Archiv:Aktive Mitwirkung der Aukrugbauern beim Aufbau der Landwirtschaftsschule Hohenwestedt

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Aktive Mitwirkung der Aukrugbaüern beim Aufbau der Landwirtschaftsschule in Hohenwestedt

Alter Bauernhof in Homfeld (Kahlke)

Nicht nur bei der Sparkasse - auch beim Aufbau der Hohenwestedter Landwirtschaftsschule bewährte sich die gemeinschaftliche Selbsthilfe der Aukrugbauern, die am 21.1.1870 erneut zu einer großen Bauernversammlung in Bargfeld versammelt waren:

"Die Worte: "Vorwärts auch in 1870" sahen wir neulich in einem Transparent am Eingang zu einer festlich dekorierten großen Diele in Bargfeld leuchten. Das ganze Haus war mit Säulen, die Girlanden von Tannengrün und anderem winterlichen Grün trugen, eingefaßt, und Fahnen, farbige Lampen, Transparente von hunderten von Festlichtern prangten darum. Auf über 100 Wagen waren Gäste nach dort aus mehr als dreißig Ortschaften geeilt, um hier zu sehen, zu hören und zu genießen.

Das "Landwirtschaftliche Casino an der Bünzener Au" hielt nämlich in dem Lokal seine erste Sitzung in diesem Jahr ab und hatte außerdem ein Konzert und einen Festball arrangiert, so daß der Verein über mehr als 300 Gäste zählte.

Das Projekt einer Pferdebahn von den Dörfern Meezen, Homfeld, Mörel, Heinkenborstel über Innien, nach Neumünster mit Rücksicht auf das bedeutende Waldareal, sowie die Fragen der Begradigung der Bünzenerau und der Bewässerung und Entwässerung der daranliegenden 800 t Wiesen wurden besprochen. Ferner wurde darüber verhandelt, eine landwirtschaftliche Lehranstalt auf dem Mittelrücken des Landes auf dem Wege der Aktienzeichnung zu gründen . Die Anwesenden wurden seitens des Vorsitzenden um rege Beteiligung gebeten. Hieran knüpfte sich ein Konzert, wechselweise bestehend aus Gesangsvorträgen der Schulen der Fortbildungsschule und Aufführungen der Roß'chen Kapelle aus Kellinghusen an. Es war ersichtlich, daß alle Festteilnehmer von dem Arrangierten überrascht waren und daß sie den guten Eindruck lange behalten werden . Leider waren bei dem Ball die Mauern zu eng, denn nicht alle konnten sch in den lustigen Reihen so drehen, wie sie es gern mochten. In angenehmer Heiterkeit verschwanden die Stunden, als wären es Minuten, und alle haben bedauert, daß die Nacht vom 21. zum 22 . Januar 1870 nicht länger gewesen ist.“

Bei dieser Versammlung des noch sehr jungen landwirtschaftlichen Casinos dürfte es sich wohl um die bedeutendste Zusammenkunft holsteinischer Bauern dieser Gegend und dieses Zeitabschnittes gehandelt haben: Man vergegenwärtige sich die näheren Zeitumstände. Erst wenige Jahre liegt der Krieg gegen Dänemark zurück. Die Herzogtümer wurden gegen den Willen der Bevölkerung von Preußen annektiert und in eine preußische Provinz umgewandelt.

Trotz der dadurch ausgelösten politischen Verbitterung war der Wille zur Selbsthilfe unter unseren Vorfahren nicht erlahmt. Ein entscheidender Schritt zur Aktivierung der Kräfte der Selbsthilfe war der Aufruf des landwirtschaftlichen Casinos an der Bünzenerau und des landwirtschaftlichen Vereins in Hohenwestedt zur Zeichnung von Aktien, um mit deim auf diesem Wege erfaßten bäuerlichen Eigenkapital eine landwirtschaftliche Schule zu errichten. Das war im Bereich der schleswig-holsteinischen Landbevölkerung etwas völlig Neues, ja, das war geradezu eine revolutionär wirkende Idee, die aber nicht nur als Utopie im leeren Raum stehen blieb, sondern schnell in die Tat umgesetzt wurde. Schon am 5.2.1870 meldeten die „Itzehoer Nachrichten“, daß der Bargfelder Aufruf 4oo Aktien je 30 M Courant = 12.000 M Courant ergeben hätte.

