Soll ich Dir, lieber Leser, den Aukrug schildern

Aus Aukrug Geschichte Wiki
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Georg Reimer mit Pfeife an der Schreibmaschine.
Blick vom Boxberg nach Südwesten.
Als Georg Reimer die Arbeit an der Chronik begann, war der Boxberg noch unbewaldet. Das Bild „Am Boxberg um 1900" von Bendix Passig aus Osterstedt hängt im Heimatmuseum Hohenwestedt.
Das Gemälde von Max Werner Ansicht von Neumünster befindet sich im Textilmuseum Neumünster

Mit "Soll ich Dir, lieber Leser, den »Aukrug« schildern, so kann ich das nicht einfacher tun, als daß ich Dich mit mir nehme auf den Boxberg..." beginnen die beiden von Georg Reimer geschriebenen Aukrugchroniken aus den Jahren 1913 und 1959.

Die erste Version wird er vielleicht als einen der letzten Texte seines Buches erstellt haben, denn wir können der Einleitung entnehmen, dass er zurückschaut und seit seiner Ankunft in Aukrug im Jahre 1904 viele Erkenntnisse als neu angekommener Heimatforscher erlangt hat. Thematisch unvorbelastet kam er nicht als junger Lehrer nach Böken, denn er hatte sich schon auf dem Lehrerseminar mit heimatkundlichen Fragen beschäftigt, was ihn auch für den Vortrag qualifizierte, den er im Winter 1905/06 vor dem landwirtschaftlichen Verein in Innien hielt. Vermutlich konnte er nicht ahnen, dass der daran anschließende Ausspruch „Herr Reimer, Se möten uns de Geschicht von'n Aukrug schrieben!" vom Vorsitzenden Claus Gloy sein Leben verändern würde. Später erinnerte er sich dankbar an den Mann, der die Idee der Geschichte des Aukrugs in die Welt brachte und alles für deren Umsetzung in Bewegung setzte: "Ich kam 21 Jahre alt in den Aukrug und bin Amtsvorsteher Claus Gloy zum größten Dank verpflichtet. Er hat mich auf die Bahn des Heimatforschers gebracht und mir die finanziellen Möglichkeiten dazu verschafft."

Es lagen 46 Jahre und zwei Weltkriege zwischen der ersten Ausgabe und ihrer Fortsetzung. Ein sehr langer Zeitraum, in dem der Dorfchronist sich sehnlichst die Mittel für eine Neuauflage erhoffte. Die beiden Versionen seiner Einleitung sollen auch in einer Chronik zum 900. Jubiläum Aukrugs im Jahr 2028 nicht verloren gehen und bieten, erstmals bebildert, beim vergleichenden Lesen einen kleinen Eindruck aus den vollkommen verschiedenen Epochen, in denen Georg Reimer die Geschichte des Aukrugs schrieb.

Version von 1913

Soll ich Dir, lieber Leser, den »Aukrug« schildern, so kann ich das nicht einfacher tun, als dass ich Dich mit mir nehme auf den Boxberg, die Höhen zwischen Homfeld und Bucken, die uns den besten Überblick über unsere Gegend gewähren. Sie sind ein kleiner Höhenzug mit verschiedenen höheren und niedrigeren Bergen (76 m), mit steilen, ja sehr steilen und sanften Hängen. Ich nehme Dich mit in der Zeit der Heideblüte, wo diese Hügel mit einem wundervollen Rot übergossen sind, wo das Auge sich nicht satt sehen kann an dieser Pracht. —

Sieh dort nach Westen, nach Bucken. Siehst Du die Gebäude? Einst war es ein alter Rittersitz, Du wirst etwas davon hören. Sieh hier ein wenig links. Drei Hünengräber sind dort auf einer niedrigen Höhe. Wer sind die dort Begrabenen? Sind es alte Häuptlinge und Herren von Bucken? Wann haben sie gelebt, was haben sie gewirkt? Sind sie in heldenhaftem Kampfe gefallen oder den elenden Strohtod gestorben? Gehst Du hin — ach, leider haben Grabschänder diese Stätte des Todes nicht in Ruhe lassen können. Neugierige, nicht von wissenschaftlicher Tätigkeit getriebene Menschen mussten dort graben und zerstören, ohne Zweck, ohne Notwendigkeit. Zerstöre sie nicht weiter. Schone die Zeugen einer alten Zeit, die Ruhestätte alter Helden! —

