Archiv:Bedeutende Persönlichkeiten
Bedeutende Persönlichkeiten
a) Claus Gloy
Die Geschichte des Aukrugs wäre nicht vollständig, wenn sie nicht auch eine kurze Würdigung der Persönlichkeiten enthielte, die sich um die Entfaltung des geistigen und wirtschaftlichen Lebens ihres Heimatortes besonders verdient gemacht haben. Aus den dargestellten Vereinsgeschichten und den genossenschaftlichen Unternehmungen ist schon eine ganze Reihe tatkräftiger Männer genannt worden, die sich als Vorsitzende, Schrift- und Kassenführer durch oft jahrelange, uneigennützige Tätigkeit herausgehoben oder durch ihre Wirksamkeit als Amtsvorsteher, Bürgermeister und Gemeindevertreter Hochachtung und Wertschätzung erworben haben. Sie alle sind aus der langen Geschichte der Aukrugdörfer nicht wegzudenken und haben sich bleibende Verdienste erworben.
Einige Persönlichkeiten aus der Reihe dieser Männer, die schon der früheren Generation angehören, sollen hier aber doch namentlich herausgenommen werden, denn ihr Wirken war für den Aukrug von besonderer Bedeutung, und sie erfreuten sich als Bürger und als Inhaber bedeutender Ämter eines großen Ansehens in der Öffentlichkeit.
An erster Stelle muß eine ganze Geschlechterfolge der Familie Gloy in Innien genannt werden. Mit einem Henning Gloy ist diese Familie 1769 aus Willenscharen durch den Kauf der ursprünglich Wiebenschen Stelle (jetzt Klaus Henning Rohwer) nach Innien]] gekommen. Er starb früh, und 1807 mußte der älteste Sohn, Claus Gloy, nach dem Tode der Mutter mit 21 Jahren die Stelle und das damit verbundene Amt eines klösterlichen Bauernvogts übernehmen. Es war in den Kriegswirren der napoleonischen Zeit mit dem häufigen Einfall fremder, marodierender Soldateska für den jungen Bauernvogt nicht einfach, für Ordnung zu sorgen und doch den rücksichtslosen Forderungen der Befehlshaber zu entsprechen. Er schrieb darüber später in einem Bittgesuch an den Kammerherrn des hochadeligen Klosters zu Itzehoe (S. 66).
Dieser Claus Gloy veranlaßte im Februar 1846 eine Versammlung zur Besprechung eines Weges, zu einer eigenen Kirchengemeinde zu kommen. Er verfaßte eine Bittschrift an den dänischen König in dieser Angelegenheit, die in Inhalt und Formulierung bemerkenswert ist (S. 213/15). Sein Einfluß war so bedeutsam, daß er noch im gleichen Jahr mit Christian Hingst aus Bargfeld und Claus Rohweder aus Innien eine erfolgreiche Audienz bei König Christian VIII. auf Luisenberg bei Kellinghusen hatte. Erst die politischen Wirren von 1848 verhinderten alle weiteren Bemühungen. In der Familie Gloy war aber die Begründung einer selbständigen Kirchengemeinde in Innien zu einer Herzenssache geworden.
Der Sohn Henning setzte das vom Vater begonnene Bestreben fort. Er hatte die kleine Hufe 1846 übernommen. Nachdem Schleswig-Holstein preußisch geworden war, wandte sich Henning Gloy zusammen mit Jacob Reimers (Besitzer der jetzigen Pohlmannschen Stelle) 1869 mit einem Gesuch an den Oberpräsidenten und erwirkte eine Wiederaufnahme der Verhandlungen, die dann nach vielen Schwierigkeiten und Unterbrechungen im Dezember 1892 zum erfolgreichen Abschluß führten.
