Kriegserlebnisse von Johannes Michaelsen
Die Kriegserlebnisse von Johannes Michaelsen wurden in der Familienchronik überliefert. Er war Tiefbautechniker in Berlin-Charlottenburg und wurde am 9. Juli 1896 in Krogaspe geboren. Schon vor seiner Schulzeit kam er zu seinem Onkel Claus Michaelsen in Böken. Von seinem sechsten Lebensjahre an besuchte er die einklassige Volksschule seines Heimatdorfes mit gutem Erfolge. Ostern 1912 verließ er die Schule und trat bei dem Zimmermeister C. H. Stieper in Nortorf in die Lehre. Bei Ausbruch des Krieges führte seine Firma Aufträge für die Heeresverwaltung, z. B. den Bau von Gefangenenlagern, aus. Doch auch er musste zu den Waffen. Über seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg berichtete er:
„Im September 1915 wurde ich beim Jägerbataillon Nr. 9 in Ratzeburg eingezogen. Das Morden nahm kein Ende. Nach einer Ausbildungszeit von neun Monaten rückte ich mit 200 Kameraden ins Feld zum Res. Jägerbataillon Nr. 18. Dies lag damals in den Karpathen. Nach 7-tägiger Fahrt erreichten wir unseren Bestimmungsort und nach weiteren drei Marschtagen das Bataillon, wo es gleich hieß: Sturmgepäck (Mantel, Zeltbahn) fertig machen. Nachdem wir auf die einzelnen Kompanien verteilt waren, setzten wir uns wieder in Marsch und kamen abends 7 Uhr bei strömendem Regen bei der Kompanie an. Essen gab es nicht mehr. Die hatten nämlich selber nichts. Unser Gepäck sollte am nächsten Tage mit Tragtieren nachgebracht werden. Doch es kam anders wie so manches Mal im Leben. Notdürftig wurden die Zelte aufgeschlagen und wir legten uns schlafen. Die Müdigkeit übermannte uns doch, obwohl das Wasser unter das Lager lief. Nachts um 1 Uhr war Wecken, und, o-Schreck, wir waren am Boden festgefroren. Der Regen war in Schnee und Eis übergegangen. Das war am 15. September 1916. Fertig machen und vorwärts ging es, immer bergauf und über Höhenkämme. Um 4 Uhr setzte unsere Artillerie ein zu einem Vorbereitungsfeuer, das jedoch viel zu kurz lag. Es gab bei uns gleich einige Volltreffer, so daß ich dachte: Na, wenn du deine Mutter wiedersiehst, hast du Glück. Nach verschiedenen Leuchtsignalen wurde das Feuer weiter vorgelegt. Um 5 Uhr hatten wir uns so weit vorgearbeitet, daß wir zum Angriff übergehen konnten. Der nur schwach mit kampffähigen russischen Truppen besetzte Graben wurde im Handstreich genommen und der Graben gleich für die andere Front umgearbeitet. Doch die Freude sollte nicht lange dauern, nach kaum einer halben Stunde wurden die russischen Reserven in 10 - 12 Linien heran geführt, so daß an ein Halten nicht zu denken war. Unser Gepäck haben wir nie mehr zu sehen bekommen, und es waren doch so schöne Sachen von Muttern dabei. Nach 14-tägigen beiderseitigen Sturm- u. Gegenangriffen hatten wir uns endlich festgebissen und der Stellungskrieg begann. Nun wurde für den Winter eingerichtet und Blockhäuser gebaut. Am 23. November 1916 wurde ich durch Minensplitter am Halse verwundet. Nach dreitägiger Fahrt im Panjewagen kamen wir an die Bahnstation und weiter nach Maramaroscziget ins Kriegslazarett. Anfang Januar kam ich zur Genesungskompanie und nach einiger Zeit zur Krankensammelstelle Kopilas - Fuß zum Barackenbau. Im Juli 1917 begann der Vormarsch durch die Bukowina, und ich mußte wieder zu meiner Truppe. Bis Ende September machte ich den Vormarsch mit und erhielt das Karpathenabzeichen. Dann wurden wir nach der italienischen Front verladen.
Während der 10-tägigen Fahrt im Güterwagen bekam ich starke Rheumatimus, daß ich nicht mehr sitzen und gehen konnte. In Agram wurde ich ausgesetzt und kam ins Lazarett. Mitte Dezember war ich wieder in Ratzeburg. Im Februar ging's zu meinem Feldtruppenteil in Lothringen. Am 26. März 1918 wurden wir hinter Cambrai in die Offensive eingesetzt. Am 1. Mai wurde ich vor Amiens durch Granatsplitter am Oberschenkel verwundet, ich kam jedoch nur bis zum Feldlazarett. Im Juni kam ich wieder zur Kompanie und erhielt das Eiserne Kreutz II unter gleichzeitiger Ernennung zum Gefreiten. Am 15. Juli 1918 war der große Marneübergang bei Dormans. Jedoch mußten wir nach vier Tagen der Übermacht wieder weichen, und heimlich verzogen wir uns wieder auf die andere Seite. Der klägliche Überrest kam nach Sedan in Ruhe und dann nach der Champagne (St. Souplet ), wo im September der große Angriff der Franzosen einsetzte. Hier wurde ich zum Oberjäger befördert. Bei einem Gasangriff habe ich wohl etwas viel geschluckt und mußte bis Mitte Oktober ins Lazarett. Darauf habe ich noch an den Rückzugsgefechten am Oisekanal teilgenommen. Am 11. November 1918 um 11:30 Uhr ruhten die Waffen, und um 2 Uhr begann der Rückmarsch über Maubeuge, Namur, Lüttich, Malmedy, Münstereifel, Bonn, Siegen, Kassel nach Han. Münden, von dort mit der Bahn nach Ratzeburg, wo ich Ende Januar entlassen wurde."