Sieh nach Süden. Ausgedehnte Nadelwälder sind dort durch Menschenfleiß auf einst ödem Heideboden entstanden. Sieh die blanken, glänzenden Wasserspiegel dort durchschimmern. Große Fischteiche von Behmshof, zu dem auch die Waldungen gehören, sind es. Drehe Dich wieder über Bucken. Sieh das ausgedehnte Tal der Buckener Au und dahinter die Höhen von Grauel, Hohenwestedt und Mörel. Sieh dort im Vordergrund die ausgedehnten Homfelder Waldungen. Dort auf der Höhe rechts liegt das Dorf selbst. Sieh die stattlichen Gebäude, die Höfe, reine Rittergüter (200 bis 235 ha), seit alter Zeit von freien Bauern, hauptsächlich dem Geschlecht der Ratjen (Rathjen, Ratgen, Rathgen) seit Jahrhunderten bewohnt. Elf Hufen umfasste es, 1737 waren sieben davon von dieser Familie bewohnt. So von Jahrhundert zu Jahrhundert die ererbte Scholle bebauend, lebt das Geschlecht dort noch in drei Familien auf den alten Sitzen.

Schaue über das Dorf hinweg und daneben vorbei. Das Land wird flach. Die Gletscher, die hier die mächtigen Hügel unter Deinen Füßen zusammengeschoben haben, sind dort schnell nach Nordosten zurückgegangen und haben keine oder nur sehr geringe Hügel zurückgelassen. Dort hinten weiter in der Ferne bei Westensee erst haben sie sich wieder Zeit gelassen, oder sind, nachdem sie schon weiter zurückgegangen waren, erneut dahin vorgedrungen und haben neue Hügel gebaut, dazwischen aber ebene Flächen geschaffen. Ihr Schmelzwasser haben dann die abgelagerten Erdschichten ausgewaschen, Ton und schlämmbare Bestandteile ausgelaugt und fortgeschwemmt.

Hier an den Ausläufern und vorgelagerten Hügeln der Boxberge trafen die über die weite Fläche dahin strömenden Schmelzwässer auf Hügelland. Ein großer See bildete sich. Die Boxberge, die Höhen von Meezen, Grauel, Hohenwestedt, Tappendorf, Mörel, Heinkenborstel, Bargstedt, Gnutz und Viertshöhe bildeten die Grenze. Ungeheure Wassermassen sammelten sich an, fortwährend strömten neue hinzu. Da wurde die große Schale zu voll. An der niedrigsten Stelle ihres Randes zwischen Böken und Innien lief sie über.

Ein Flusstal bis zu 100 m Breite entstand, tief einschneidend durch den Absperrriegel, sich fortwährend vertiefend. Die »Große Au« entstand und mit ihr gleichzeitig und in ähnlicher Weise die andern Auen und Bäche unseres Gebietes in ihrer ersten Anlage, viel breiter, stärker und wasserreicher als heute, wirkliche Flüsse, die das heutige Wiesental ganz ausfüllten.

Als der Stillstand der Gletscher bei Westensee eintrat, hörte das starke Zuströmen der Wassermassen auf. Das Wasser im See wurde ruhiger. Die festen Bestandteile senkten sich zu Boden und erhöhten ihn. Die Vertorfung begann vom Rande aus. See und Flusstal wurden allmählich kleiner und noch in geschichtlicher Zeit scheinen sie sehr sumpfig gewesen zu sein und erst später ihre heutige Bodenbeschaffenheit erhalten zu haben.

