Politische Einteilung des Aukrugs
Für die Politische Einteilung des Aukrugs liegt erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts geschichtliches Quellenmaterial vor. Georg Reimer sah als die erste größere politische Einheit, zu der der Aukrug gehörte, den Holstengau, der ihm zu Folge von der Gieselau bei Albersdorf bis an die Stör unterhalb Neumünsters und an die Bünzau reichte.
Die von Reimer auch noch 1959 verwendete Bezeichnung „Urholstein" hatte Hermann Hofmeister nach seinen Forschungen an der Kaaksburg im Kreis Steinburg geprägt. Die Ergebnisse seiner Arbeit veröffentlichte er 1932 in seinem stark ideologisch geprägten Buch „Urholstein", dessen Begrifflichkeit von Historikern nicht übernommen wurde.[1] Tatsächlich liegt der Ursprung der Holsten ebenso im Dunkel wie der Großteil ihrer Geschichte. Ihre wohl erste namentliche Erwähnung findet sich erst 1076 bei Adam von Bremen in der Geschichte des Erzbistums Hamburg: Es gibt drei nordelbische Sachsenstämme: (...) Zweitens die Holsten: Sie heißen nach den Holzungen, in deren Nähe sie sitzen; durch ihren Gau fließt die Stör; ihre Kirche ist Schenefeld. Als gesichert gilt, dass dieses Gebiet um 840 schon endgültig unterworfen und der Holstengau Bestandteil des Stammesherzogtums Sachsen im fränkischen Reich war.
Erste kirchliche Nachricht 1142
Die erste kirchliche Nachricht über den Aukrug haben wir von 1140. Erzbischof Adalbert II. hatte das Hamburger Domkapitel erneuert und ihm Einkünfte aus holsteinischen Dörfern, darunter Ennege, Bunzinge und Berchvelde (Innien, Bünzen und Bargfeld), überwiesen. Wenn also diese Dörfer Zehnten geben mussten, so ist sicher, dass damals das Christentum hier festen Fuß gefasst hatte.
Dass der Aukrug ursprünglich gleich zu Nortorf gehört haben soll, erschien Georg Reimer nach Sichtung der vorhandenen Quellen unwahrscheinlich. Die Karte zeigt ihn als angehängten Zipfel des Kirchspiels Nortorf, der eigentlich nicht dahin passt. Dazu kommt noch, dass der Aukrug und die großen südlichen Dörfer des heutigen Kirchspiels Nortorf (Gnutz, Timmaspe, Krogaspe und Schülp) mit einem Pfarrzehnt von zwei Scheffeln belastet wurden, während Nortorf und die nördlich von ihm liegenden Dörfer 3 Scheffel gaben. Dieser Zehnt von drei Scheffeln wurde vom Erzbischof Liemar (1072-1101) eingeführt, um den Holsten, die durch die vielen Wendeneinfälle schwer heimgesucht waren, ihre kirchlichen Lasten zu erleichtern. Bei dieser Nachricht ist verwunderlich, dass nur die nördlich von Nortorf liegenden Dörfer diesen größeren Pfarrzehnt hatten. Der Pfarrzehnt von zwei Scheffeln gab es auch im Kirchspiel Kellinghusen.
Reimer vermute, dass diese unterschiedliche Höhe der Pfarrzehnten ihren Ursprung in der Zeit ihrer ersten Fixierung hatten, dass also die Kirchspiele mit zwei Scheffeln Pfarrzehnt älter sein müssen als die mit drei Scheffeln, die Fixierung also vor Liemars Zeit gelegen haben muss, denn einmal festgesetzte Abgaben, auch staatlicher Art, blieben im Mittelalter stets auf ihrer einmal festgesetzten Höhe bestehen. K. H. Gaasch hat in seiner Untersuchung über die Pfarrorganisation in Dithmarschen und Holstein die Pfarrzehnten nicht berücksichtigt, da keine frühen Urkunden über sie bekannt waren.