Henning Gloy muß eine ganz bedeutende Persönlichkeit gewesen sein, das beweist auch der lebhafte Briefwechsel mit dem königlich preußischen Generalsuperintendenten Ruperti, dem höchsten kirchlichen Beamten in Holstein. In einem an Henning Gloy gerichteten Schreiben vom 3.1.1898 aus Kiel gebraucht Ruperti die bemerkenswerte ehrende und vertrauliche Anrede:
„Mein teurer, lieber Vater Gloy!"
In dem Brief heißt es dann u. a.:
„Ich weiß noch, wie ich zuerst bei Ihnen war, Sie mir von Ihrem seligen Vater erzählten, der schon vor einem halben Jahrhundert die Kirche haben wollte; wie Sie selbst mir Ihre Sorgen mitteilten und die Hoffnung fast aufgaben, daß noch eine Kirche kommen würde; wie da Ihre liebe Frau so fröhlich und treuherzig Ihnen ins Wort fiel und sagte: ,Es kommt doch dazu, ich bete noch dafür` und wie Sie dann mit Tränen der Bewegung Ihre Frau ansahen und sagten: ,Wenn Du noch dafür betest, dann kommt auch noch was davon.'
Lieber Vater Gloy, das vergesse ich nie. Ich erzählte es mal der lieben Kaiserin, der auch dabei die Tränen in die Augen traten."
(Zwei Originalschreiben sind noch im Besitz von Frau Marie Gloy, der. letzten Namensträgerin dieser Familie.)
Es mag überraschen, daß der Briefschreiber, der eine bevorzugte Stellung am Hofe der Kaiserin hatte, diese Szene aus dem Gloyschen Hause der Monarchin erzählte. Der Kaiserin war aber anscheinend die Gloysche Familie bekannt, denn wie Frau Marie Gloy noch erinnert, sei früher in der Familie erzählt worden, daß die Monarchin einmal dort verweilt habe, als ein Radbruch ihres Reisewagens auf der Strecke zwischen Heinkenborstel und In-nien sie zu einem kurzen Aufenthalt in dem Gloyschen Hause veranlaßte. Es sei, so geht die Familiensage weiter, die damalige Hausfrau schwanger gewesen, und die Kaiserin habe ihr als Dank für den Aufenthalt später die Babyausstattung geschenkt.
Vielleicht war diese Begebenheit Anlaß dazu, daß die Fürstin zur Einweihung der Kirche der Gemeinde eine Bibel schenkte, die heute noch im Gebrauch ist. Von der Unerschütterlichkeit im Glauben und der Charakterfestigkeit im Leben des alten Henning Gloy konnte es für die damalige Zeit wohl kein eindrucksvolleres Zeugnis geben. Er starb 1910.
Eine gleiche Charakterfestigkeit, ein erstaunlicher Weitblick und eine ungewöhnliche geistige Regsamkeit waren dem Sohn und Nachfolger, dem 1850 geborenen Claus Gloy eigen. Es war in der Familie üblich, daß in der Nachfolge die Vornamen Henning und Claus miteinander abwechselten. Über diesen dritten bedeutenden Sproß in der Ahnenreihe der Familie Gloy hat Georg Reimer auf Seite 147 mit warmen Worten berichtet. Die erstaunliche Begabung und Formulierungskraft trotz einfacher Dorfschulbildung mag der folgende Artikel aus der Feder von Claus Gloy in dem Vereinsblatt des „Heidekulturvereins" vom Jahre 1905 bekunden:
„Dampfpflugarbeit zu Aufforstungszwecken im mittleren Holstein
Ganz in der Stille vollzieht sich hier im Bereich des landwirtschaftlichen Vereins an der Bünzau im sogen. Aukrug eine Kulturarbeit, die wohl wert ist, einem größeren Kreis bekannt zu werden und dessen Aufmerksamkeit hierher zu lenken. Angeregt durch einen Vorschlag hiesiger Verwandter hat ein Dampfpflugbesitzer aus Sachsen sich dazu verstanden, den Versuch zu machen, sein Arbeitsfeld hierher zu verlegen, um die vielen Odländereien unserer Ggend mit seinem Pfluge zu bearbeiten und dieselben der Kultur dadurch zugänglicher zu machen und zu Aufforstungszwecken herzustellen .. .
