Archiv:Amts-Protokollbuch mit Lücken

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Protokollbuch des Amtsbezirkes Innien

für die Zeit vom 30.11.28 bis zum 31.06.51 (Ein Protokollbuch mit Lücken und weißen Flecken)

von Reimer Reimers

Protokoll der Amtausschußsitzung vom 20.3.1940

Einleitung

Im Zusammenhang mit den Bemühungen, auch die Aukruger Geschichte während der NS-Zeit aufzuhellen, wurde auf dem Spitzboden der Amtsverwaltung ein einziges Dokument aus der damaligen Zeit gefunden, und zwar ein Protokollbuch über die Sitzungen des Amtsausschusses während dieser Jahre. Wer nun jedoch meinte, aufschlußreiche Erkenntnisse über politische Ereignisse der damaligen Zeit in Aukrug finden zu können, wurde zunächst enttäuscht. So gut wie gar nichts von Wichtigkeit ist überliefert, wenn man mal davon absieht, daß ab 1936 im Siegel unter den Sitzungsprotokollen das Hakenkreuz erscheint, und dieses Hakenkreuz im Mai 1946 aus der Mitte des Siegels wieder verschwindet — ein weißer Fleck, mehr nicht?

Ich hätte das Protokollbuch vielleicht nach einem flüchtigen Überlesen wieder weggelegt, wenn mich nicht persönliches Interesse neugierig gemacht hätte. Mein Großvater Johannes Reimers wird in diesem Protokollbuch des öfteren erwähnt. Bis zum 12.05.33 unterzeichnet er als Amtsvorsteher die Protokolle, vom 17.11.34 bis zum 10.03.44 unterschreibt der Amtsvorsteher Hinrich Brammer die Protokolle, und vom 28.09.45 bis zum 12.01.48 ist Johannes Reimers wieder Amtsvorsteher. Er durfte/mußte also etwa 12 Jahre in der Zeit von 1933 bis 1945 als Amtsvorsteher pausieren. Vielleicht lieferten die Protokolle ein paar Hinweise auf die Umstände des Amtswechsels 1933/34 und 1945/46?

Unter diesem Aspekt sah ich mir das Protokollbuch etwas genauer an. Ein paar Dinge fielen mir dann doch schnell auf.

Manipulationsversuche

Die ersten 24 Seiten im Protokollbuch sind vorne eingeklebt worden und bestehen aus mindestens sechs verschiedenen Papiersorten.

Deutlich zu erkennen ist, daß bei diesen 24 Seiten die Ränder beschnitten wurden, so daß die Seitenangaben fehlen.

Anmerkung: Auch damals bestand für die Führung von Sitzungsprotokollen schon die Vorschrift, daß die Protokollbücher fortlaufende Seitenangaben enthalten mußten, um Manipulationen auszuschließen.

Das Entfernen der Seitenzahlen deutet also auf eine bewußte Manipulation der Protokollführung hin.

Dafür muß es Gründe gegeben haben, denn diese Manipulation bezieht sich nur auf die Zeit bis 1946. Das bedeutet aber auch, daß noch 1946 jemand diese „bereinigte" Loseblattsammlung ins neue/alte Protokollbuch geklebt hat.

Ab 18.03.46 werden dann die Protokolle der Amtsausschußsitzungen in einem „ordentlichen" Protokollbuch mit fortlaufenden Seitenzahlen fortgesetzt. Eins aber fällt sofort ins Auge: Dieses Protokollbuch beginnt erst mit der Seite 33. Die ersten 32 Seiten fehlen einfach. Anstelle der fehlenden, durchnumerierten 32 Originalseiten wurden die schon erwähnten 24 beschnittenen losen Protokollblätter für die Zeit von 1928 bis 1945 eingeklebt. Der Manipulationsversuch wird überdeutlich. Wenn jemand sich so viel „Mühe" macht, ein Protokoll zu reinigen, sozusagen zu „weißen", läßt das schon den Schluß zu, daß ein paar braune Flecken aus der damaligen Zeit übertüncht werden sollten. Dafür gibt es noch weitere Hinweise.

Weitere Hinweise

Für die Zeit vom 30.11.28 bis zum 26.01.46, insgesamt ca. 18 Jahre, existieren lediglich 24 Sitzungsprotokolle. Pro Jahr wurde also etwas mehr als eine Sitzung protokolliert. In der Regel handelt es sich um die Haushaltssitzung des Amtsausschusses. In der Zeit von 1933 — 45 ist pro Jahr nur jeweils die Haushaltssitzung als Protokoll erhalten.

