Archiv:Planung und Bau (Stecher)
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Planung und Bau
Konsequenz dieser Ergebnisse war die Umstellung von Volksheilstätten in Tuberkulosekrankenhäuser bzw. -kliniken oder auch die Ersterrichtung von solchen, da die neue aktive Behandlung der Lungentuberkulose, die u. a. chirurgische Maßnahmen umfaßte, die Möglichkeiten der Tuberkuloseheime alten Stils sowohl in ausstattungsmäßiger wie in personeller Hinsicht überschritt.
Im Gefolge dieser aufmerksam beobachteten Entwicklung reiften bei der LVA Schleswig-Holstein von der Sorge um das Wohl ihrer Versicherten bestimmte Pläne für die Erstellung einer zusätzlichen, in eigener Regie geführten Anstalt, die nicht nur eine unbelastete Unterbringung des betreffenden Personenkreises gewährleistete, sondern auch dessen Behandlung nach dem jeweils aktuellen Erfahrungsstand sicherte. Initiator und treibende Kraft des Projektes war Landesrat GEHLSEN, der in seinen Bestrebungen insbesondere durch Assessor BURECHT unterstützt wurde. Im: Rahmen einer eingehenden Diskussion wurden ihre Argumente als zwingend angesehen und führten am 20.8.1927 im Vorstand der LVA zu dem Beschluß der Errichtung einer eigenen Tuberkulosen-Heilstätte.
Die Planung derselben war ebenso großzügig wie weitsichtig und berücksichtigte nicht nur die Erweiterung der Bettenkapazität für den Fall eines steigenden Bedarfs von ursprünglich 125 auf 150 Betten, sondern umfaßte in ihren weiteren baulichen Voraussetzungen auch die Möglichkeiten zur Durchführung der in den zwanziger Jahren sich zunehmend durchsetzenden Kollapstherapie einschließlich deren großchirurgischen Methoden nebst der mit diesen verbundenen Zusatzuntersuchungen in laboratoriumsmäßiger Hinsicht.
Mit der baulichen Gestaltung des Projektes wurde der Architekt Dipl.-Ing. ENRUD betraut, in dem auch dessen ärztliche Berater für eine möglichst funktionsgerechte, auch künftigen Erfordernissen entsprechende Konzipierung des Auftrags die Ärzte Geheimrat Prof. Dr. SEYLER, Prof. SACHSE und der künftige Chefarzt des Hauses, Dr. DOMMASCH, einen verständnisvollen Bausachverständigen fanden.
Als Standort für die zu errichtende Anstalt wurde ein über hundert Hektar großes Gelände in der ansprechenden Landschaft der mittelholsteinischen Geest im Gebiet der schönen Heideflächen des zwischen Box- und Glasbergs gelegenen Tönsbergs ausersehen und angekauft, das aufgrund seiner Lage inmitten umfangreicher. Heide- und Mischwaldbeständen bei günstigen klimatischen Verhältnissen einen hohen Erholungswert besaß, aber auch infolge seiner engen Nachbarschaft zu dem seit 1925 im Besitz der LVA befindlichen Erholungsheim Tannenfelde, dessen Einbeziehung in die Gesamtplanung ermöglichte. Mit den Bauarbeiten wurde 1928 begonnen und der Rohbau bis zum Ende des Jahres 1929 beendet, so daß im Frühjahr 1930 mit dem Einbau der technischen und sanitären Installationen angefangen werden konnte. Zusammen mit der Anstalt wurden noch drei Personalwohnhäuser zur Unterbringung von 6 Familien sowie 24 unverheirateter Bediensteter und ein Wohnhaus für den Verwaltungsleiter neben weiteren kleineren Gebäuden für den technischen Betrieb erstellt.
Nach einer Bauzeit von fast drei Jahren reckte sich, in der früher weitgehend unberührten Landschaft am Tönsberg noch ein wenig fremd, im ganzen jedoch aufgrund seiner Ausführung in rotem Backstein und seinen in der gleichen Farbe gehaltenen Giebeldächern doch angepaßt, der Baukörper der neuen Tuberkulose-Klinik der LVA Schleswig-Holstein. In Form eines sich breit nach Süden öffnenden Ypsilons konzipiert, umfaßte dieser Teil des Gebäudes, der durch seine unterschiedlich hohen Giebeldächer, aber auch durch Balkonzimmer wie durch eine große Terrasse und eine Front konventioneller Fenster differenter Größe aufgelockert war, die Stationseinheiten für die Unterbringung und Versorgung der Patienten, während im langgestreckten Nordtrakt die Funktionsräume einschließlich der Operationssäle und der Speisesaal für die Patienten bzw. die Kasinoräume für Ärzte und Schwestern untergebracht waren.
Nach Fertigstellung auch der Inneneinrichtung war es dann am 15.6.1931 soweit, daß das neue Haus, das den Namen "Sanatorium Tönsheide" erhalten hatte, eröffnet und seinem Direktor Dr. DOMMASCH zum Betrieb übergeben werden konnte. Zu seinen Mitarbeitern war in der Dienststellung des stellvertretenden Direktors und Oberarztes Herr Dr. HEIN bestellt worden, des weiteren Herr Dr. SCHELLMANN als Röntgenologe sowie als Leiter der Laboratoriumsabteilung Herr Dr. PFAFF, die diese Aufgaben neben Ihrer sonstigen klinischen Tätigkeit Wahnzunehmen hatten.
Die Wirtschaftsführung des Hauses oblag dem Verwaltungsinspektor BERGSTADT, die Kassen- und Rechnungsführung dem ehemaligen Verwalter des Genesungsheimes Tannenfelde, das am 1.7.1931 als Station in das Sanatorium Tönsheide eingegliedert worden war, so daß sich dessen Aufnahmekapazität nunmehr auf 220 Betten belief.
Für den betreffenden Pflegedienst war die Anscharschwesternschaft vom Roten Kreuz aus Kiel gewonnen worden, da z. Zt. der Eröffnung von Tönsheide nur diese in der Lage war, ausreichend vorgebildete Schwestern wie insbesondere auch Operationsschwestern zur Verfügung zu stellen.
Zur Eröffnung mit den Vorschußlorbeeren eines neuen Bollwerks gegen die Tuberkulose bedacht, oblag es nunmehr Tönsheide und seiner Besatzung, in dem hiermit gesteckten Rahmen auch entsprechendes Profil zu gewinnen.