Archiv:Wiedenborstel

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Wiedenborstel (Ursprünglich im Kapitel Land- und Forstwirtschaft)

Schloß Wiedenborstel

Enge Beziehungen zu Aukrug

Die Gemeindefläche liegt in direkter Nachbarschaft zu Aukrug in einem Tal zwischen dem 79m hohen Stilkerberg und dem 64m hohen Glasberg und enthält die Quellgebiete von Glas- und Wegebek. Zur Zeit des Feudalismus gehörte Wiedenborstel bis auf einige Teilflächen dem Henneke Sehestedt (1. Hälfte 16. Jahrhundert).

Wiedenborsteler Bauern waren dabei, als 1869 das „Landwirtschaftliche Casino an der Bünzau" und 1892 die „Neue Meierei-Genossenschaft Bargfeld" gegründet wurden. Noch heute gehört Wiedenborstel zur Poststelle und zum Ortsnetzbereich Aukrug. Die Familien Czarnetzki, Ottjes, Jungjohann, Stark und Krüger waren auf Wiedenborstel beschäftigt und haben in Aukrug ihr Haus gebaut.

Ein ganzes Dorf wird gekauft

„He hett ganz Wiedenbossel op een Dutt", hieß es früher beim Kartenspiel, wenn jemand alle vier Buben auf der Hand hatte.[1] Denn Wiedenborstel bestand aus nur vier Bauernstellen (und einem Kätner).

Die ganze Landgemeinde wurde 1906 von dem Hamburger Makler Ebert aufgekauft, wie man sagte für den Prinzen Heinrich. Sie wurde in einen Gutsbezirk umgewandelt, die Bauernhäuser teils abgerissen, teils umgebaut. Ein herrschaftliches Wohnhaus, von den Leuten „das Schloß" genannt, neue Wirtschaftsgebäude und zwei Leutehäuser mit je fünf Wohneinheiten entstanden. Der Kuhstall erhielt Kacheln mit den Abbildungen von Rindern. Vorn am Gutstor stand die Schmiede. .

Die Ära Thams

Am 1. April 1914 ging das Gut in den Besitz des Kaffeegroßhändlers Heinrich Thams über, an den sich noch heute viele Menschen gern erinnern.

Wenn Sophie Czarnetzki aus Innien erzählt, werden die alten Zeiten wieder lebendig. Herr Thams stand mit den Gutsarbeitern und -angestellten sowie mit den Einwohnern der Nachbargemeinden auf gutem Fuß. Zu Ostern lud er z.B. alle Schulkinder des Gutes und der Nachbargemeinden .ein. Das Suchen der Schokoladenostereier aus der Ladenkette Thams & Garfs gehörte für sie zu den Höhepunkten des Jahres. Der Gutsherr sorgte stets persönlich dafür, daß genügend Eier und Säfte für den großen Durst vorhanden waren. Im Sommer kamen die Schnitter aus Polen oder Litauen und wohnten mit ihrer Mattka in der „Russenbude". Zum Herbst und Winter gab es Gesellschaftsjagden.

Erst 1932 wurde das Gut ans Stromnetz angeschlossen.

Gingen die Kinder morgens nach Hennstedt zur Schule, wurden sie ein gutes Stück von einem Hirsch begleitet und mittags auch wieder abgeholt. Zum Glück lief dieser große Hirsch, den die Kinder auch gern ärgerten, auf der anderen Seite des Wildzaunes neben dem Weg her. Er gehörte zum Bestand des Wildgatters, dem ersten in Schleswig-Holstein.

Bis in die 50er Jahre hatte es noch sogenannte Fangeinsprunglöcher gegeben. Es sind Stellen, die von den kapitalsten Hirschen von außen nach innen übersprungen werden konnten, aber nicht in umgekehrter Richtung. Dieser Tierfang wurde später als unwaidmännisch verboten. Das Schwarzwild konnte durch die „Sauklappen" ungehindert wechseln. Es richtete in den Gärten der Gutsarbeiter viel Schaden an, der von der Gutsverwaltung ersetzt werden mußte.

Ein Schiff mit dem Namen „Wiedenborstel"

Ein Betriebszweig von Thams & Garfs war der Tee- und Kaffeeimport auf eigenen Schiffen. So lag es nahe, einen der Dampfer nach dem schönen Wiedenborstel zu benennen. Junior Hans Heinrich Thams, der 1936 Chef auf dem Gut wurde, hatte diesen Zweig unter sich. Er war Präsident des Deutschen Kaffee-Verbandes.