Es sind bereits etwa 30 ha gepflügt von dem Heideboden, und zwar zur größten Befriedigung der Besitzer. Bei einer Tiefe von etwa einem Meter wird mit der an einigen Stellen sich zeigenden Ahlerde gründlich aufgeräumt, und die gepflügte Fläche bildet ein Land, das für die Anpflanzungen wie geschaffen ist .. .
Die Kosten dieser Arbeit trägt jeder einzelne Besitzer für sich, und wenn auch vielleicht nicht jedem davon die Renten dieser Kapitalanlage wieder zufließen werden, so gründet er sich hierdurch aber für die Nachwelt ein Denkmal, das Zeugnis ablegt für seine strebsame, kulturfördernde Arbeit, wie es einem holsteinischen Bauern wohl ansteht …"
Mit 27 Jahren hat er den Vorsitz in dem so bedeutsamen „Landwirtschaftlicher Verein an der Bünzau" übernommen und ihn 45 (!) Jahre innegehabt. Das Genossenschaftswesen lag ihm besonders am Herzen. Auf allen Gebieten, die irgendwie der Landwirtschft und dem Dorfbewohner hilfreich sein konnten, hat sich der Verein unter seiner Leitung betätigt. Die aktive Mitarbeit auch der jungen Bauern war ihm besonders wichtig, „denn nur die eigene geistige Arbeit erzieht den Bauern zum kritischen Beobachter und befähigt ihn, seinen Standpunkt auch in Reden und Verhandlungen klar zu vertreten".
So war es ganz erklärlich, daß seine Mitbürger ihn mit dem höchsten Amt betrauten, das im Aukrug zu vergeben war, mit dem Posten des Amtsvorstehers. 1927 ist der großartige Mann gestorben.
b) Johannes Reimers
Johannes Reimers war ein Sohn des Aukrugs. Er entstammte einer alten holsteinischen Familie, die schon 1539 in Timmaspe nachzuweisen ist. Ein Peter Reimers kam 1712 durch Einheirat nach Innien und wurde Bauernvogt. Das Amt blieb in der Familie. Ein Peter Reimers heiratete die Witwe Wiebke Holm in Bünzen und wurde dort Bauernvogt 1813. Von ihm heißt es, daß er „von den Feinden gebunden nach Rendsburg geführt" wurde. Die Bauernvögte hatten bei dem Einfall fremder Heere immer schwer zu leiden, wenn sie sich für ihre Gemeinde einsetzten. Der Sohn Claus wurde in Innien Bauernvogt.
Die Familie Reimers muß also sehr angesehen gewesen sein und großes Vertrauen genossen haben, denn in Innien, Böken und Bünzen waren Angehörige der Familie Bauernvögte.
Johannes Reimers wurde 1884 als 2. Sohn des Böker Bauernvogts Claus Reimers geboren. Er besuchte die letzten Jahre seiner Schulzeit die von Lehrer Breiholz gegründete Privatschule in Innien, die in dem Hause der Bäckerei, der jetzigen Butenschönschen, untergebracht war und daher im Volksmund das „Bäckergymnasium" genannt wurde. Lehrer Breiholz war nicht nur ein guter Lehrer, sondern auch ein erfolgreicher Imker und ein in diesem Fachgebiet weithin in Deutschland bekannter Mann. Er bewog seinen Schüler Johannes, eine richtige Imkerausbildung zu absolvieren. Johannes Reimers begann die Lehre 1901 bei Markus Rave in Lockstedt und setzte sie 1902 in einer Großimkerei der Lüneburger Heide fort. Für eine 6monatige Ausbildung dort mußten seine Eltern die für ländliche Verhältnisse hohe Summe von 300,— Mark aufbringen. Nach dem Besuch einer Imkerschule, Gehilfentätigkeit in der Lüneburger Heide und im sogenannten „Reichswald" bei Fürth kehrte er 1907 nach Böken zurück und errichtete eine eigene Imkerei. Vom väterlichen Besitz erhielt er 7 ha Land, die „Sandkoppel", heiratete 1913 und erbaute sich auf seinem eigenen Grund und Boden ein Gehöft. Von 1915 — 1918 Teilnehmer des 1. Weltkrieges kam er im November 1918 mit einem „Fahrtausweis des Arbeiter- und Soldatenrats" in die Heimat zurück. Schon Anfang 1919 bekam er vom Landrat die Bestätigung seiner Ernennung zum Gemeindevorsteher in Böken. Wieder war ein Mitglied der Familie Reimers Bauernvogt in Böken.