Für die Zeit von 1928 — 33 existieren immerhin noch 9 Protokolle, also pro Jahr fast zwei. Für die Zeit vom 18.03.46 bis zum 31.06.51 wird auf 62 Seiten über 21 Sitzungen Protokoll geführt, das entspricht etwa vier Sitzungen pro Jahr.

Das verstärkt meine Vermutung, daß wesentliche Protokolle von Sitzungen während der NS-Zeit von 1933 —45 vernichtet wurden und nur die unverfänglichen Protokolle über die Haushaltssitzungen erhalten blieben.

Es ist bekannt: Auch das Weglassen von Informationen kann deutliche Aufschlüsse liefern. Ein paar Aufschlüsse liefern aber auch die noch erhaltenen Protokollseiten. Das bezieht sich auf den Wechsel der Amtsvorsteher.

Im Protokoll der Amtsausschußsitzung vom 12.05.33 steht als TOP 1: „Beschlußfassung über Vorschläge für die Wahl eines Amtsvorstehers und seiner Stellvertreter."

Das Protokoll notiert zu diesem Punkt folgenden Ablauf: „Nach erfolgter Aussprache fand die Wahl durch Zuruf statt. Die Gemeindevorsteher von Innien, Bargfeld, Homfeld und Meezen schlugen den bisherigen Amtsvorsteher Reimers wieder vor. Gemeindevorsteher Timm, Bünzen, schlug den Schmiedemeister Hinrich Brammer in Bünzen vor. Gemeindevorsteher Glindemann, Böken, schlug sich selbst vor. Gemeindevorsteher Braasch, Innien, erklärte dazu, falls eine Wiederwahl vom bisherigen Amtsvorsteher Reimers, Böken, nicht in Frage kommt, dann schlage er den Landmann Hans Pries in Innien vor. Als Stellvertreter wurde einstimmig Hans Pries in Innien vorgeschlagen."

Damit endet die Protokollführung zu diesem Punkt. Eine Abschrift des Protokolls wurde am 15.05.33 dem kommissarischen Landrat in Rendsburg zugestellt.

Eine Wahl des Amtsvorstehers scheint auf dieser Sitzung nicht durchgeführt worden zu sein. Nach den Vorschlägen laut Protokoll zu urteilen, wäre Johannes Reimers mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt worden. Er wurde aber zu diesem Zeitpunkt als Amtsvorsteher abgelöst, wahrscheinlich auf Weisung von „oben", weil er sich weigerte, Mitglied der NSDAP zu werden.

Das nächste Protokoll einer Amtsausschußsitzung gut eineinhalb Jahre später, am 17.11.34, ist von Hinrich Brammer als Amtsvorsteher unterschrieben. In den Protokollen ist über seine Wahl nichts enthalten, genausowenig, wie über die Abwahl von Johannes Reimers etwas darinsteht.

Das Protokollbuch nach 1945

Am 14.06.45 findet dann, nach elf Jahren Pause für Johannes Reimers als Amtsvorsteher, seine Wiederwahl unter anderen Vorzeichen statt. Es muß eine denkwürdige Sitzung gewesen sein.

Als Amtsausschußmitglieder waren folgende Bürgermeister erschienen: Braasch, Innien; Johs. Harder, Bargfeld; Holm, Bünzen; Glindemann, Böken; Zillen, Homfeld. Hinrich Brammer aus Bünzen wird nicht erwähnt.

Zusätzlich nahmen folgende Nichtparteimitglieder teil: Heinrich Butenschön, Innien; Karl Rieper, Innien; Joh. Harder, Bargfeld; Eduard Steffen, Bargfeld; Conrad Behrens, Bökenerfeld; Heinr. Kröger, Bünzen; Paul Kehl, Homfeld.

Zu Punkt 1. heißt es: „Nach Eröffnung der Versammlung wurde vom stellv. Amtsvorsteher der Bauer Johs. Reimers, Böken, vorgeschlagen. Nach Anhörung des Amtsausschusses und der Nichtparteimitgliedergaben alle Anwesenden ihre Zustimmung, so daß er einstimmig gewählt wurde."

Nach den Protkollen über die Amtsausschußsitzungen wurde Johannes Reimers als Amtsvorsteher nie abgewählt, mußte elf Jahre aussetzen und wurde 1945 einstimmig wiedergewählt.

Besiegelt wurde diese Amtsausschußsitzung mit einem Stempel, der in der Mitte einen weißen Fleck hat — der Adler mit dem Hakenkreuz der letzten Jahre wurde entfernt.

Fazit: Protokollbücher können verräterisch sein, auch wenn sie bereinigt wurden, man muß nur versuchen, zwischen den Zeilen zu lesen und zwischen die nicht numerierten Seiten zu gucken. Das habe ich getan. Man möge es mir nachsehen.