Die öffentlichen Wege werden privatisiert

Hans Heinrich Thams müssen die Gemeindewege durch seinen Besitz ein Dorn im Auge gewesen sein. Im Juli 1938 heißt es im Protokollbuch der Gemeinde: Beschluß: Ich beschließe, sämtliche Wege in der Gemeinde Wiedenborstel werden aufgehoben. Der Bürgermeister Pries. Unter dem B. Juni 1939 steht: Nach Beratung mit den Gemeinderäten beschließe ich die unentgeltliche Aufhebung der Gemeindewege an Herrn Thams. 1. Beigeordneter Aug. Czarnetzki. Im Kreisblatt von Steinburg ist dann bekanntgemacht worden, daß die Wege aufgehoben seien und innerhalb von vier Wochen dagegen Widerspruch eingelegt werden könne. Es erfolgte kein Widerspruch, und somit waren die Wege an Herrn Thams übergegangen. Hinterher half kein Protestieren und Lamentieren der Nachbargemeinden, die Einspruchsfrist war versäumt worden. So is es gekommen, daß auch heute noch die Wege (bis auf einen) für Autos gesperrt sind — aus heutiger Sicht vielleicht nicht ganz verkehrt. Aber z.B. ist der Weg Richtung Tönsheide zum Ärger des Wanderers völlig dicht.

Die weitere Entwicklung des Guts

Seit 1961 ist Amtsrat Erwin Sachs Schriftführer der Gemeindevertretung. Er kennt die Verhältnisse und gibt gerne Auskunft.

Das Gut hat 489 ha Betriebsfläche, davon sind 190 ha Acker- bzw. Dauergrünland. 1939 wohnten auf dem Gut 48 Personen. 1950, waren es 23 Wohnparteien mit 75 Personen, davon 36 Flüchtlinge. Jede Familie hatte einen Garten von durchschnittlich 1300 qm. 28 Kinder gingen in die Hennstedter Schule. 1960 gab es 11 Wohneinheiten mit 29 Personen, davon 9 Kinder. Bis 1970 ging die Einwohnerzahl auf 10 zurück. Herr Thams war Bürgermeister der Minigemeinde. Früher waren auf dem Gut stets ein Verwalter, ein Förster, ein Gärtner, ein Kutscher sowie mehrere Melker und Landarbeiter, zeitweilig auch ein Schmied, beschäftigt gewesen. Als Pferde noch unentbehrlich waren, spielte deren Zucht auf dem Gut eine große Rolle. Arbeits-, Kutsch- und Reitpferde wurden gehalten. 1950 gab es neben zwei Traktoren 30 Pferde (einschl. Fohlen), 1960 acht Pferde und 6 Traktoren. Der Bestand an Milchkühen wurde allmählich von 66 (1960) auf 120 aufgestockt, alles prächtige Schwarzbunte.

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf da alle Beteiligten der Entschluß von Herrn Thams, die Milchwirtschaft aufzugeben. Die Kühe wurden versteigert. Das war für die Schweizer, Landarbeiter und nicht zuletzt auch für die Meiereigenossenschaft Bargfeld, in der Herr Thams Vorstandsmitglied war, ein harter Schlag. Der damalige Betriebsleiter der Bargfelder Meierei, Heinrich Asmus, sagt dazu, daß weder er noch die Bauern der Genossenschaft Verständnis für diese Maßnahme hätten aufbringen können. Das Verhältnis zwischen Wiedenborstel und Aukrug sei empfindlich gestört worden.

Besitzerwechsel

1983 hat der Fabrikant Karl-Heinrich Lemmerbrock das Gut erworben. Er wurde ein Jahr später von Landrat Rocke zum neuen Bürgermeister der Gemeinde bestellt und im April 1986 durch Wahl von der Gemeinde bestätigt. Auf Wiedenborstel begann eine neue Zeit. Die alten Wirtschaftsgebäude wurden abgerissen, bis auf die Pferdeställe. Das Storchennest wurde umgesetzt. Neue, gut in die Umgebung eingepaßte Gebäude entstanden. Heute werden auf Wiedenborstel Bullen gemästet und intensiv Forstwirtschaft betrieben. 1993 vernichtete der Sturm 5.000 Festmeter Holz, darunter einige 35 m hohe sich selbstputzende Douglasien, die zur Saatgewinnung genutzt worden waren. In letzter Zeit werden nur noch Laub- und Mischwald neu angepflanzt. Das Wildgatter birgt ca. 180 Stück Dam- und 20 Stück Muffelwild.

Es gibt im Wald einzigartige Biotope, die nicht gestört werden dürfen. Schwarzstorch und Fischadler würden sonst schnell verschwunden sein.

Fußnoten

  1. Das berichtet Pastor Johann Kähler aus Stellau in seinem Buch „Das Stör- und Bramautal".