Bahnhofshotel

Aus Aukrug Geschichte Wiki
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Das Bahnhofshotel um 1950
Ähnliche Postkarte mit Innenansicht aus den 1920erJahren
Werbeanzeige 1972
Siebenbaum's Gasthof
Gasthof zur Post, Besitzer F. Sibbert
Gasthof zur Post, Besitzer Hermann Rathjen
Gasthof zur Post an der Bahnseite
Das Bahnhofshotel um 1970
Das Gebäude des ehemaligen Bahnhofshotels mit dem Restaurant "Elephant's Beerhouse", 2009

Das Bahnhofshotel war eine Gastwirtschaft in Aukrug-Innien. Das Gebäude an der Hauptstraße 2 wurde kurz nach dem I. Weltkrieg von Max Rave erworben und unter dem Namen "Bahnhofshotel" als Gaststätte mit Hotel- und Kinobetrieb bis Ende der 1960er Jahre von den Familien Rave und Rohwer geführt. Neben dem Tivoli, das sich gegenüber dem Bahnhofshotel an der Ecke Bargfelder/Itzehoer Straße befand, war das Bahnhofshotel im 20. Jahrhundert einer der beiden großen Gasthöfe in Innien.

Zur Vorgeschichte des Gebäudes

Das Gebäude des späteren Bahnhofshotels wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Gasthof genutzt, zunächst unter dem Namen "Siebenbaum's Gasthof", danach als Gasthof "Zur Post". Als Besitzer lassen sich ein Friedrich Sibbert und ein Hermann Rathjen nachweisen. Bereits in dieser Zeit wurde das Gebäude um den großen Ballsaal an der Bahnseite erweitert; außerdem erhielt das Wirtschaftsgebäude zur Hauptstraße, die "Durchfahrt", einen kleinen Anbau.

Im Zuge der Umbaus wurde auch die Fassade neu gestaltet. Die Außenwände wurden hell verputzt und durch Säulen und Simse aus Backstein großflächig gegliedert. Als Max und Olga Rave um 1920 das Haus bezogen, zeigte es schon das unverwechselbare Gesicht des Bahnhofshotels, das das Erscheinungsbild Inniens am Bahnübergang für die nächsten 50 Jahre prägen sollte.

Das Bahnhofshotel in seiner Zeit

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in Aukrug, nicht zuletzt dank der lebendigen Tradition der Dorffeste und eines regen Vereinslebens, viele Anlässe zum Feiern und zum geselligen Beisammensein. Die Nachfrage reichte aus, um den beiden großen Gasthöfen in Innien, dem Bahnhofshotel und dem Tivoli, die wirtschaftliche Existenz über viele Jahrzehnte zu sichern - vorausgesetzt, man hatte die vielen Krisen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts: Inflation und Depression, Krieg und Not zu überstehen vermocht.

Das Bahnhofshotel bot Räumlichkeiten und Bewirtung für die unterschiedlichsten Anlässe an. Dafür standen die Gaststube, das Clubzimmer und der großen Ballsaal, der auch als Kino genutzt wurde, zur Verfügung. Durch seine zentrale Lage an der Hauptstraße und seine unmittelbare Nähe zum Bahnhof konnte der Betrieb vom Handel und Güterumschlag der Region profitieren. In der prosperierenden Ära des Wirtschaftswunders wurde das Gebäude auch für den Einzelhandel attraktiv.

In der Gaststube

Der alltägliche Publikumsverkehr fand überwiegend in der Gaststube statt, die sich an der Ecke Hauptstraße/Bahnhofstraße befand. Ausgestattet war sie mit Sitzecken, den "Nischen", einem runden Stammtisch und einer Theke, von der ein Durchgang zur Küche führte. Für Übernachtungen standen "Fremdenzimmer" im Obergeschoss zur Verfügung. Dort lagen auch die Wohnräume der Familie.

Anlässe, in den "Krug" zu gehen, wie man damals sagte, gab es genug: Man traf sich zum Frühschoppen oder zum Skatspiel, aber auch, um Geschäfte zu besiegeln und Verträge zu schließen - einmal pro Woche bot ein Notar Termine im Bahnhofshotel an. Zu den Stammgästen zählten Bauern und Viehhändler ebenso wie Arbeiter von der Ziegelei, wenn sie freitags ihren Lohn erhielten.

Feiern im Clubzimmer und Ballsaal

Für Veranstaltungen wurde entweder das zur Bahnseite gelegene Clubzimmer oder der große Ballsaal, der an das Clubzimmer anschloss, genutzt. Neben der Tanzfläche verfügte der Saal über eine Bühne, eine Empore, eine Sektbar und eine Kegelbahn, die sich in einem abgeteilten Seitenraum befand.

Zu den großen Anlässen, für die bisweilen alle Räume benötigt wurden, zählten die Bälle, darunter der von der Schweinegilde ausgerichtete "Schweineball", der Silvester- und der Maskenball. Das Essen nach den Treibjagden sowie die Feiern zu Vogelschießen und Ringreiten wurden, alternierend mit dem Tivoli, alle zwei Jahre im Bahnhofshotel ausgerichtet. Bisweilen wurde der Saal auch für große Familienfeiern reserviert - es gab Hochzeiten mit bis zu 200 Gästen.