Da nun der Aukrug als unorganisches Anhängsel am Kirchspiel Nortorf auf der Karte zu erkennen ist, da er zwei Scheffel Pfarrzehnten gibt, so vermute Georg Reimer, dass die später zu besprechende Kapelle in Innien längst vor der Gründung des Kirchspiels Nortorf bestanden hat und zu ihrem Bezirk auch die Dörfer Gnutz, Timmaspe, Krogaspe, Schülp und Borgdorf gehörten. Nortorf ist auf dem Grund Borgdorfs errichtet, da noch zur Zeit der Feldaufteilung um 1780 Borgdorf südlich von Nortorf Ackerländereien in Besitz hatte. Als nun die Herren von Westensee den Zehnten der genannten Nortorfer Dörfer erwarben, der Zeitpunkt ist unbekannt, war der Aukrug vermutlich zu klein, um einen Priester zu unterhalten. Die Kapelle blieb bestehen, wurde aber von Nortorf aus bedient.
Nortorf hatte seine größte Bedeutung in der Zeit der nach Norden vordringenden Kolonisation nach 1100. Es wurde für kurze Zeit, wie P. v. Hedemann—Heespen in seiner Geschichte der Güter Deutsch-Nienhof und Pohlsee schreibt, Mittelpunkt kirchlicher Propaganda, soweit sie nicht vom Neumünsterischen Kloster und dem Bornhöveder Adel ausging, sondern, auf Schenefeld fußend, mehr westholsteinischen Ursprungs war. Nicht lange blieb es in dieser Vorpostenstellung. In das menschenarme Gebiet bis an die Eider drangen die Holsten vor. Durch die Gründung der Reinoldsburg wurde ein fester Stützpunkt für das weitere Vordringen der deutschen Kultur und des Christentums gewonnen. Nortorf hätte einen solchen nach seiner ganzen ungeschützten Lage nicht geben können. „Nur eins ist Nortorf aus dem Jahrhundert seiner größten Bedeutung geblieben: hier liefen im Norden der Grafschaft die wichtigsten Straßen zusammen, von Rendsburg nach Neumünster, von Itzehoe nach Kiel und selbst über die Königsfurt von Eckernförde her."
Ein weites, aber dünn bevölkertes Gebiet umfasste dies Kirchspiel. Es stimmten die Kirchspiele durchweg mit den weltlichen Verwaltungsbezirken (Vogtei, Gobezirk, Hundertschaft) überein.
„Auch das große Nortorfer Kirchspiel scheint nicht mehr als 1204 Hufen umfaßt zu haben." Die weiten Heide- und Waldgebiete und der magere Boden bedingten eine geringe Bevölkerung. Der Anteil des einzelnen an der Feldmark, die Hufe, musste dafür von bedeutendem Umfang sein. Die weiterhin erwähnte Urkunde über die Einkünfte der Nortorfer Pfarrstelle gibt 138 zehntpflichtige Hufen an. Sie zeigt uns, dass das Kirchspiel in katholischer Zeit sich weiter nach Norden erstreckte. Pohlsee, Blocksdorf, Emkendorf, Rumohr, Sören und Blumenthal gehörten dazu. Das Kirchspiel erstreckte sich also von Bargfeld bis vor die Tore von Kiel.
Politische Einteilung des Aukrugs vor 1867
Kirchspiel Nortorf
Das heutige Kirchspiel Nortorf gehörte nach Einschätzung von Reimer wahrscheinlich nicht zum Holstengau, wohl aber der Aukrug. Als Beleg dafür sah er die noch Anfang des 20. Jahrhunderts beobachtbare Sprachgrenze zwischen dem Aukrug auf der einen und Gnutz, Timmaspe, Krogaspe und Wasbek auf der anderen Seite. In Aukrug, wurde Ko, Scho, Fot usw. gesprochen, in den genannten Dörfern aber Kau, Schau, Faut.
