung eine einwandfreie Entsorgung der Abwässer des Krankenhauses gewährleistete und dazu noch gegenüber dem ursprünglichen, dann aber auf Betreiben des Direktors des Krankenhauses, Herrn Dr. HEIN, verworfenen Projektes, diese mit- tels einer massiven Chlorierung zu erreichen, den Vorteil hatte, umweltfreundlich zu sein.

Unbeeindruckt von all diesen Maßnahmen nahm unterdessen der klinische Alltag im Krankenhaus seinen Fortgang. Neu für dieses waren bis dahin ungewohnte Verzögerungen in Einberufungen mit Wartezeiten von gelegentlich vier Wochen. Die Gründe hierfür ergaben sich aufgrund eines gesteigerten Andranges an Patienten, der einmal in dem weiter gestiegenen Bekanntheitsgrad Tönsheides seine Ursache hatte und zum anderen auf eine Besserung der Finanzlage der LVA zurückging, die sich durch die Erhöhung der Beitragsentnahmen infolge der nach dem Umbruch bzw. der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten eingetretenen Verminderung der Arbeitslosigkeit ergeben hatte und durch den Versicherungsträger im Interesse einer Intensiveren Tuberkulosebekämpfung zur Lockerung der Heilverfahrensgenehmigungsbestimmungen wie etwa speziell auch durch die Gewährung von Heilverfahren an Nichtversicherte aus dem Personenkreis der Familienangehörigen von Rentenversicherten genutzt wurde.

Die Einrichtung einer Zentraleinweisungsstelle bei der LVA zum Zwecke einer möglichst schnellen Erfassung und Einweisung von Tuberkulosefällen und der rationellen Ausnutzung aller bestehenden Behandlungsmöglichkeiten nach Maßgabe der Dringlichkeit des Einzelfalles war die Antwort auf die eingetretenen Verzögerungen im Einweisungsverfahren und sollte dafür Sorge tragen, daß die durch Tönsheide propagierte Frühbehandlung der Tuberkulose nach rechtzeitiger Erkennung nicht beeinträchtigt wurde.

Beide wurden immer wieder als unabdingbare Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tuberkulosebekämpfung in individueller und in seuchenhygienischer Beziehung in den Veröffentlichungen der Tönsheider Schule apostrophiert. Soweit letztere in dieser Hauptthematik therapeutische Probleme betrafen, befaßten sich die entsprechenden Publikationen unter Darlegung der jeweils im Ablauf eines tuberkulösen Geschehens zu erwartenden Komplikationsmöglichkeiten und Erfolgsaussichten mit der Anzeigestellung zu den einzelnen Kollapsverfahren, und zwar sowohl was deren Art und günstigsten Zeitpunkt, aber auch deren Leistungsfähigkeit und Verwendungsmöglichkeit in einer etwaigen notwendigen Abfolge der verschiedenen Eingriffe betraf. Hierbei wurde über Erfahrungen und Erkenntnisse von z. T. grundsätzlicher Bedeutung berichtet, in deren Konsequenz manche Anregung für den zielgerechten Einsatz der einzelnen Kollapsverfahren gegeben werden konnte. Andere Publikationen in den auslaufenden dreißiger Jahre beschäftigten sich mit diagnostischen bzw. differentialdiagnostischen Problemen der Lungentuberkulose und der Pneumologie überhaupt. Besonderes Interesse erfuhren Mitteilungen zur Strukturanalyse der Röntgenschichtaufnahmen und deren Bedeutung für die Diagnose und Behandlung der Lungentuberkulose durch Herrn Dr. HENNINGSEN, der die Nachfolge des zur LVA als Landesvertrauensarzt übergewechselten Herrn Dr. SCHELLMANN übernommen hatte und der Röntgenabteilung bis zur Pensionierung im Jahre 1965 vorstand. Seinem profunden Wissen und seiner Fähigkeit, dieses auch weiterzugeben, verdanken die Ärztegenerationen Tönsheides, ın dem es nach dem Willen seines Direktors üblich war, daß jeder Assistenzarzt mindestens ein halbes Jahr ausschließlich in der Röntgenabteilung tätig war, einen entsprechend qualifizierten Ausbildungszustand.

1938 habilitierte sich dann Dr. HEIN, der durch seine vorausgegangenen zahlreichen Arbeiten zur Tuberkuloseklinik und -forschung schon frühzeitig die Aufmerksamkeit der fachwissenschaftlichen Welt auf sich gezogen hatte, für das Fach der Inneren Medizin an der Universität Kiel. Im gleichen Jahr erschien der HEIN-KREMER-SCHMIDT, in dessen Kapitel über die Thorakoplastik durch HEIN die gültige Darstellung dieses Verfahrens gegeben wurde. In mehrere Weltsprachen übersetzt, galt der HEINKREMER- SCHMIDT als das Standardwerk der Kollapstherapie der Lungentuberkulose. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich Tönsheide unter seinem Direktor zu einem der führenden und in aller Welt bekannten Zentrum der Phthisiologie entwickelt.