Sieh Dir jetzt die Dörfer an. Siehst Du dort über dem Walde im Osten die hohen Schornsteine, wie lange Finger sich in die Luft erstrecken? Es sind die Dampfziegelei und das Elektrizitätswerk Innien. Das Dorf selbst liegt hinter dem Walde versteckt. Darüber hinweg sieht man Böken etwas links davon den ausgebauten Hof Viertshöhe und gerade hinter dem Dorfe die ausgebauten Stellen in der Bökener und Bünzener Heide, einem Teile der großen Iloheide. Noch weiter rechts sieht man das alte Bünzen und noch weiter das Dörflein Bargfeld, das einst Aussicht hatte, Kirchdorf und Hauptort des Aukrugs zu werden.

Sieh Dir jetzt die weitere Umgebung an. Dort über Bargfeld sind die vielen Schornsteine der Fabrikstadt Neumünster deutlich erkennbar. Nach Norden liegt Nortorf mit seinem spitzen Kirchturm, unser Mutterkirchdorf, von dem wir erst 1892 losgelöst sind. Im Westen liegt das alte Kirchdorf Hohenwestedt. Den Blick nach Süden verhindern ausgedehnte Wälder, die sich mit geringen Unterbrechungen bis Itzehoe hinziehen. Im Osten begrenzen die Boostedter Berge den Horizont.

Ein Gebiet von 48,88 qkm mit 1567 Einwohnern bildet den Aukrug, mit dem das heutige Kirchspiel Innien übereinstimmt. Aus der Geschichte dieses Gebiets soll das vorliegende Buch einiges bieten.

Version von 1959

Eine Postkarte aus Homfeld von 1938 zeigt den Boxberg in einem Teilbild (links).
Bau der Ost-Weststraße (B 430) Mitte der 1950er Jahre.
Rudolf Stelling: Neumünster - Blick auf die Industriestadt.

Soll ich Dir, lieber Leser, den ,,Aukrug" schildern, so kann ich das nicht einfacher tun, als dass ich Dich mit mir nehme auf den Boxberg, die Höhen zwischen Homfeld und Bucken, die uns den besten Überblick über unsere Gegend gewähren. Sie sind ein kleiner Höhenzug aus der vorletzten Vereisung und seit etwa 100 000 Jahren eisfrei. Bis zu 76 m ansteigend, haben sie verschiedene Hügel mit steilen und sanften Hängen. 1905 wollte man den Boxberg mit Nadelholz aufforsten. Der Alte wehrte sich aber, denn der Dampfpflüger zog ab, weil der Untergrund so voll großer Steine war, dass der Pflug beschädigt wurde. Nach 1950 hat die Besitzerin ihn zum größten Teil mit Fichten und Lärchen bepflanzt. Nur etwa 4 ha auf der höchsten Stelle sind als Landschaftsschutzgebiet der Bepflanzung entzogen. Der Naturfreund bedauert dies Bepflanzen, aber der nur wirtschaftlich denkende Mensch verlangt mehr Wald. Bald wird die Aussicht nach Osten und Norden durch den aufwachsenden Wald behindert sein, und nur Ausblicke nach Süden und Westen bleiben nach.

Sieh nach Westen, nach Bucken. Einst war es ein Rittersitz. Ein wenig links davon liegt der Landsberg mit drei Hünengräbern. Leider haben Grabschänder sie zu durchwühlen versucht. Zerstöre sie nicht weiter! Schone die Ruhestätte der vor Jahrtausenden Begrabenen!

In dem Tal zwischen dem Boxberg und Landsberg wird die neue Ost-West-Straße gebaut. So wird der Boxberg leicht zu erreichen sein, aber mit seiner köstlichen Ruhe ist es dann vorbei!

