Kriegserlebnisse von Jochim Michaelsen
Die Kriegserlebnisse von Jochim Michaelsen wurden in der Familienchronik überliefert. Jochim war Telegraphenarbeiter in Innien, geb. am 21. Juni 1898 in Innien und er besuchte dort die zweiklassige Schule bis 1914. Dann war er als Landwirt bei dem Nachbar Hinrich Glindemann und dessen Schwager Johannes Jargstorff in Innien. Eben 18 Jahre, musste auch er zu den Fahnen eilen. Über seine reichen Kriegserlebnisse ließ ihn der Autor der Familienchronik selbst zu Worte kommen:
„Am 28. November 1916 wurde ich zum Gardekorps nach Berlin einberufen. Meine Ausbildung bei der 2. Ersatz Maschinengewehrkompanie des Gardekorps in Pätz bei Berlin dauerte nur bis Pfingsten 1917. Dann ging's mit 30 Mann zum Lehr - Inf. Regt. an die Westfront. Nachdem wir den 3 Kompanien des Regiments zugewiesen waren, kamen wir sofort bei Cambrai in eine ruhige Stellung. Alle Tage fiel mal ein Schuß. Ende Juli wurden wir abgelöst und wir kamen zurück in die Etappe.
Ein Eisenbahnzug stand bereit, und ehe wir an uns versahen, war alles verladen. Das Ziel wußte niemand. Aber nach einigen Stunden Bahnfahrt hieß es bei den Alten: Richtung Flandern! Also nach der schlimmsten Stellung der Westfront. Abends wurden wir ausgeladen und am nächsten Tage eingeteilt. In der Ferne hörten wir ein schweres Trommelfeuer. Schon am Abend ging's im strömendem Regen dem Kanonendonner entgegen, und bald waren wir mitten dazwischen. Dem Angriff des Engländers am nächsten Morgen mußten wir unter großen Verlusten weichen. Das Regiment war vollständig aufgelöst, von 27 Maschinengewehren im Regiment waren nur noch einige vorhanden. Es wurden neue Truppen eingesetzt, und wir wurden nach Baden verladen. Bald wieder neu aufgefüllt ging's nach Elsaß. Im Herbste saßen wir wieder in Flandern einige Tage im schlimmsten Dreck, dann für kurze Zeit an die holländische Grenze in Ruhe. Doch wir wurden bald wieder gejagt, der Engländer war in der sogenannten Tankschlacht bei Cambrai durchgebrochen. Nach einigen Tagen waren wir wieder aufgelöst. Es gab neuen Ersatz, und wir hatten von Ende November 1917 bis zum 19. März 1918 Ruhe. Abends zogen wir bei Cambrai in Stellung. Unsere Division hatte das Sommegebiet zugeteilt bekommen. In der Nacht auf den 21. März 1918 setzte von unserer Seite das Vernichtungsfeuer ein, und im Morgengrauen ging‘s zum Angriff über. Alles klappte gut, nur am Abend gab‘s noch schwere Brocken. Am nächsten Morgen war alles zum Schweigen gebracht. Nun ging's unaufhaltsam vorwärts, das ganze Sommegebiet hindurch, bis wir auf die feindliche Verstärkung stießen. Da war Schluß. Wir wurden abgelöst, aber Ruhe gab es nicht.
In neun Tagesmärschen gelangten wir wieder nach Flandern. Sofort zogen wir vor dem Kemmelberg in Stellung, den wir nach acht Tagen stürmen sollten. In 14 Tagen nicht zur Ruhe gekommen, erfolgte am 18. April 1918 der Sturmangriff. Am Nachmittag war der Kemmel nach blutigem Kampf in unserm Besitz. Ein zweiter Angriff nach acht Tagen klappten nicht mehr, wir waren total erschöpft. Danach Ruhestellung in Lothringen. Der Juli kam heran, eine neue Offensive war geplant, der Durchbruch auf Paris sollte geschehen. Meine Division fand ich nach einem 14-tägigen Urlaub in der Champagne. Ich wurde dem Regimentsstab zugeteilt. Unser Regiment hatte den Kannettberg zu stürmen. Der ganze Plan war aber verraten, es hieß vom Divisionsstab. Der Angriff klappte gut, weil der Franzmann seine Truppen in die Reservestellung zurückgezogen hatte, da gab es Gegenfeuer, und wir mußten aufgeben. Nun kam die Zeit des Rückzuges. Wir kamen in die großen Sandsteinhöhlen bei Laon in Ruhe. Bald war in der Champagne dicke Luft. Wir kamen in Eilmärschen an die Bahn und wurden ohne Bagage verladen. Unter schwerem Artllleriefeuer landeten wir bei Machholt. Nach ein paar Tagen griff der Franzmann an, und im Nu war er in unserer Stellung. Mein Gewehr hatte zwei Tote, ich war schwer verwundet, die übrigen kamen heil in französische Gefangenschaft. Nach 24 Stunden fanden mich die Franzosen, und ich wurde von meinen eigenen Kameraden zurückgetragen. Mit den Worten: Hier ist es aber gut, ich habe eben Tauben mit Reis gehabt, empfing mich der eine. Im Feldlazarett wurden meine Wunden untersucht, es war reichlich ein Dutzend, darunter Knie- und Halsschuß. Nach acht Tagen brachte uns ein Lazarettzug nach Paris ins Hospital St. Maurice. Dort wurde man mal wieder Mensch. Alles war sehr sauber. Von den 300 deutschen Kameraden waren die meisten bald geheilt, und sie kamen in das nicht sehr begehrte Gefangenenlager. Nach einem halben Jahre war auch ich geheilt. Von dem Sammellager Etampes kamen wir nach 14 Tagen zu Aufräumungsarbeiten an die uns allen bekannte Front. Wir mußten zunächst Wohnbaracken für die französische Bevölkerung, die nach und nach zurückkam, bauen. Das war eine gute Arbeit. Eine Zeitlang war ich bei einem Sprengkommando, wo wir die Aufgabe hatten, die Blindgänger zu suchen und auf einen großen Haufen zu tragen. Dann mußten wir wieder Schützengräben zuschütten.
So ging der Sommer dahin und immer wurde noch nicht von unserer Auslieferung gesprochen. Wir streikten daraufhin, erreichten aber nichts. So wurde es Weihnachten. Ende Januar kam, da hörten wir, daß wir im März zurück kämen. Doch es ging noch schneller. Am 18. Januar 1920 bekamen wir endgültigen Bescheid, daß wir in einigen Tagen ausgeliefert würden. Nach etwa 20 km Marsch kamen wir bei Amiene an die Bahn. Dort fand noch eine Besichtigung durch einen französischen General statt, damit keiner zerlumpt nach Deutschland käme. Bei Herbesthal erreichten wir endlich deutschen Boden. Aber immer standen wir unter französischer Bewachung, die uns erst in Düsseldorf verließ. Von dort ging‘s nach Paderborn in ein Heimkehrerlager. Wir wurden als Zivilist eingekleidet. An den ersten Tagen des Februar war ich wieder bei meinen Lieben."