Johannes Reimers widmete sich nun mit ganzer Kraft seinen Aufgaben als Gemeindevorsteher, die in den damaligen Jahren der Inflation, der Arbeitslosigkeit, der bäuerlichen Verschuldung ganz besonders schwierig war. Er erwarb sich aber dabei so sehr das Vertrauen seiner Mitbürger im ganzen Aukrug, daß er 1926 als Nachfolger von Claus Gloy zum Amtsvorsteher des Amtes Innien gewählt wurde. Was ihn auszeichnete, war ein großer Gerechtigkeitssinn und die Vertretung der Anliegen auch der sogenannten „kleinen Leute", besonders in ihren Rentenansprüchen. Er war im Vorstand des Fürsorgezweckverbandes Nortorf-Land und Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr in Böken 1925, für die er mehrere Jahre als Schriftführer und Kassierer tätig war.
Dem von seinem Lehrer Breiholz gegründeten Imkerverein, der noch heute existiert, ist er gleich nach der Rückkehr aus der Fremde beigetreten und hat ihm lange Jahre, bis 1951, als 1. Vorsitzender gedient. Als Ehrenimkermeister und Ehrenvorsitzender seines Vereins war er selbst in den Führungskreisen des deutschen Imkerbundes ein bekannter und geschätzter Mitarbeiter. Als Imkermeister hat er manche Lehrlinge ausgebildet.
Nicht nur als Imker hat er seinen Mann gestanden, sondern auch als Landwirt. Durch Zukauf und Urbarmachung von Moor- und Heideflächen hat er seinen Besitz in harter Arbeit ständig vergrößert und verbessert.
Da er nicht bereit war, der NSDAP beizutreten, wurde er nach der Machtübernahme Hitlers seiner Ämter enthoben. Nun konnte er sich mit ganzer Hingabe seiner Landwirtschaft und Imkerei widmen. Er tat es mit bemerkenswertem Erfolg, und bis nach Berlin und Nürnberg gingen seine Erzeugnisse an Honig und Wachs, die mit manchen Anerkennungsurkunden und Preisen ausgezeichnet wurden.
Gleich nach dem Zusammenbruch 1945 wurde Johannes Reimers auf Anraten des späteren Ministerpräsidenten Steltzer wieder als Amtsvorsteher eingesetzt. Die gleichzeitige Übernahme auch des Bürgermeisteramtes lehnte er aus Gesundheitsgründen ab. Wiederum übernahm er selbstlos Verantwortung in schwerer Zeit. In seinem unbestechlichen Gerechtigkeitssinn war er der rechte Mann auf seinem Posten, hat sich der Flüchtlinge und Vertriebenen helfend angenommen und seine einheimischen Mitbürger bei der berüchtigten „Entnazifizierung` unterstützt. Er wußte immer Rat! Er war auch lange Zeit Vorsitzender des Aufsichtsrats der Spar- und Darlehnskasse und konnte Georg Reimer noch kurz vor dessen Tod die große freudige Nachricht überbringen, daß die Finanzierung der 2. Auflage gesichert sei.
