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Zu-und Neubauten
Auch die Verwaltung war indessen nicht untätig geblieben und hatte ihr möglichstes getan, um den aus dem Kriege und den schlimmen Nachkriegsiahren verbliebenden Nachholbedarf in den allgemeinen Lebensumständen, für die Patienten und das. Krankenhauspersonal auszugleichen, und den diebezüglich gestiegenen Ansprüchen anzupassen. Dies erwies sich umso notwendiger als sich in den 50er-Jahren zunehmend auf dem Personalsektor eine Anspannung verdeutlichte. Bestimmt durch gestiegenen Möglichkeiten der antituberkulonischen Therapie nahm zudem die Kurwilligkeit der Patienten zugunsten einer ambulanten Durchführung der Therapie ab. Den so veränderten Verhältnissen trug die LVA 1954 durch den Neubau eines Personalwohnhauses mit vier Wohnungseinheiten für Verheiratete und 25 Einzelunterkünften für Ledige Rechnung. Diesem Projekt schloß sich 1959 die Errichtung von 12 Wohnungen für verheiratete Angestellte auf dem Krankenhausgelände im Bungalowstil an.
Im übrigen hatten schon des längeren in der Selbstverwaltung und der LVA diskutierte Pläne für einen Modernisierungsbau Tönsheides zur Auflockerung der Unterbringungsmöglichkeiten für die Patienten und zur Anpassung der Funktionsräume des Krankenhauses an dessen gestiegene und differenzierter gewordenen Aufgaben Ausführungsreife gewonnen. Diese sah neben der Errichtung eines Wirtschaftsgebäudes zur Aufnahme einer modernen Großküchen- und Heizungsanlage wie der Wäscherei bzw. Handwerksbetriebe des Krankenhauses den Neubau eines fünfstöckigen Bettentraktes und eines Behandlungsbaues mit einer großzügigen Raumaufteilung für die operativen Einrichtungen, aber auch umfangreiche Renovierungsarbeiten hinsichtlich des Altbaus vor. Die Gestaltung des Großprojektes erfolgte unter Federführung der Bauabteilung der LVA. Jedoch wurde in diese ebenfalls, und dies maßgeblich, Herr Professor HEIN einbezogen, der sich seinerseits wieder in seinen Vorschlägen für eine funktionsgerechte Raumaufteilung wie hinsichtlich der sonstigen baulichen und einrichtungsmäßigen Voraussetzungen auf Konzepte stützte, die sich bei eingehender Diskussion der jeweiligen Probleme mit den sachkompetenten Mitarbeitern ergeben hatten.
Resultat der gemeinsamen Bemühungen, die in der LVA zudem einen Bauherren großer Aufgeschlossenheit angetroffen hatten, war ein nach nahezu sechsjähriger Bauzeit 1965 in Betrieb genommener Krankenhausneubau. Er entsprach auch was die Ausstattung, mit medizinischem Gerät anging auf allen Ebenen wie vor allem in diagnostischer und therapeutischer Beziehung im Fachbereich; Tönsheides modernsten-, Anforderungen. Er brachte, ferner gegenüber den früheren Verhältnissen für die Patienten manche zusätzliche Annehmlichkeit; er verbesserte.die; Arbeitsbedingungen des Personals entsoheidend, wovon ‚letztendlich wieder die, ihm anvertrauten Kranken profitierten.
Ansonsten begann sich inzwischen schon zu verdeutlichen, daß den intensiven, von Tönsheide maßgeblich mitgetragenen Anstrengungen der LVA bei der Bekämpfung der Tuberkulose Erfolg beschieden war. Dieser dokumentierte sich u. a. auch in einem Rückgang der Kuranträge für Heilverfahren wegen Tuberkulose bzw. in einer Verminderung der dieserhalb durchgeführten Kuren. War diese Entwicklung Anfang der 50er Jahre noch mit einer Auflockerung der Bevölkerungsdichte Schleswig- Holsteins durch Abwanderung von Flüchtlingen in Zusammenhang zu bringen, so ließ das weitere Fortbestehen dieser Tendenz, die sich in den folgenden Jahren sogar noch steigerte, keine Zweifel mehr daran bestehen, daß sich die Tuberkuloseinzidenz rückläufig verhielt.