Man spürt heute - 108 Jahre später - noch etwas von dem inneren Jubel, der alle diejenigen Bauern unserer Dörfer erfüllte, die den Mut hatten, ihre Berufsgenossen finanziell zu verpflichten, als mitgeteilt wurde, daß durch diese umfassende Eigenhilfe der Schulbau gesichert sei. Die Zeitung schließt ihren Bericht mit folgenden Worten:

"Gewiß, ein neues schönes Zeugnis von der Strebsamkeit und der Hingabe der Mitglieder des Casinos und des landwirtschaftlichen Vereins, wenn es gilt, Gemeinnütziges auf landwirtschaftlichem Gebiet mit vereinten Kräften zu erreichen!"

Wäre es nicht naheliegend gewesen, wenn am 21.1.1870 in Bargfeld beschlossen worden wäre, statt der initiierten Eigenhilfe den Staat - die neue preußische Staatsregierung - um einen namhaften finanziellen Zuschuß zu bitten? Nein, man war überzeugt, daß schnell gehandelt werden mußte und daß dafür eine breite Eigenkapitalbasis unerläßlich war. Auch die im Jahre 1869 durch das Casino ins Leben gerufene ländliche Fortbildungsschule war aus der eigenen Kraft unserer Aukrugdörfer gewachsen. Mit dieser Fortbildungsschule sollte jetzt eine Brücke von der allgemeinen Volksschule zu der fachlich weiterführenden Landwirtschaftsschule geschlagen werden. Am 1.10.1870 - im Kriegsjahr - konnte die Landwirtschaftsschule ihren Betrieb eröffnen. Führende Mitglieder des Hohenwestedter landwirtschaftlichen Vereins, des Casinos an der Bünzenerau und einzelne Bürger aus Hohenwestedt bildeten das Schulkuratorium.

Der Wanderlehrer, Dr. Giersberg, der das Casino gegründet hatte, übernahm die Leitung der Schule. Hier sollte aber noch besonders festgehalten werden, daß unsere Aukrugbauern maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Hohenwestedter Landwirtschaftsschule hatten und daß sie frühzeitig die Bedeutung der geistigen, sittlichen und verstandesmäßigen Fortbildung der bäuerlichen Jugend, des Nachwuchses auf unseren Höfen, erkannten, eine bewundernswerte geistige Aufgeschlossenheit unserer Vorfahren für die Nöte und Sorgen des bäuerlichen Berufsstandes und die schulischen Verhältnisse unserer Dörfer. Daß das Casino neben seiner ernsten Arbeit auch Feste zu feiern verstand, zeigt der nachfolgende Bericht aus dem Jahre 1870, den wir ebenfalls dem "Landw. Wochenblatt“ entnommen haben:

“Von der Bünz-Au. Zum 3. Juli hat das Casino an der Bünz-Au in der wildest romantischen Gegend, die die Herzogtümer aufzuweisen haben, (Berg, Wald, Wiese , Busch , Bach, Haide ) ein Fest arrangiert unter dem Namen "Tivoli im Walde", wo Musik, Gesang, Theater, Tanz, Illumination und großes Feuerwerk stattfindet.

Die umliegenden landw. Vereine, z .B. der Hohenwestedter, der Störverein, der Verein an der Bram-Au, der Mittelholsteinische Verein, sowie der Nortorfer und Jevenstedter Verein, nicht minder auch Gesangvereine der umliegenden Städte sind hierzu eingeladen. Die Arrangements sind seltener Natur und allen Freunden des Fortschritts und der Naturschönheit wird hiermit das Zusammentreffen auf dem Festplatze bestens empfohlen. Ehrenpforten und geschmückte Pferde mit Reitern dienen an den Gränzen des Vereinsbezirks zur Orientierung der heranrückenden Excursionisten. - Es wird nur gebeten, die Ordnung zu respectieren, dann versprechen wir, wenn Sämmtliche den Himmel um gutes Wetter bitten, allen Festteilnehmern einen frohen Tag, der aber wenigstens bis 3 Uhr auf den 4. Juli morgens gerechnet wird. - Ein Mitglied des Festcomités"

Welchem besonderen Zweck diese Veranstaltung diente, war nicht zu ermitteln. Sicherlich wird auch dieses große Bauerntreffen, ein gemeinsames Sommerfest aller umliegenden landwirtschaftlichen Vereine im Sinne der Werbung von Aktien für die Hohenwestedter, Landwirtschaftsschule genutzt worden sein. Der Schulbau erforderte nun einmal ein gemeinsames Handeln aller Bauern des holsteinischen Mittelrückens.