Wie die kleinere politische Einheit benannt wurde, wissen wir nicht. Sie dürfte sich aber mit dem Umfang der Kirchspiele gedeckt und die Bezeichnung Kirchspielvogtei erst erhalten haben, als das Christentum sich durchgesetzt hatte. Eine der ersten noch im Original erhaltene urkundliche Erwähnung eines eigenständigen Kirchspiels in Schleswig-Holstein ist in Brügge datiert auf das Jahr 1238.[2]
Das große Amt Rendsburg, das bei der Landesteilung von 1544 zum königlichen Anteil kam, bestand aus den sechs Kirchspielvogteien Raumort, Jevenstedt, Nortorf, Hohenwestedt, Schenefeld und Kellinghusen. Sitz des Amtmanns war bis ins 17. Jahrhundert das Schloss in Rendsburg, seitdem wohnte er in der Stadt, ebenso wie Propst, Amtsverwalter, Hausvogt, Aktuar und der Raumorter Kirchspielvogt.[3]
Der Kirchspielvogt leitete die Amtsgeschäfte in der Kirchspielvogtei und war damit auch für das Polizeiwesen sowie die Steuererhebung zuständig. In Nortorf war 1441 Johann Gottschalk (1)[4] Kirchspielvogt. Von 1594 bis 1719 waren Mitglieder der Familie von Würtzen Kirchspielvögte. Dem ersten richtete der König die Hochzeit (2)[5] auf Kosten des Amtes aus. Das Amt zahlte dafür 453 Mk 7 ß 6 Pf. Das wären nach der Kaufkraft des Geldes damals und 1938 = 5662 RM.
Durch den Übergang mancher Bauernhöfe in den Besitz des Klosters Itzehoe wurde der Umfang der Vogtei verkleinert. Diese Höfe standen unter Herrschaft des Klosters, und Amtmann und Kirchspielvogt konnten nur über die Klosterobrigkeit mit den Klosterbauern verhandeln. Sollte der Fußknecht des Amtmannes z. B. in Innien einen Amtsuntertanen verhaften, so brauchte der sich nur auf einen klösterlichen Hof zu begeben, und der Fußknecht mußte unverrichteter Sache abziehen. Königliche Untertanen durften um 1800 keinem Klostermann Holz oder Ochsen verkaufen (3)[6].
Zur Kirchspielvogtei Nortorf gehörten vom Aukrug Böken, Bünzen, Innien und Bucken. Bargfeld und Homfeld, die kirchlich zu Nortorf gehörten, unterstanden der Kirchspielvogtei Kellinghusen. Sie wurden jedenfalls in der Zeit, aus der keine schriftlichen Aufzeichnungen vorliegen, von Nortorf abgetrennt. Pastor Dr. Kuß in Kellinghusen schrieb über diese Abtrennung (4)[7]. „Wahrscheinlich hat es damit folgende Bewandtnis. Ums Jahr 1650 war die Kirchspielvogtei Kellinghusen nur von geringem Umfang, und da es damals auch noch keine Zollstelle im Kirchdorf gab, so war der Kellinghuser Kirchspielvogt hinsichtlich seiner Einnahme auf die kleine Kirchspielvogtei beschränkt. Nun wurden aber 1650 dem Grafen Christian Rantzau zu Gefallen nicht nur die Dörfer Rensing und Mühlenbarbek von der Vogtei getrennt, sondern ihr auch 8 Tonnen Roggen entzogen, welche sie bis dahin jährlich vom Gute Rostorf und einigen Untergehörigen desselben bezogen hatte, und daß ihr für solche Verluste eine Schadloshaltung geworden, ist doch sehr wahrscheinlich. Nun enthalten die beiden der Vogtei entzogenen Dörfer 131/2 Pflüge, und die beiden zur Vogtei gehörenden Dörfer im Kirchspiel Nortorf ebenfalls 131/2 Pflüge."
Kuß' Überlegungen klingen recht wahrscheinlich. Aber sie stimmen nicht. Bargfeld und Homfeld gehörten schon 1538 zur Vogtei Kellinghusen (5)[8] Auch meine Vermutung über die etwaige Zugehörigkeit zum Gute Sarlhusen stimmt nicht. Das Haaler und Sarlhuser Dienstgeld (6)[9], auf das ich verwies, stammt erst von 1603. König Christian IV. hatte von Otto Sehestedt 1601 das Gut Sarlhusen gekauft (7)[10].