Er gehörte auch dem im Januar 1946 noch von der Besatzungsmacht ernannten 1. Kreistag in Rendsburg an. Als 1949 das Amtsbüro in Innien eröffnet werden sollte, verzichtete er auf eine Wiederwahl, da sein geschwächter Gesundheitszustand die tägliche Radfahrt dahin nicht mehr erlaubte. Am 18.2.1964 ist er gestorben.
Amtsvorsteher Johannes Reimers war eine gestandene Persönlichkeit und hat unbeirrt, gradlinig und gerecht seine verantwortungsvollen Ämter verwaltet. Er hat sich damit in hohem Maße die Achtung und Wertschätzung seiner Mitbürger erworben. Ehre seinem Andenken! Ehre auch der Familie Reimers, die von 1712 an aus ihrer Mitte immer wieder Männer an die maßgebenden Posten des öffentlichen Lebens ihrer Zeit gegeben hat als Bauernvögte, Amtsvorsteher, in dem Sohn Carl als Gemeindevertreter, stellvertretender Bürgermeister und Vereinsführer sowie in dem Enkel Reimer als Gemeindevertreter und Ortsgruppenleiter der SPD. Wahrlich eine Familie mit gleichbleibend starkem Gemeinsinn!
c) Georg Reimer
Lehrer Georg Reimer ist als Heimatforscher und Verfasser vieler heimatkundlicher Aufsätze und Artikel in Zeitschriften und Presse sowie als Autor des Buches „Geschichte des Aukrugs" ein in Fachkreisen bekannter und geschätzter Mann gewesen, und sein Name hat über seinen Tod hinaus einen hellen Klang behalten. Ohne seine unermüdliche Forschertätigkeit gäbe es keine Aukrug-Chronik, keine Zusammenstellung der Geschlechterfolge auf den alten Höfen, keine Familiengeschichte des Ratjengeschlechts, keine Zusammenstellung über die Familie Gloy. Er hat die Menschen und ihr Leben in der Aukruglandschaft genauestens erforscht und die Ergebnisse in einer umfassenden Darstellung für gegenwärtige und zukünftige Generationen erkennbar gemacht. Er hat die Auffassung vom Aukrug als einem geschlossenen Siedlungsbereich erst richtig begründet.
Wer war dieser Mann, der uns durch seine unermüdliche Arbeit die Vergangenheit des Aukrugs so lebendig gemacht hat?
Die Wiege Georg Reimers stand nicht im Aukrug, sondern im Landesteil Schleswig, im Dorf Ekenis in Angeln. Sein Vater war dort Landarbeiter auf dem Hofe des Bauern Klinker, Großvater des jetzigen Bundestagsabgeordneten und Präsidenten des Landesbauernverbandes Klinker. Nach Absolvierung der Schule seines Heimatdorfes kam er auf die Präparandenanstalt in Apenrade und besuchte anschließend das Lehrerseminar in Eckernförde. Für seine Ausbildung erhielt er ein Darlehen von der Sparkasse in Ekenis. 1901 bestand er sein Lehrerexamen. 1904 bewarb er sich um die Lehrerstelle in Böken und wurde nach dem damals geltenden Recht von der Gemeinde gewählt. Er heiratete im gleichen Jahr Catharina Krey aus Bekmünde bei Itzehoe, die kurz vorher als Lehrerin nach Innien gekommen war.
Reimer hatte sich schon auf dem Seminar mit heimatkundlichen Fragen beschäftigt und hielt im Winter 1905/06 vor dem landwirtschaftlichen Verein in Innien einen Vortrag über „Flurnamen und deren Bedeutung". Nach Beendigung des Vortrages sagte der Vorsitzende Claus Gloy: „Herr Reimer, Se möten uns de Geschicht von'n Aukrug schrieben!" Auf den Einwand, daß das Geld koste, antwortete der großzügige und weitblickende Amtsvorsteher ohne zu zögern: „Dat Geld gevt wi!"