Die Ursachen dieses Phänomens waren sicher komplexer Natur und basierten u. a. auch auf dem an sich rückläufigen, lediglich durch die besonderen Umstände des Krieges und der Nachkriegszeit unterbrochenen regressiven Trend des Seuchengangs der Tuberkulose; ferner auf gebesserten Lebensverhältnissen, vor allem aber auf auch den großen Möglichkeiten der antituberkulotischen Therapie, die erstmals in der Geschichte der Tuberkulose eine kausale Behandlung der Tuberkulose erlaubte. Es war der besondere Verdienst der LVA, unter widrigsten Gegebenheiten jede sich bietende Chance im sozialmedizinischen und seuchenhygienischen Bereich der Tuberkulosebekämpfung zu entsprechenden koordinierten Maßnahmen genutzt und hierdurch für ein schnelles Greifen aller sonstigen, auf die Tuberkulosehäufigkeit Einfluß nehmenden Faktoren günstige Voraussetzungen geschaffen zu haben. Der Erfolg dieser Anstrengungen, zu dem auch von Tönsheide u.a. durch die Innovierung und Etablierung der BEG-Schützimpfung‘und der Röntgenreihenuntersuchung ein maßgeblicher Beitrag geleistet worden war, erlaubte der LVA nach und nach, das von ihr vorgehaltene Bettensoll für Tuberkulosekranke zu mindern.
Von dieser Aktion im Rahmen des Gesamtbereiches der LVA wurde frühzeitig Tönsheide betroffen. Es wurde dort 1960 die Nebenstation Tannenfelde aufgelöst. Sein schon vom Zahn der Zeit arg benagtes Hauptgebäude, das vor der Übernahme der Liegenschaft Tannenfelde durch die LVA von einem in Ostasien zu Geld gekommenen Handelsmann als Refugium in Nachbildung eines von Schinkel entworfenen Brandenburgischen Gutshauses errichtet worden war, verfiel in den folgenden Jahren zunehmend weiter und würde zuletzt in seinen Resten der Freiwilligen Feuerwehr des Krankenhauses zu einer ”Feuchtübung” überlassen. Es war der letzte Dienst den Tannenfelde Tönsheide erwies. Mit ihm sank ein Stückchen seiner Geschichte in Schutt und Asche: Ungelöscht blieben jedoch mit Tannenfelde verknüpfte Erinnerungen wie u.a. an dessen "Friedrichstraße", dem als Wohnbereich für Angestellte genützten Dachgeschoß, von denen manche selbst heute noch alte Tönsheider schmunzeln lassen dürften. Der geminderte Bettenbedarf der LVA erlaubte des weiteren die Schließung des Heidhofes. Endgültig erfolgte diese zwar erst 1967, jedoch: war seine”Bettenkapazität schon 1963 auf Grund von Umbauarbeiten zwecks einer dann doch nicht benötigten Station für tuberkulosekranke Kinder nicht mehr genutzt und lediglich noch in den Jahren 1965 bis 1967 wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten im Südflügel des Krankenhauses zur Auslagerung der hiervon betroffenen Patienten in Anspruch genommen worden.
Nach der Schließung der Nebenstationen Tannenfelde und Heidhof belief sich das Bettensoll Tönsheides, das früher 330 betragen hatte, auf nunmehr 221 Betten.
Hierdurch hätte sich auch eine Entlastung im Arbeitsalltag des Krankenhauses ergeben müssen. Eine solche wurde jedoch nicht spürbar, da sich einmal dessen Belegungsfrequenz durch eine Verkürzung der durchschnittlichen Heilverfahrensdauer gesteigert hatte. Sie resultierte aus der Fortsetzung des Siegeszuges der antituberkulotischen Therapie als für diese seit 1960 im Rifampicin eine weitere, sogar bakterizid wirkende Substanz zur Verfügung stand.
Zum anderen mußte sich Tönsheide mit dem ihm völlig neuen Problem des Personalmangels, und dies auf allen Betriebsebenen, auseinandersetzen. Zwar konnten beim Küchen- und Stationspersonal durch Abwanderung früher hier beschäftigter Flüchtlinge entstandene Lücken durch Initiativen der Verwaltung, mit deren Leitung nach Ausscheidung von Herrn Amtmann GEERDS aufgrund Erreichens der Altersgrenze Herr MALCHOW durch die LVA betraut worden war, mit der Organisation von Abholdiensten für aus entfernteren Ortschaften neu gewonnenes Personal sowie durch die Verpflichtung eines Reinigungsunternehmens wieder weitgehend kompensiert werden. Das Bemühen um Neueinstellung von Ärzten und qualifizierten Pflegekräften blieb jedoch weitgehend ergebnislos.