Unter dänischer Herrschaft
Nachdem sich Schleswig in der Mitte des 13. Jahrhunderts als Herzogtum zwischen Eider und Königsau herausgebildet hatte, einigten sich Dänen und Deutsche im Jahre 1386, das dänische Fürstentum Schleswig mit der deutschen Grafschaft Holstein unter einem Landesherren zu vereinigen. Die deutschen Grafen von Schauenburg regierten beide Landesteile bis zum Aussterben der Familie 1460. In dieser Zeit entstanden auch die ersten größeren Städte, von denen Lübeck als Hansestadt zu den bedeutendsten Metropolen Europas aufstieg. Nach zahlreichen deutschen Herzögen regierte ab 1773 wieder der dänische König beide Landesteile in Personalunion. In der Folge nahm Schleswig-Holstein einen großen wirtschaftlichen und politischen Aufschwung: Mit dem Eiderkanal, dem Vorläufer des jetzigen Nord-Ostsee-Kanals, entstand die wichtigste Wasserstraße zwischen Nord- und Ostsee. Die Abschaffung der Leibeigenschaft leitete eine Agrarreform ein.
Die unterste Instanz der Staatsverwaltung zu dänischer Zeit bildete das Kirchspiel mit dem Kirchspielvogt. Er erhielt seine Bezahlung aus der königlichen Rentenkammer, war also Beamter der Krone. Kirchspiele mit Kirchspielvögten gab es im Amte Rendsburg, in Jevenstedt, Nortorf, Hohenwestedt, Schenefeld und Kellinghusen. Unter ihnen standen ehrenamtlich tätige, königlich ernannte Bauernvögte. Ihr Amt war vielfach an den Besitz einer bestimmten Hufe geknüpft, in Innien z. B. an die Gloysche Stelle, Claus Gloy und Sohn Henning in dänischer Zeit waren klösterliche Bauernvögte in Innien; Jacob Reimers von der ehemaligen Thunschen Stelle war stellvertretender Kirchspielvogt vom Kirchspiel Nortorf; Henning Rathjen und Johann Beecken waren Ding- und Bauernvögte in Homfeld. Bauernvogt in Böken war Jochim Rathjen. Der Bauernvogt hatte in der Gemeinde für Ruhe und Ordnung zu sorgen, die sogenannten „Hebungsgelder" vierteljährlich einzusammeln und abzuliefern sowie an Aushebungstagen für den Militärdienst Rückstellungs- und Befreiungsgesuche zu begutachten. Das bezog sich ausschließlich auf die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben.
Für die Regelung gemeindlicher Aufgaben, wie Schul-, Kirchen-, Armen- und Wegeangelegenheiten gab es besondere kommunale Verbände, die sogenannten Zivilkirchspiele. Böken, Bünzen, Innien und Bucken gehörten zum Zivilkirchspiel Nortorf, hingegen Homfeld und Bargfeld zum Zivilkirchspiel Kellinghusen. Mit den kirchlichen Verwaltungseinheiten hatten diese kommunalen Einrichtungen nichts zu tun. Sie bestanden noch weit in die preußische Zeit hinein; das Zivilkirchspiel Schenefeld wurde erst 1904 aufgelöst. Diejenigen Bewohner, die zum Kloster Itzehoe gehörten, unterstanden auch der klösterlichen Orts-, Polizei- und Gerichtsgewalt. So mußte noch im Mai 1847 der Großvater des bekannten und geschätzten Amtsvorstehers Claus Gloy einen Bittbrief an den
„Hoch und Wohlgeborenen Herrn Kammerherrn und Verbitter des hochadeligen Kloster zu Itzehoe"
richten, um für seinen Sohn Henning die Verminderung der Gebühren für den Betrieb einer Krügerei (Schankwirtschaft) um die Hälfte zu erwirken. Er schließt den sehr langen und sorgfältig geschriebenen Brief, der noch im Besitz von Frau Marie Gloy ist, mit dem für die damaligen Obrigkeitsverhältnisse bezeichnenden Satz:
„Bei fünf Verbitter habe ich mein kleines Ämtchen vorgestanden und habe ihnen meine Aufwartung gemacht, es mir dabei zur großen Ehre gereichen Euer Wohlgeboren als den 6ten persönlich kennenzulernen um meine alleruntertänigste Bitte mündlich in dem Schoße Euer Wohlgeborenen Gnaden zu legen. Euer Wohlgeborenen Herr Kammerherr aller untertänigster Claus Gloy".