Nach Süden verhindern Tannenwälder schon heute den Ausblick auf die Wasserspiegel der Behmschen Fischteiche an der alten Lübschen Trade. Über den Landsberg erkennt man Häuser von Meezen, sieht Grauel und über Bucken das Kirchdorf Hohenwestedt auf dem Nindorfer Höhenzug, der durch ein großes Wiesental vom Boxberg getrennt ist. Im Vordergrund liegen die ausgedehnten Homfelder und Innier Waldungen. Das Dorf Homfeld wird in wenigen Jahren vom Boxberg aus nicht mehr zu sehen sein. Es hat große Bauernhöfe, bis zu 235 ha. Seit alter Zeit von freien Bauern bewohnt, sind dort vier Gehöfte, die seit mehr als 400 Jahren in der Familie Ratjen (Rathjen) vererbt sind. Elf Hufen umfasste das Dorf, 1768 waren acht von ihnen von den Ratjen bewohnt.

Hinter Homfeld senkt sich das Gelände. Die Gletscher, die die Hügel unter unseren Füßen zusammengeschoben haben, sind schnell nach Osten und Nordosten zurückgegangen und haben keine oder nur Hügel von geringer Höhe zurückgelassen. Erst bei Westensee haben sie Halt gemacht oder sind, nachdem sie schon weiter zurückgegangen waren, wieder vorgestoßen. Die Schmelzwässer der zurückgehenden Gletscher haben die oberen Erdschichten ausgewaschen, Ton und schlämmbare Bestandteile ausgelaugt und weggeführt und uns den mageren Sand gelassen.

Hier an den Boxbergen und den Nindorfer Höhen trafen die in breiter Fläche, dahin strömenden Wassermassen auf Höhen, die ihnen den weiteren Abfluss versperrten. Ein großer See bildete sich, begrenzt von den Boxbergen, den Höhen von Meezen, Grauel, Hohenwestedt, Tappendorf, Mörel, Heinkenborstel, Bargstedt, Gnutz und Viertshöhe. Ungeheure Wassermassen sammelten sich hier an und fortwährend strömten neue hinzu. Da wurde die große Schale zu voll. An der niedrigsten Stelle des Randes zwischen Innien und Böken lief sie über. Ein Flusstal bis zu 100 m Breite entstand, das den Absperriegel durchschnitt und sich dauernd vertiefte. Die „Große Au" (Buckener Au) entstand und mit ihr gleichzeitig und in ähnlicher Weise die anderen Auen und Bäche unseres Gebietes in ihrer ersten Anlage, viel breiter, tiefer und wasserreicher als heute, das ganze Wiesental bis an den Rand ausfüllend. Als die Gletscher bei Westensee vor etwa 10 000 Jahren verschwunden waren, hörte das massenhafte Zuströmen des Wassers auf. Das Wasser im See wurde ruhiger. Die mitgeführten festen Bestandteile senkten sich zu Boden und erhöhten ihn. Die Vertorfung begann vom Rande aus. See und Flusstal wurden allmählich kleiner. Noch in geschichtlicher Zeit waren sie sehr sumpfig. Erst durch die Arbeit unserer Bauern haben die Wiesen ihre heutige Beschaffenheit erlangt.

Sieh Dir jetzt die Dörfer an! Über dem Walde nach Norden ragen zwei hohe Schornsteine in die Luft. Es sind die der Ziegelei und des früheren Elektrizitätswerks Innien. Das Dorf Innien ist hinter den hohen Waldungen versteckt. Darüber hinweg sieht man Böken und die Ausbauten Viertshöhe. Etwas weiter rechts sieht man den Ilohforst und die ausgebauten Höfe in der Heide, die zu Böken und Bünzen gehören. Bünzen ist wegen der Waldungen nicht mehr zu erkennen und ebenso Bargfeld nicht.

Sieh Dir die weitere Umgebung an! Im Osten erblickt man die vielen Schornsteine der Fabriken in Neumünster. Nach Norden liegt Nortorf mit seinem spitzen Kirchturm, unser Mutterkirchdorf. Nach Westen begrenzen die Hohenwestedt-Nindorfer Höhen den Blick, nach Osten die Boostedter Berge. Ein Gebiet von 48,88 km² bildet den Aukrug, mit dem das heutige Kirchspiel Innien (bis auf Bucken) übereinstimmt. Aus der Geschichte dieses kleinen, aber schönen Gebietes soll das vorliegende Buch erzählen.

Siehe auch