Viele der zahlreichen Aukruger Vereine und Clubs hielten ihre Versammlungen und Wettbewerbe im Bahnhofshotel ab. Dazu gehörten die Landjugend, der Schützenverein (die Schützensparte des TSV Aukrug), der Kegelclub, der Reichsbund (heute Sozialverband Deutschland) und die freiwillige Feuerwehr. Eine Ausnahme machte der traditionsreiche Gesangverein, der exklusiv im Tivoli zu Gast war.

Die große Zeit der "Lichtspiele"

Der Ballsaal diente auch als Kino ("Bahnhofs-Lichtspiele"). Bereits in den 1920er Jahren wurden Stummfilme gezeigt - im Aukrug damals ein Novum. Die Begleitmusik auf dem Klavier lieferte die Tochter des Hauses, Annemarie Rave. Monumental- und Heimatfilme, "Straßenfeger" in den 50er und 60er Jahren, sorgten dafür, dass sich auch das Kino im Bahnhofshotel füllte - beim "Stern von Afrika" gab es keinen freien Platz mehr, das Publikum stand in den Gängen. Um dem wachsenden Bedarf nachzukommen, erhielt der Saal eine Kinobestuhlung. Vorstellungen gab es samstags und sonntags, zeitweise wurde zusätzlich eine Spätvorstellung angeboten. Mit der Verbreitung des Fernsehens ging das Interesse am Kino nach und nach zurück.

Von der Durchfahrt zur Ladenzeile

Das als "Durchfahrt" bezeichnete Nebengebäude an der Hauptstraße diente ursprünglich als Rast- und Abstellplatz für Pferde und Fuhrwerke. Eine der ersten Maßnahmen Max Raves war, den Leichenwagen der Gemeinde, der dort abgestellt wurde, zu entfernen. Seit den 50er Jahren entstanden in dem Gebäude Wohnungen und Geschäftsräume für den Einzelhandel, zunächst das Fischgeschäft Drews und die Blumen- und Gemüsehandlung Howoldt. Mit der Eröffnung des Schreibwarengeschäfts Braun und des Lebensmittelgeschäfts Kairies war der Umbau der Durchfahrt in ein Wohn- und Geschäftsgebäude abgeschlossen; eine durchgängige Ladenzeile war entstanden.

Die Vieh- und Brückenwaage

Auf dem Grundstück des Bahnhofshotel waren zwei Waagen im Betrieb: eine vor dem Gebäude an der Hauptstraße gelegene Brückenwaage für Fuhrwerke sowie eine Viehwaage im Hinterhof. Auf der Brückenwaage wurde das Getreide der Bauern vor der Verladung auf Eisenbahnwaggons gewogen. Um die Nutzlast zu errechnen, fuhren die Fuhrwerke einmal voll und einmal leer über die Waage. Mit dem Ausbau der genossenschaftlichen Lagereinrichtungen am Bahnübergang wurde die Brückenwaage Anfang der 50er Jahre überflüssig. Die Viehwaage, von der die Rinder und Schweine direkt zum Bahnhof getrieben wurden, wurde dagegen noch bis in die 60er Jahre genutzt.

Der Familienbetrieb

Das Bahnhofshotel war ein Familienbetrieb. Kurz vor dem II. Weltkrieg übernahmen Max Raves Tochter Annemarie und ihr Ehemann Johannes Rohwer das Tagesgeschäft. Mit Ausnahme des Dienstags war das Bahnhofshotel die ganze Woche geöffnet. Am Wochenende herrschte Hochbetrieb, und in den Ballnächten sah man die Töchter des Hauses, Helga und Käte, hinter der Sektbar. Weit mehr als heute benötigte man damals in der Gastronomie Personal, um die vielen arbeitsintensiven Tätigkeiten bewältigen zu können. Im Bahnhofshotel gab es Kellner und Köchinnen, Putzhilfen und Aushilfskräfte, die das Kino in einen Tanzsaal verwandelten, indem sie die Bestuhlung entfernten und das Klavier auf die Bühne hievten.

Vom Bahnhofshotel zum "Bistro am Bahnhof"

1968 zogen sich Johannes und Annemarie Rohwer aus Altersgründen aus der Geschäftsführung zurück und verpachteten die Gastwirtschaft. Das Bahnhofshotel wurde von den Familien Drews, Barenthin und schließlich Kühnemann weitergeführt. Durch den Rückgang und die Verlagerung des geselligen Lebens ins private Umfeld wurde die wirtschaftliche Lage der herkömmlichen Dorfgastronomie zusehends schwieriger. 1976 schloss die Gaststätte, und das Hauptgebäude wurde für Mietwohnungen umgebaut. Dabei erhielt auch die Fassade ihr heutiges Aussehen.

1988 erfolgte schließlich der Verkauf an eine Eigentümergemeinschaft, zu der auch der heutige Eigentümer Christian Kreutz gehörte. Während im Ballsaal neue Wohnungen entstanden, wurde die Tradition der Gastronomie an der Hauptstraße 2 wieder aufgenommen. Dort, wo früher die Gaststube war, eröffnete mit "Elephant's Beerhouse" ein Restaurant- und Barbetrieb, der als "Bistro am Bahnhof" bis heute fortbesteht.

Literatur

Siehe auch