Mit diesem Auftrag begann eine Forscherarbeit, die Georg Reimer nicht wieder losließ und ihn zu umfangreichen Studien in den Archiven von Nortorf, Kiel, Itzehoe und Schleswig trieb. 1913 konnte er im Selbstverlag die „Geschichte des Aukrugs" vorlegen.
Nach dem 1. Weltkrieg, den er von Anfang bis zu Ende mitmachte, nahm er seine heimatkundliche Arbeit wieder auf und gab zusammen mit dem Historiker für Landesgeschichte, Paul von Hedemann-Heespen auf Deutsch-Nienhof, und Jürgen Klee, Lehrer in Gnutz, 1922 das „Heimatbuch des Kreises Rendsburg" heraus. Eine Fülle von Aufsätzen über die Geschichte der Kirchspiele Nortorf und Schenefeld folgte.
In der bedeutenden „Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte", Band 78, erschien eine Arbeit „Vom Amt Rendsburg 1450-1800". Im „Heimatkundlichen Jahrbuch" und in „Die Heimat" veröffentlichte Georg Reimer zahlreiche Aufsätze. Für seine Arbeiten wurde er vom Museumsverein und Arbeitskreis „Die Heimat" zum Ehrenmitglied ernannt.
Die Auflage der „Geschichte des Aukrugs" war längst vergriffen. Man drängte ihn zu einer neuen Auflage, und er hat auch eine neue, erweiterte und verbesserte, erarbeitet. Ihr Erscheinen hat er nicht mehr erlebt. Die Nachricht, daß die Drucklegung gesichert sei, war seine letzte Freude. Georg Reimer starb am 13.2.1959. Sein Andenken in Ehren zu halten soll eine der vornehmsten Aufgaben dieser 3. Auflage sein. Für ihn und an seiner Statt wird seine 93 Jahre alte Frau, die nun schon 74 (!) Jahre im altvertrauten Böken lebt und mit ihrem Mann alle Mühe und Entbehrung der Forscherarbeit geteilt hat, die Freude über das Erscheinen der 3. Auflage erleben.
d) Fritz Witt
Im Zusammenhang mit dem bemerkenswerten Aufschwung in unseren Dörfern sind eine Reihe von maßgebenden Persönlichkeiten des offiziellen Lebens genannt worden. Ein Mann ist dabei nur wenig in Erscheinung getreten, obgleich er sich um den Aukrug und besonders um Innien im Laufe vieler Jahre große Verdienste erworben hat und mit der Geschichte des Aukrugs immer verbunden bleiben wird: Fritz Witt.
Sein Einsatz für sein Heimatdorf und eine bürgerliche Selbstverwaltung ist Anlaß geworden, ihm von der Landesregierung Ende Oktober 1967 die bedeutsame Freiherr-vom-Stein-Gedenkmedaille zu verleihen. Die Presse schreibt dazu am 3. November 1967:
„Unter den 43 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich wegen besonderer Verdienste um ihre Mitmenschen und um die kommunale Selbstverwaltung verdient gemacht hatten und vorige Woche durch den Innenminister Dr. Schlegelberger mit der Freiherr-vom-Stein-Gedenkmedaille ausgezeichnet wurden, befand sich auch der frühere Bürgermeister Fritz Witt aus Innien. Diese hohe Auszeichnung trifft mit Recht einen verdienstvollen Mann, der sich in seiner eigenwilligen Art seit mehreren Jahrzehnten für die Belange Inniens und des Aukruges mit ganzer Kraft eingesetzt hat. Schon im Dezember 1928 wurde er Mitglied der Gemeindevertretung von Innien und setzte sich besonders für den Ankauf des jetzigen Gemeinde und Amtsgebäudes ein. Im Bauausschuß verstand er die Zeichen der Zeit und setzte den Bau einer Turnhalle durch. Als er am 17. Januar 1946 zum Bürgermeister von Innien ernannt wurde, plante und verwirklichte er viele Vorhaben, die der Zeit vorauseilten und damals von manchen nicht verstanden wurden.