Durch die gegebene Unterscheidung von klösterlicher und königlicher Zuständigkeit kam es zu einer merkwürdigen Zersplitterung der obrigkeitlichen Verwaltungsverhältnisse, wie die höchst eigenartige Regelung erkennen läßt, nach der für die klösterlichen Bauern in Bünzen Mahlzwang zu der 20 km entfernt liegenden klösterlichen Mühle bestand, obgleich eine im Dorf gelegene königliche Mühle für alle ausreichend gewesen wäre.
Erst der zunehmende Nationalismus im 19. Jahrhundert verbunden mit Bestrebungen aus Kopenhagen, das Herzogtum Schleswig ins dänische Königreich Dänemark einzugliedern, zerrüttete das gute Verhältnis zwischen Deutschen und Dänen und führte 1848 zur Schleswig-Holsteinischen Erhebung. Mit Hilfe einer Provisorischen Regierung nahm die deutsche Bevölkerung die Geschicke der Herzogtümer selbst in die Hand, unterlag jedoch der militärischen Übermacht Dänemarks und den politischen Zwängen der europäischen Großmächte: 1851 besetzten Truppen des Deutschen Bundes das Herzogtum Holstein und stellten die Verhältnisse vor 1848 wieder her. Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg 1866 wurde Schleswig-Holstein zur Provinz des Königreiches Preußen. Verwaltungssitz war Schleswig[11].
Bittere „Provinzialisierung“
Die preussische Annexion wurde in Schleswig-Holstein nicht ohne Bitternis auch als „Provinzialisierung“[12] bezeichnet[13]. Der Vorkämpfer für die schleswig-holsteinische Eigenständigkeit und Historiker Andreas Ludwig Jakob Michelsen (*1801-1881†) stellte fest, der Landesgeist sei fast gebrochen. Die damals sprunghaft ansteigende Auswanderung aus Schleswig-Holstein vor allem nach Amerika, die nicht allein durch die Einführung der Wehrpflicht oder wirtschaftliche Ursachen begründet werden kann, ist ein starkes Indiz für die Enttäuschung im Lande[14]. Der bekannte Historiker und Kenner der schleswig-holsteinischen Geschichte, Prof. Dr. Scharff, Kiel, bezeichnete diesen Vorgang als den tiefsten und bedeutungsvollsten Einschnitt im Verlauf der Geschichte der Herzogtümer nach 1460, dem Jahr des Vertrages zu Ripen und der damit festgelegten Personalunion zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark. Dieser fast diktatorische Verwaltungsakt fand lange nicht die Zustimmung weiter Kreise der schleswig-holsteinischen Bevölkerung.
