Kriegserlebnisse von Heinrich Michaelsen

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Die Kriegserlebnisse von Heinrich Michaelsen wurden in der Familienchronik überliefert. Er war Zollbetriebsassistent in Hamburg und wurde am 22. Mai 1890 in Nortorf geboren. Er besuchte in Krogaspe die einklassige Volksschule unter dem Lehrer Nikolaus Petersen. Ostern 1905 wurde er von dem Pastor Meyforth in Nortorf konfirmiert. Dann war er einige Jahre in seinem Heimatdorfe als Landwirt tätig. Am 9. Oktober 1908 trat er als 2-jähriger Freiwilliger beim Lauenburgischen Feldartillerieregiment Nr. 45 in Altona - Bahrenfeld ein. Am 26. September 1910 wurde er zur Reserve beurlaubt. Bis zum Ausbruch des Krieges war er herrschaftlicher Kutscher in dem damals an erster Stelle stehenden Luxusfuhrwesen von J. A. Schlüter Söhne in Hamburg. Am 16. Juni 1913 verheiratete er sich mit der Tochter Berta des Maschinisten Wen in Redebas in Vorpommern. Über seine Teilnahme am großen Kriege und seine Erlebnisse berichtete er:

"Am 3. Mobilmachungstage erfolgte meine Einberufung als Reservist und noch am selben Tage ging‘s mit der Eisenbahn nach dem bekannten Lockstedter Lager. Dort wurde von dem 9. Feldartillerieregiment in Itzehoe das Reserve Regiment Nr.17 neu gebildet. Als Bestandteil des 9. Reserve Korps unter General Böhn wurden wir zunächst nach Nordschleswig zur Sicherung der dänischen Grenze befördert. Inzwischen waren die aktiven Truppen schon weit über die Grenze in Frankreich hinein marschiert, und eine Festung nach der anderen war bezwungen. Schon dachten wir, daß wir überhaupt keine Verwendung mehr auf dem Kriegsschauplatz finden würden. Aber es kam schnell anders. Am 23. August 1914 wurde unser Regiment mit dem Ziele Westfront auf dem Bahnhof in Tingleff verladen. Im Eiltempo ging‘s nach Belgien. Hier wurden wir am 25. August 1914 in Ternade ausgeladen. Inzwischen waren auch die andern Regimenter des 9. Reserve Korps eingetroffen, und wir bewegten uns noch am selben Tage auf Löwen zu.

Hier habe ich die geschichtlich bekannten Straßen- und Franktireurkämpfe[1]mit gemacht und meine erste Feuertaufe erhalten. Danach marschierten wir, dauernd von Franktireurkämpfen aufgehalten, auf die Festung Antwerpen zu und waren gerade bei der Vorfestung Aerschot angelangt, als unser Armeekorps auf höheren Befehl in Eilmärschen vom nördlichen Belgien nach Frankreich mußte. Die erste Armee unter v. Kluck war nämlich in siegreichen Kämpfen bis 50 km vor Paris gedrungen und stand jetzt in Gefahr, von feindlichen Truppen auf dem rechten Flügel umgangen zu werden. In Gewaltmärschen von 50 - 70, ja 100 km täglich eilten wir zur Hilfe. Nach einem 10-tägigem Marsche, auf dem wir noch dauernd durch Angriffe der Belgier aufgehalten wurden, stießen wir am 15. September zum ersten Male mit den Franzosen zusammen in der Schlacht von Noyon. Hier kämpfte unser Korps gegen eine 2 1/2fache Übermacht, aber nach 3 Tagen schwerer verlustreicher Waldgefechte konnten wir den Franzosen eine Niederlage beibringen. Da nun unsere Offensive zum Stillstand gekommen war, gingen wir zum Stellungskampf über, nachdem wir den Umgehungsversuch vollständig abgewehrt hatten. In der Gegend von Noyon und Roye lag ich dann noch von Oktober 1914 bis zum Herbst 1915. Verschiedene Durchbruchsversuche der Engländer und Franzosen wurden hier abgeschlagen. Im Herbst 1915 kamen wir nach der schwer umkämpften Lorettohöhe und ich habe dort mit meinem Regiment etwa ein Jahr gelegen und hart gekämpft. Als Erfolg muß noch die Einnahme der Gieseler Höhe am 22. Mai 1916 erwähnt werden.

Während bei Noyon nur Feldgeschütze und ein starkes Kaliber verwendet wurden, mußten an der Lorettohöhe außerdem noch 5 andere großkalibrige Geschütze bis zum 38 cm Schiffsgeschütz in Funktion treten, um nur diese Linie zu halten. Man hatte hier denn auch buchstäblich tagtäglich die „Hölle auf Erden". Die Kämpfe machte ich mit bis zu meiner Erkrankung am 14. Juli 1916. An diesem Tage kam ich in ein Kriegslazarett bei Douais in Frankreich. Dort wurde ich an den Folgen eines im Felde zugezogenen Leidens, nämIich an einem Magen-, Leber- und Bauchspeicheldrüsengeschwür operiert. Meine Krankheit war sehr schwer. Aber dank der aufopfernden Pflege der Schwester sowie der Kunst der Ärzte und meiner guten Konstitution genaß ich und konnte im September 1916 mit einem Lazarettzuge nach Deutschland transportiert worden. Nach einem achtwöchigen Aufenthalt in Wolfenbüttel bei Braunschweig wurde ich, wenn auch nur an zwei Stöcken gehend, nach meinem Ersatztruppenteil in Itzehoe entlassen. Hier wurde ich 6 Monate kriegsunbrauchbar geschrieben und am 31. März 1917 mit einer 20%-igen Rente entlassen.

Auf Vermittlung der Hamburger Kriegsbeschädigtenfürsorge wurde ich zum 30. November 1917 als Depotschreiber bei der Hamburger Baudeputation eingestellt. Am 1.Dezember 1917 wurde ich wieder einberufen, zunächst zum Ausbildungspersonal des Rekrutendepots des Ersatz Regiments Nr.76 in Hamburg. Auf ein Gesuch kam ich zu meiner Stammwaffe, der Feldartillerie, am 10. Dezember 1917 als "garnisonverwendungsfähig“ zur Garnisonbatterie des Ers. Regt. F. A. R. Nr. 45 nach Bahrenfeld. Von hier erhielt ich den Posten eines Kommandoführers und Futtermeisters von 8 Fahrern und 16 Pferden im Artilleriedepot in Schenefeld bei Hamburg. Diesen Posten hatte ich bis zum Ausbruch der Revolution inne. Da eilten alle Fahrer zu Muttern, und ich mußte meinen Kram alleine machen. Am 14. Dezember 1918 wurde ich endgültig aus dem Militärverhältnis entlassen, behielt jedoch meinen Posten als Futtermeister und blieb als Vertragsarbeiter bei der Abwicklungsstelle des Artilleriedepots in Altona. Später trat ich zum Reichsvermögensamt über und verblieb dort bis zur Auflösung des Fuhrparks am 30. November 1921“.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Als Francs-tireurs bzw. Franktireur (französisch Freischützen) wurden die während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 aufgestellten französischen Freikorps bezeichnet. Auch während des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurden französische und belgische Partisanen als Francs-tireurs bezeichnet.