HEIN und Tönsheide waren innerhalb dieser 7 Jahre zu einem Begriff geworden. Die Zahl der Besucher aus dem In- und Ausland die sich in Tönsheide an Ort und Stelle über die geübten Behandlungsmethodiken informieren wollten, nahm zu. Ebenso gestaltete sich die schon zu den verschiedensten Universitäten bestehenden Bindungen enger. Hierzu trug insbesondere der Austausch von Assistenten bei, der sich nicht nur für diese, sondern auch für die jeweiligen Kliniken als außerordentlich nützlich und fruchtbringend erwies.

Regen Zuspruch — und dies sicher nicht nur wegen des abschließenden und nicht gerade trockenen Kasinoabends — fanden gleichfalls die für klinische Semester der Universität Kiel eingerichteten Studentenkurse, in denen die Teilnehmer zu Lasten der LVA für etwa 8 Tage Gäste des Krankenhauses Tönsheide waren, um während derselben einen Einblick in die Probleme der Tuberkulosebehandlung und -bekämpfung zu erhalten, der ihnen an der Universität wegen der Zentralisierung von Tuberkulosefällen in eigens dafür geschaffenen Anstalten in dieser Umfassenheit und Eindringlichkeit nicht vermittelt werden konnte.

Ebenso befanden sich in Tönsheide eine Reihe ausländischer Kollegen als Gastärzte, um hier Anregungen für die eigene Arbeit auf dem Tuberkulosesektor in ihren Heimatländern zu holen. Darüber hinaus entstanden aber auch Verbindungen im menschlichen Bereich, von denen Tönsheide noch viele Jahre später profitieren sollte. Allen diesen Interessensgruppen konnte ein Krankenhaus von hoher Effizienz in der Versorgung der ihm anvertrauten Patienten demonstriert werden, die bei einheitlicher Führung des Gesamtbetriebes durch das Bemühen erreicht wurde, in der Behandlung der Tuberkulose nicht etwa einer der zur Verfügung stehenden Methoden den Vorzug zu geben, sondern diese unter Kenntnis ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit im Einzelfall im Rahmen einer die Reaktionslage des Gesamtorganismus berücksichtigenden Therapieplanes einzusetzen und sie hierbei in entsprechender Anpassung fließend zu kombinieren.

Zugleich ließen sich in Tönsheide gültige Strukturen einer zentralisierten Tuberkulosebekämpfung vorweisen. Grundlage derselben waren die vielfachen, ganz bewußt aufgebauten engen Beziehungen zu den Amtsärzten und Fürsorgestellen des Landes wie den an der ambulanten Tuberkulosebehandlung beteiligten Ärzte und dem Vertrauensärztlichen Dienst, die Tönsheide eine breite Einflußnahme auf die Erkennung, Erfassung und Behandlung von Tuberkulosefällen ermöglichten.

Hinzu kam eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen der LVA als letztlichem Träger der Tuberkulosebekämpfung in Schleswig-Holstein und den in gleicher Sache engagierten Institutionen im Lande, etwa den Paritätischen Wohlfahrtsverbänden und der Provinzverwaltung. Ebenso fand Tönsheide selbst in seinem Bemühen um eine zentral kontrollierte Tuberkulosebekämpfung durch die LVA Unterstützung, die sich materiell in der Gestellung von Schirmbildgeräten für die Fürsorgestellen dokumentierte und den dort als "fliegende Tuberkulose. ärzte” tätigen Mitarbeitern Tönsheides, aber auch den Fürsorgestellen selber, die Arbeit wesentlich erleichterte.

Behinderungen in diesen Aktivitäten ergaben sich aufgrund der Zeitläufe für das Stammpersonal Tönsheides wie beispielsweise durch die Einberufung von Ärzten und anderen Betriebsangehörigen zum Grundwehrdienst bzw. Wehrdienstübungen. Ein ausgesprochener Teamgeist ließ diese überwinden, Schwieriger gestaltete sich die Meisterung der Lage, als 1938 die bisher die Krankenpflege ausübenden Rot-Kreuz-Schwestern vom Anschar aus Kiel aus dem Dienst in Tönsheide abgezogen wurden, da das Mutterhaus in steigendem Maße neu geschaffene Standortlazarette zu übernehmen hatte.

Im übrigen wurde auch Tönsheide im MOB-Kalender (MOB = Mobilmachung) erfaßt und seine Inanspruchnahme als Reservelazarett für den Ernstfall mitgeteilt. Für seinen Direktor kam alternativ die Einrichtung Tönsheides als Sonderlazarett für Thoraxverletzte mit der Maßgabe in Vorschlag, entsprechend Verwundete umgehend im Lufttransport direkt nach dorthin zur fachärztlichen Versorgung einzuweisen, um diesen die Spätschäden zu ersparen, wie sie in großem Umfang bei Verwundeten des Ersten Weltkrieges aufgetreten und HEIN speziell noch in der Arbeit in der Sauerbruch'schen Schule bekannt geworden waren.

Dem Projekt wurde zugestimmt und zugesagt, das eingespielte Mitarbeiterteam des Krankenhauses zur Durchführung dieser Aufgabe im Ernstfall im Reservelazarett zu belassen und nicht zur Wahrnehmung anderer, weniger spezielles Wissen und Fertigkeiten erfordernder Einsätze in alle Winde zu verstreuen.



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