Er hatte eben mit seiner harten und eigenwilligen Persönlichkeit den Mut zum Ungewöhnlichen. Und daß er letztlich recht hatte, zeigte die weitere Entwicklung von Innien. Unter seiner Leitung entstand 1950 der Aufbauzug. Seine große Liebe zur Jugend bewies er weiter durch den Bau eines Jugendheimes und durch den weiteren Ausbau der Turnhalle.
Mit seltener Zielstrebigkeit hat er das Schulwesen vorangetrieben. Der Aufbauzug konnte ein neues Heim beziehen, was zugleich der Grundstein für die kommende Dörfergemeinschaftsschule des Aukruges bedeutete. Vorbereitet hat er weiter im Rahmen der laufenden Dorferneuerung die Gemeinschaft der fünf Aukrugdörfer mit dem Mittelpunkt Innien.
Aber das ist noch nicht alles! Er hat noch viele andere Ehrenämter innegehabt. Wir nennen nur diese:
Stellvertretender Amtmann des Aukruges, Vorstandsmitglied im Fürsorgezweckverband Nortorf-Land, Schätzer für das Statistische Landesamt, langjähriger Ortsbauernvorsteher, Vorstandsmitglied des Wasser- und Bodenverbandes Buckener Au und schließlich Mitglied des Bauausschusses des Rentnerwohnheimes in Innien, das auch seiner Vollendung entgegensieht.
Landrat Jacobsen hatte schon vor zwei Jahren in einer kleinen Feierstunde zum 20jährigen Jubiläum von Fritz Witt als Bürgermeister von Innien recht, als er sagte, daß er in schwerer Zeit unbürokratisch zugepackt hat, ohne nach Dank und Anerkennung zu fragen. Er ist der Motor, so sagte der Landrat, des kommunalen Lebens der Gemeinde und Vater des harmonischen Lebens zum Amt Aukrug und zum Landkreis Rendsburg."
Mit diesen Darstellungen hat Bürgermeister Witt eine würdige und ehrenvolle Beurteilung gefunden. Insbesondere der Ortsteil Innien ist ihm zu Dank verpflichtet.
e) Claus Rohwer aus Bünzen
Der Name eines Mannes aus dem Aukrug, und zwar aus Bünzen, der noch ganz ein Mann des 19. Jahrhunderts war, soll in seiner Urwüchsigkeit der Geschichte des Aukruges zugehörig bleiben. Eine Pressenotiz vom 4. Dezember 1906 läßt seine Persönlichkeit für die Nachwelt deutlich werden. Sie lautet:
Innien, 4. Dez. 1906 „Ein Tierheilkunde-Autodidakt, der nicht nur im Bereich seines Heimatbezirks sich hoher Wertschätzung erfreute, ist am letzten Sonntag, 88 Jahre alt, zur letzten Ruhe gebettet worden, es war der Schuhmacher Claus Rohwer aus Bünzen. Er ist während seines langen Lebens nie ernstlich krank gewesen, hat nie einen Arzt gebraucht, regelmäßige Alkoholgaben wirkten bei ihm konservierend. Mag ihn der Mangel nie gedrückt haben, so hat er doch auch nie Überfluß an materiellen Gütern gehabt. — Seine Freude war es, in durchaus selbstloser Weise mit seinen Kenntnissen vom Haustierleben, die er sich auf eigene Hand angeeignet hatte, anderen zu dienen, und als hochgeachteter "Viehdoktor" hat er durch seinen scharfen Blick, seinen klugen Rat und seine geschickte Hand viele Jahrzehnte hindurch der hiesigen Landwirtschaft viele Tausende von Werten erhalten. Das große Leichengefolge bewies, wie dieser einfache Mann in allen Kreisen geschätzt wurde."