Hermann Kiehl beschrieb 1967, dass die Bevölkerung in abwehrender Haltung gegen die Vorschriftenschwemme der preußischen Monarchie verharrte:
„Als erste Maßnahme gab der Oberpräsident Baron Carl v. Scheel-Plessen, der am 11. Juni 1866 ernannt worden war, am 3. Dezember 1866 die Neugliederung der Regierung bekannt. Danach unterstanden ihm zwei Regierungen in Kiel und Schleswig, während der Aufbau der unteren Behörden unverändert weiter bestand. Wenige Tage später veröffentlichte der Oberpräsident die am 13. Oktober 1866 verfaßten Richtlinien zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Das System möglicher Freistellung bestimmter Berufsgruppen und verschiedener Landschaften hörte auf. Am 28. Dezember 1866 erfolgte der Hinweis auf die bevorstehende Vereinigung mit den preußischen Postwesen zum 1. Januar 1867. Das am 28. April 1867 verkündete Steuersystem zog das städtische Kapital zu erhöhten Abgaben heran. Die Klassen- und Einkommensteuer waren für alle ungewohnt. Viele traf diese Besteuerung hart. Aufgrund anhaltender Proteste mußten 1867/68 Korrekturen vorgenommen werden. Von seiten des Kreistages bestellte man jährlich eine Kommission, um Reklamationen zu be gutachten. Die noch ausgesparte Neuordnung der inneren Verwaltung regelten die Landgemeindeverfassung, die Kreis- und Provinzialordnung vom 22. September 1867. Von wirtschafts- und handelspolitischer Bedeutung waren zudem die Bekanntmachung der Gewerbefreiheit (23. September 1867), der Freizügigkeit (1. November 1867) und des Anschlusses an den »Deutschen Zollverein« (15. November 1867). Justiz- (24., 25., 26., 27. Juni 1867) und Verwaltungsreform gingen Hand in Hand. Reste der alten Volksgerichtsbarkeit wie das »Ding und Recht«, die Patrimonialgerichtsbarkeit in den Gutsbezirken, wobei die Polizeigewalt und die Gerichtsbarkeit in einer Hand lagen, die Niedergerichte der städtischen Magistrate und gewisse Sonderstellungen (z. B. der Universität Kiel, des Adels oder einiger Beamtenränge) wurden beseitigt. Die Obergerichte in Glückstadt (für Holstein) und auf Gottorf (für Schleswig), das Appellationsgericht in Flensburg und das Oberappellationsgericht in Kiel sowie das adlige Landgericht in Glückstadt fielen im Rahmen der Reformen weg. Die preußische Justizordnung führte hier einen klaren Instanzenzug mit Amts-, Kreis- (später Land-) und Appellationsgericht (ab 1879 Oberlandesgericht) ein.“
Laut Kiehl stand die die Mehrheit der Bevölkerung der Annexion und der zunehmenden Fülle von Vorschriften ablehnend gegenüber. Seine Analyse kommt zu dem Schluss, dass die Menschen "berechtigte Eigentümlichkeiten, die in langer Tradition ihre Bewährung gefunden hatten, erhalten wissen wollten" und belegt seine These mit den Resultaten der Reichs- und Landtagswahlen des Jahres 1867 und der darauf folgenden Entwicklung:
„Man war zwar deutsch gesinnt, wollte aber andererseits autonom sein. Weil sich die Schleswig-Holsteiner in ihrem Rechtsstandpunkt verletzt fühlten, votierten sie aus Protest überwiegend für Kandidaten der linksliberalen Opposition. Preußenfreundliche Nationale oder Nationalliberale unterlagen ohne Ausnahme bei den Reichstagswahlen, während sie bei den Landtagswahlen ein Sechstel aller Mandate errangen. Ein Wandel begann sich aber bereits im Juli 1867 innerhalb der Linksliberalen abzuzeichnen. In der im Juli begründe Schleswig-Holsteinischen Liberalen Partei gewannen die Gemäßigten unter der Führung von Dr. Wilhelm Ahlmann und Professor Dr. jur. Albert Hänel das Übergewicht. Unter Eduard Graf v. Baudissin-Dreikronen spalteten sich 1868 die Demokraten ab und bildeten die »Deutsche Volkspartei in Schleswig-Holstein«. Als Obergerichtsrat a. D. Otto Jensen und Dr. Bernhard Endrulat, Redakteur der Itzehoer Nachrichten, einen legitimistischen Kurs nicht durchsetzen konnten, schieden sie 187O aus der SHLP aus und fusionierten mit den Demokraten zur »Deutsch-Schleswig-Holsteinischen Partei«. Aber innerhalb der Wählerschaft fand die »wahre Landespartei« (Dt. SHP) nur geringen Zuspruch. Bis 188O/81 wechselte ein Teil der führenden Persönlichkeiten zur Hänel-Partei úber. Andere zogen sích aus dem politischen Leben völlig zurúck. Bis 1918 ist eine autonomistische Landespartei in Schleswig-Holstein nicht mehr begründet worden.“
Preußische Kreisordnung
Nach der erneuten Ausdehnung Preußens wurden die preußische Kreise in den Provinzen Schleswig-Holstein und Hessen-Nassau gebildet und durch die Preußische Kreisordnung von 1872 die Organisation der Kreise neu geregelt. Schleswig-Holstein wurde in 20 Kreise aufgeteilt, einer davon war der neu gebildete Kreis Rendsburg. Bei der Einführung wurde das Kirchspiel Kellinghusen dem Kreise Steinburg zugelegt, die Dörfer Homfeld und Bargfeld aber kamen zum Kreise Rendsburg, im Osten kam ein Teil des Kieler Güterdistrikts, u. a. mit den bekannten Gütern Annenhof-Schierensee, Emkendorf, Deutsch Nienhof, hinzu, um die Voraussetzung für die Bildung ständischer Kreiskorporationen zu schaffen, nämlich 1. Großgrundbesitzer, 2. Städte und 3. Landgemeinden.
