Archiv:Einleitung (1913)
Einleitung (1913)
Soll ich Dir, lieber Leser, den »Aukrug« schildern, so kann ich das nicht einfacher tun, als daß ich Dich mit mir nehme auf den Boxberg, die Höhen zwischen Homfeld und Bucken, die uns den besten Überblick über unsere Gegend gewähren. Sie sind ein kleiner Höhenzug mit verschiedenen höheren und niedrigeren Bergen (76 m), mit steilen, ja sehr steilen und sanften Hängen. Ich nehme Dich mit in der Zeit der Heideblüte, wo diese Hügel mit einem wundervollen Rot übergossen sind, wo das Auge sich nicht satt sehen kann an dieser Pracht. —
Sieh dort nach Westen, nach Bucken. Siehst Du die Gebäude? Einst war es ein alter Rittersitz, Du wirst etwas davon hören. Sieh hier ein wenig links. Drei Hünengräber sind dort auf einer niedrigen Höhe. Wer sind die dort Begrabenen? Sind es alte Häuptlinge und Herren von Bucken? Wann haben sie gelebt, was haben sie gewirkt? Sind sie in heldenhaftem Kampfe gefallen oder den elenden Strohtod gestorben? Gehst Du hin — ach, leider haben Grabschänder diese Stätte des Todes nicht in Ruhe lassen können. Neugierige, nicht von wissenschaftlicher Tätigkeit getriebene Menschen mußten dort graben und zerstören, ohne Zweck, ohne Notwendigkeit. Zerstöre sie nicht weiter. Schone die Zeugen einer alten Zeit, die Ruhestätte alter Helden! —
Sieh nach Süden. Ausgedehnte Nadelwälder sind dort durch Menschenfleiß auf einst ödem Heideboden entstanden. Sieh die blanken, glänzenden Wasserspiegel dort durchschimmern. Große Fischteiche von Behmshof, zu dem auch die Waldungen gehören, sind es. Drehe Dich wieder über Bucken. Sieh das ausgedehnte Tal der Buckener Au und dahinter die Höhen von Grauel, Hohenwestedt und Mörel. Sieh dort im Vordergrund die ausgedehnten Homfelder Waldungen. Dort auf der Höhe rechts liegt das Dorf selbst. Sieh die stattlichen Gebäude, die Höfe reine Rittergüter ,(200 bis 235 ha), seit alter Zeit von freien Bauern, hauptsächlich dem Geschlecht der Ratjen (Rathjen, Ratgen, Rathgen) seit Jahrhunderten bewohnt. Elf Hufen umfaßte es, 1737 waren sieben davon von dieser Familie bewohnt. So von Jahrhundert zu Jahrhundert die ererbte Scholle bebauend, lebt das Geschlecht dort noch in drei Familien auf den alten Sitzen.
Schaue über das Dorf hinweg und daneben vorbei. Das Land wird flach. Die Gletscher, die hier die mächtigen Hügel unter Deinen Füßen zusammengeschoben haben, sind dort schnell nach Nordosten zurückgegangen und haben keine oder nur sehr geringe Hügel zurückgelassen. Dort hinten weiter in der Ferne bei Westensee erst haben sie sich wieder Zeit gelassen, oder sind,nachdem sie schon weiter zurückgegangen waren, erneut dahin vorgedrungen und haben neue Hügel gebaut, dazwischen aber ebene Flächen geschaffen. Ihre Schmelzwasser haben dann die abgelagerten Erdschichten ausgewaschen, Ton und schlämmbare Bestandteile ausgelaugt und fortgeschwemmt.
Hier an den Ausläufern und vorgelagerten Hügeln der Boxberge trafen die über die weite Fläche dahinströmenden Schmelzwässer auf Hügelland. Ein großer See bildete sich. Die Boxberge, die Höhen von Meezen, Grauel, Hohenwestedt, Tappendorf, Mörel, Heinkenborstel, Bargstedt, Gnutz und Viertshöhe bildeten die Grenze. Ungeheure Wassermassen sammelten sich an, fortwährend strömten neue hinzu. Da wurde die große Schale zu voll. An der niedrigsten Stelle ihres Randes zwischen Böken und Innien lief sie über.
Ein Flußtal bis zu 100 m Breite entstand, tief einschneidend durch den Absperrriegel, sich fortwährend vertiefend. Die »Große Au« entstand und mit ihr gleichzeitig und in ähnlicher Weise die andern Auen und Bäche unseres Gebietes in ihrer ersten Anlage, viel breiter, stärker und wasserreicher als heute, wirkliche Flüsse, die das heutige Wiesental ganz ausfüllten.
Als der Stillstand der Gletscher bei Westensee eintrat, hörte das starke Zuströmen der Wassermassen auf. Das Wasser im See wurde ruhiger. Die festen Bestandteile senkten sich zu Boden und erhöhten ihn. Die Vertorfung begann vom Rande aus. See und Flußtal wurden allmählich kleiner und noch in geschichtlicher Zeit scheinen sie sehr sumpfig gewesen zu sein und erst später ihre heutige Bodenbeschaffenheit erhalten zu haben.
Sieh Dir jetzt die Dörfer an. Siehst Du dort über dem Walde im Osten die hohen Schornsteine wie lange Finger sich in die Luft erstrecken? Es sind die Dampfziegelei und das Elektrizitätswerk Innien. Das Dorf selbst liegt hinter dem Walde versteckt. Darüber hinweg sieht man Böken etwas links davon den ausgebauten Hof Viertshöhe und gerade hinter dem Dorfe die ausgebauten Stellen in der Bökener und Bünzener Heide, einem Teile der großen Iloheide. Noch weiter rechts sieht man das alte Bünzen und noch weiter das Dörflein Bargfeld, das einst Aussicht hatte, Kirchdorf und Hauptort des Aukrugs zu werden.
Sieh Dir jetzt die weitere Umgebung an. Dort über Bargfeld sind die vielen Schornsteine der Fabrikstadt Neumünster deutlich erkennbar. Nach Norden liegt Nortorf mit seinem spitzen Kirchturm, unser Mutterkirchdorf, von dem wir erst 1892 losgelöst sind. Im Westen liegt das alte Kirchdorf Hohenwestedt. Den Blick nach Süden verhindern ausgedehnte Wälder, die sich mit geringen Unterbrechungen bis Itzehoe hinziehen. Im Osten begrenzen die Boostedter Berge den Horizont.
Ein Gebiet von 48,88 qkm mit 1567 Einwohnern bildet den Aukrug, mit dem das heutige Kirchspiel Innien übereinstimmt. Aus der Geschichte dieses Gebiets soll das vorliegende Buch einiges bieten.