Nach der Annexion Schleswig-Holsteins durch Preußen wurden 1889 der Amtsbezirk Innien (die heutige Gemeinde Aukrug sowie Meezen) im Kreis Rendsburg und der Amtsbezirk Wittorf (Gemeinden Arpsdorf, Ehndorf, Padenstedt, Wasbek und Wittorf) im Kreis Kiel gebildet. Nach der Auflösung des Kreises Bordesholm, wie der Kreis Kiel mittlerweile hieß, kamen die Gemeinden des Amtsbezirks Wittorf ohne Wittorf als Amtsbezirk Wasbek 1932 in den Kreis Rendsburg.
1948 wurden die Gebiete der Amtsbezirke zu Ämtern. Das Amt Wasbek blieb bis zur Gründung des Amtes Aukrug unverändert gegenüber dem Amtsbezirk. Das Amt Innien gab Meezen an das Amt Hohenwestedt-Land ab. Der 1867 geschaffene Kreis Rendsburg behielt seinen Umfang mit Ausnahme der 1877 aus dem Kreis Eckernförde zu Rendsburg geschlagenen Hohner Harde mit 17 Ortschaften bis zur Kreisreform 1970, die eine Zusammenlegung der Kreise Rendsburg und Eckernförde zur Folge hatte.
Das heutige Amt Mittelholstein wurde zum 1. Januar 2012 aus den Gemeinden der bisherigen Ämter Aukrug, Hanerau-Hademarschen und Hohenwestedt-Land sowie der Gemeinde Hohenwestedt gebildet. Dem Amt ist eine Verwaltungsgemeinschaft vorausgegangen, die zum 1. Januar 2007 gebildet wurde.
Einzelnachweise
- ↑ Rundgang durch die Kaaksburg, 2012
- ↑ Geschichte der Kirchengemeinde Brügge
- ↑ Herzogtum Holstein bis 1867, Abt. 104: Amt Rendsburg
- ↑ Kloster Itzehoe, XI. Nr. 350.
- ↑ Rendsb. Amtsrechn. 1611. Die Heimat 1951, S. 990.
- ↑ Rendsb. Amtsrechn. 1622 (A. R.).
- ↑ Neues Staatsb. Mag. 8, S. 201.
- ↑ A. R. 1538.
- ↑ A. R. 1609.
- ↑ A. R. 1601.
- ↑ Schleswig-Holstein - deutsch-dänische Geschichte
- ↑ Durch eine Verordnung vom 22. September 1867 sollten die früheren Herzogtümer in der preußischen Verwaltung einen provinzialständischen Verband unter der Bezeichnung „Provinz Schleswig-Holstein" bilden.
- ↑ Bittere „Provinzialisierung“ auf geschichte-s-h.de
- ↑ Ulrich Lange (Hrsg.): Geschichte Schleswig-Holsteins – Von den Anfängen bis zur Gegenwart (SHG), 2. verbesserte und erweiterte Ausgabe, Neumünster 2003, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02440-6